Maria Loley (1924-2016), die Sozialarbeiterin und Flüchtlingshelferin, war für mich ein leuchtendes Beispiel für das, was Jesus im Evangelium als "Licht der Welt" bezeichnet, so Kardinal Christoph Schönborn.
Maria Loley (1924-2016), die Sozialarbeiterin und Flüchtlingshelferin, war für mich ein leuchtendes Beispiel für das, was Jesus im Evangelium als "Licht der Welt" bezeichnet, so Kardinal Christoph Schönborn.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 9. Februar 2020 (Mt 5,13-16)
Es gibt Menschen, von denen andere sagen: Er hat eine starke Ausstrahlung! Sie hat etwas Strahlendes, Leuchtendes! Es ist gar nicht so einfach, genau festzumachen, woran das liegt. Manche sagen, es sei eine Art „Aura“, die diesen Menschen umgibt. Andere meinen, das liege am Charakter, am Temperament der Person. Wieder andere empfinden einfach so einen Menschen als wohltuend: Er verbreitet eine gute Atmosphäre! Wenn sie in einen Raum kommt, ist es, wie wenn es heller würde.
Beim Nachdenken über das heutige Evangelium kommen mir bestimmte Menschen in den Sinn, von denen ich sagen kann, sie hätten eine besondere Ausstrahlung. Durch sie wurde mir das Wort Jesu anschaulich, fassbar, wenn er sagt: „Ihr seid das Licht der Welt.“ Und: „Euer Licht soll vor den Menschen leuchten.“
Auf wen bezieht Jesus diese Worte? Er spricht mit ihnen „seine Jünger“ an. Wer sind die Jünger Jesu? Alle, die sich Christen nennen? Haben alle Christen eine so starke Ausstrahlung, dass sie den großen Titel „Licht der Welt“ verdienen? Verdunkeln Christen nicht oft eher die Welt, als dass sie ihr Licht bringen? Und gibt es nicht auch außerhalb des Christentums Menschen mit einer starken positiven Ausstrahlung?
Wenn ich an die schlimmen Ärgernisse denke, die Christen anderen geben, dann tue ich mich schwer mit dem großen Wort Jesu. Priester, die zu Missbrauchstätern wurden, haben für die Betroffenen die Welt oft lebenslang verfinstert. Nein, Jesus hat uns nicht einen Blankoscheck gegeben, der uns automatisch zum „Licht der Welt“ macht, nur weil wir uns Christen nennen. Jesus macht das mit einem einfachen Bild deutlich: „Man zündet nicht eine Leuchte an und stellt sie unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter, dann leuchtet sie allen im Haus.“
Zwei Dinge stellt Jesus durch dieses Bildwort klar. Das Licht muss angezündet werden. Das heißt: Wenn wir anderen Menschen ein Licht sind, dann kommt das nicht von uns selber. Es ist ein Geschenk. Wir können auch sagen, es ist Gnade, nicht einfach unsere eigene Leistung, unser Verdienst. Und dieses Licht leuchtet nicht, wenn es „unter den Scheffel“ gestellt wird. Es liegt auch an uns selber, ob es zum Leuchten kommt, ob es strahlt. Das macht Jesus deutlich, indem er sagt, dass unser Licht vor den Menschen leuchtet, wenn sie unsere guten Taten sehen.
Menschen, die Ausstrahlung haben, leuchten nicht zuerst durch Worte, sondern durch ihre Taten. Für mich und für viele, die sie kannten, war Maria Loley (1924-2016), die Sozialarbeiterin und Flüchtlingshelferin, ein leuchtendes Beispiel für das, was Jesus heute im Evangelium sagt. Als ich ihr zum ersten Mal in Poysdorf begegnet bin, haben mich ihre Worte tief beeindruckt. Doch sehr bald wurde mir klar, dass hinter ihren Worten Taten standen. Selten bin ich jemandem begegnet, bei dem die Taten so hell leuchteten. Die Ausstrahlung eines Menschen kommt nicht von dem, was er sagt, sondern wer er ist. Der Schein blendet, das Sein leuchtet.
Entmutigt es nicht, wenn wir so große Vorbilder sehen? Kann ich das jemals erreichen? Wie soll mein oft so unvollkommenes Leben anderen leuchten? Ich glaube, in jedem Menschen lebt das Licht, von dem Jesus spricht. Wenn wir einander wohlwollend, liebevoll begegnen, beginnt das oft so verborgene Licht in uns, im anderen zu leuchten.
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Ihr seid das Salz der Erde. Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr, außer weggeworfen und von den Leuten zertreten zu werden. Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet auch nicht eine Leuchte an und stellt sie unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter; dann leuchtet sie allen im Haus. So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen.