Der entscheidende Schritt auf dem Weg zur Taufe bei Erwachsenen ist die persönliche Begegnung mit Jesus: „Ich glaube, Herr!“
Der entscheidende Schritt auf dem Weg zur Taufe bei Erwachsenen ist die persönliche Begegnung mit Jesus: „Ich glaube, Herr!“
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 22. März 2020 (Joh 9,1.6-9.13-17.34-38)
Auch in diesem Jahr werden in Österreich viele Erwachsene die Taufe empfangen. Ich konnte von einigen dieser Taufkandidaten persönliche Zeugnisse lesen. Was bewegt heute einen Erwachsenen, durch die Taufe Christ werden zu wollen? Viele treten aus den Kirchen aus. Einige treten ganz bewusst in sie ein. Sie sind nicht, wie die Mehrzahl der Österreicher, gewissermaßen als Christen geboren, in einem christlichen Umfeld aufgewachsen. Sie haben auf verschiedensten Wegen persönlich zum Glauben an Jesus Christus gefunden. Daher ist ihr Zeugnis für unser Land so wertvoll.
Mitten in der Fastenzeit wird das Evangelium vom Blindgeborenen gelesen, dem Jesus das Augenlicht schenkt. Es ist die Geschichte von einem Mann, der zum Glauben an Jesus findet. In der frühen Kirche wurde die Taufe auch „Erleuchtung“ genannt. Dieser Blindgeborene erfährt nicht nur das Wunder des Sehen-Könnens. Er kommt vor allem mit Jesus in Berührung, bis er ihn schließlich als seinen Herrn erkennt und bekennt.
Wie für viele unserer erwachsenen Taufkandidaten beginnt die Geschichte eher zufällig. Der Blinde bittet gar nicht um Heilung. Er weiß nicht, wer Jesus ist. Jesus geht von sich aus auf ihn zu. Er ergreift die Initiative. Er streicht ihm einen Teig aus Erde und Speichel auf die Augen und schickt ihn zum Schiloach-Teich. Der Blinde tut, was der Unbekannte ihm sagt, und kann sehen.
Viele der Taufkandidaten hatten ein Anfangserlebnis, das sie bewog, weiter zu suchen. Einige machen ähnliche Erfahrungen wie der sehend Gewordene: Sie stoßen auf Misstrauen, Widerstand, ja sogar Ablehnung. Das ist häufig der Fall bei Muslimen, die beginnen, sich für Jesus und die Bibel zu interessieren. Auch andere erleben, dass ihr persönlicher Weg ihnen nicht nur Verständnis und Wohlwollen einbringt. Sie werden herausgefordert zu erklären, warum sie diesen Weg gehen. Sie stellen fest, dass sich in ihrem Leben etwas verändert hat. Wie der von Jesus Geheilte können sie sagen: Ich war blind und jetzt kann ich sehen. Je mehr sie über ihre Erfahrung Zeugnis geben, desto deutlicher sehen sie, wer Jesus ist. Der entscheidende Schritt auf diesem Weg ist die persönliche Begegnung mit Jesus: „Ich glaube, Herr!“
Unsere erwachsenen Taufkandidaten werden meist von Pfarrgemeinden begleitet und über längere Zeit auf die Taufe vorbereitet. Für viele von uns, die wir im Glauben aufgewachsen sind, sind diese Taufkandidaten eine echte Herausforderung. Ihr Weg, der oft durch viele Hindernisse und Kämpfe zum Glauben an Christus geführt hat, richtet an uns die Frage, ob wir nicht in unserem Glauben zu bequem, zu lau, zu oberflächlich geworden sind. Als „Gewohnheits-Christen“ sind wir vielleicht schon blind geworden. Auch wir brauchen den, der dem Blindgeborenen das Augenlicht geschenkt hat.
Unterwegs sah Jesus einen Mann, der seit seiner Geburt blind war. Als er dies gesagt hatte, spuckte er auf die Erde; dann machte er mit dem Speichel einen Teig, strich ihn dem Blinden auf die Augen und sagte zu ihm: Geh und wasch dich in dem Teich Schiloach! Das heißt übersetzt: der Gesandte. Der Mann ging fort und wusch sich. Und als er zurückkam, konnte er sehen. Die Nachbarn und jene, die ihn früher als Bettler gesehen hatten, sagten: Ist das nicht der Mann, der dasaß und bettelte? Einige sagten: Er ist es. Andere sagten: Nein, er sieht ihm nur ähnlich. Er selbst aber sagte: Ich bin es. Da brachten sie den Mann, der blind gewesen war, zu den Pharisäern. Es war aber Sabbat an dem Tag, als Jesus den Teig gemacht und ihm die Augen geöffnet hatte. Auch die Pharisäer fragten ihn, wie er sehend geworden sei. Er antwortete ihnen: Er legte mir einen Teig auf die Augen und ich wusch mich und jetzt sehe ich. Einige der Pharisäer sagten: Dieser Mensch ist nicht von Gott, weil er den Sabbat nicht hält. Andere aber sagten: Wie kann ein sündiger Mensch solche Zeichen tun? So entstand eine Spaltung unter ihnen. Da fragten sie den Blinden noch einmal: Was sagst du selbst über ihn? Er hat doch deine Augen geöffnet. Der Mann sagte: Er ist ein Prophet. Sie entgegneten ihm: Du bist ganz und gar in Sünden geboren und du willst uns belehren? Und sie stießen ihn hinaus. Jesus hörte, dass sie ihn hinausgestoßen hatten, und als er ihn traf, sagte er zu ihm: Glaubst du an den Menschensohn? Da antwortete jener und sagte: Wer ist das, Herr, damit ich an ihn glaube? Jesus sagte zu ihm: Du hast ihn bereits gesehen; er, der mit dir redet, ist es. Er aber sagte: Ich glaube, Herr! Und er warf sich vor ihm nieder.