Auch dieses Osterfest ist, wie damals, der Wendepunkt der Hoffnung.
Auch dieses Osterfest ist, wie damals, der Wendepunkt der Hoffnung.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium vom Ostersonntag, 12. April 2020 (Johannesevangelium 20,1.11-18)
Es hätte nicht schlimmer kommen können. Es war ein einziger Albtraum. Alles, alles schien am Ende. Alle Hoffnungen begraben, alle Freude erloschen. Was so vielversprechend angefangen hatte, war am Schluss nur mehr ein großer Zusammenbruch. In Galiläa hatte es begonnen. Es war noch keine drei Jahre her. Jesus aus Nazareth war die große Hoffnung. Seine Worte faszinierten die Menschen. Seine Heilungen bewegten Scharen von Menschen aus dem ganzen Land, ihre Kranken zu ihm zu bringen. Unglaubliche Wunder wurden berichtet. Riesige Menschenmengen sättigte er mit nur fünf Broten und zwei Fischen. Selbst die Naturgewalten gehorchten ihm. Und sogar Tote wurden von ihm ins Leben zurückgerufen.
Er zog von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt. Überall ereigneten sich die staunenswertesten Dinge. Vor allem aber sprach er die Menschen persönlich an. Er redete von Gottes Güte, von Verzeihen und Barmherzigkeit. Es kam zu Begegnungen, die das Leben der Betroffenen grundlegend änderten. Viele schlossen sich ihm an, wurden seine Anhänger, Jüngerinnen und Jünger. Eine von ihnen war Maria aus Magdala, einem Städtchen am See Genesareth, das vor allem vom Fischfang und Fischhandel lebte. Maria schloss sich ihm an, mit anderen Frauen und Männern. Sie zog mit seiner Schar von Ort zu Ort. Und sie blieb bei ihm, als sich die Dinge zu ändern begannen, als die anfängliche Begeisterung nachließ und mehr und mehr Leute sich von ihm zurückzogen.
Als Jesus schließlich, es dürfte im Jahr 30 gewesen sein, zum Osterfest nach Jerusalem hinaufzog, war auch Maria von Magdala dabei. Seine Jünger und Verwandten hofften insgeheim, dass jetzt die große Wende kommen wird. Denn hieß es nicht, dass der verheißene Messias sich am jüdischen Osterfest, an Pessach, in Jerusalem offenbaren werde? Dann, so hofften sie, werde das Reich Gottes anbrechen und Jesus als König und Herr zu herrschen beginnen.
Wir wissen, dass es anders kam. In Jerusalem warteten Verrat, Auslieferung, kurzer Prozess und schrecklicher Kreuzestod auf Jesus. Am Ende stand ein Grab. Und in ihm ein Toter. Der engste Jüngerkreis aus Angst versteckt hinter verschlossenen Türen. Nur einige Frauen gingen furchtlos frühmorgens zum Grab. Als erste, als es noch dunkel war, Maria aus Magdala. Und als würden die Schrecken der letzten Tage nicht reichen, nun ein neuer Schmerz: Das Grab ist leer. Man hat auch noch den Leichnam Jesu weggenommen! Nur noch Tränen! Tiefster Endpunkt einer Geschichte, die so wunderbar hoffnungsvoll begonnen hatte!
„Frau, warum weinst du?“ Zweimal wird Maria von Magdala diese Frage gestellt. Zweimal ist ihre Antwort Ausdruck ihres Schmerzes: „Man hat meinen Herrn weggenommen.“ Und dann das alles wendende Wort dessen, den sie für den Gärtner hielt: „Maria!“ Da erkennt sie ihn, Jesus, den sie liebevoll Rabbuni, Meister nennt. Er lebt, für immer, unzerstörbar lebendig. Und er schickt sie aus, allen diese Freudenbotschaft zu bringen.
Ostern in Corona-Zeiten. Fast alles ist anders. Und viele Sorgen bedrücken. Doch auch dieses Ostern ist, wie damals, der Wendepunkt der Hoffnung.
Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war. Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Während sie weinte, beugte sie sich in die Grabkammer hinein. Da sah sie zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, den einen dort, wo der Kopf, den anderen dort, wo die Füße des Leichnams Jesu gelegen hatten. Diese sagten zu ihr: Frau, warum weinst du? Sie antwortete ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen und ich weiß nicht, wohin sie ihn gelegt haben. Als sie das gesagt hatte, wandte sie sich um und sah Jesus dastehen, wusste aber nicht, dass es Jesus war. Jesus sagte zu ihr: Frau, warum weinst du? Wen suchst du? Sie meinte, es sei der Gärtner, und sagte zu ihm: Herr, wenn du ihn weggebracht hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast! Dann will ich ihn holen. Jesus sagte zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und sagte auf Hebräisch zu ihm: Rabbuni!, das heißt: Meister. Jesus sagte zu ihr: Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen. Geh aber zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott. Maria von Magdala kam zu den Jüngern und verkündete ihnen: Ich habe den Herrn gesehen. Und sie berichtete, was er ihr gesagt hatte.
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