Vorausblick auf Pfingsten in Zeiten von Corona: Jesus verheißt nicht, dass alles wieder so wird wie vor der Krise. Aber eine Zusage macht er: Wir werden nicht ohne seinen Beistand leben müssen.
Vorausblick auf Pfingsten in Zeiten von Corona: Jesus verheißt nicht, dass alles wieder so wird wie vor der Krise. Aber eine Zusage macht er: Wir werden nicht ohne seinen Beistand leben müssen.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 17. Mai 2020 (Joh 14,15-21)
In zwei Wochen ist Pfingsten. Das ist ein langes Wochenende, an dem viele bisher einen Kurzurlaub oder schnell eine weite Reise machten. Wegen Corona werden freilich die meisten von uns, wie schon in den letzten Wochen, einfach zu Hause bleiben. Vielleicht hilft uns dieser große weltweite Dämpfer, uns auf das zu besinnen, was Pfingsten eigentlich bedeutet. Heute kündigt Jesus an, um was es geht. Er spricht von einem „anderen Beistand“, den Gott senden werde, dem „Geist der Wahrheit“, den wir empfangen sollen, den aber „die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt.“
Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes. Von ihm spricht Jesus. Auf ihn bereitet er seine Jünger vor. Was oder wer ist das, der Heilige Geist? Wie und woran erkennt man ihn? Wer kann ihm empfangen? Und was hindert „die Welt“ daran, ihn zu sehen und zu kennen? Ist es vielleicht einfacher zu sagen, was der Heilige Geist nicht ist? Versuchen wir, uns ihm durch Momente zu nähern, wo wir erfahren, dass er fehlt.
Wir alle spüren, wenn irgendwo ein Ungeist herrscht. Direkt erleben wir das in Situationen, in denen es dauernd Streit, Rivalitäten, Wichtigtuerei, Neid, Eifersucht, Verachtung, Geringschätzung, Feindschaft, Hass gibt. Wo solcher Ungeist am Werk ist, da fühlt sich keiner wohl. Friede, Freude, Güte, Geduld fehlen dort schmerzlich. Aber, so sagt man dann meistens, „so ist eben die Welt“, so geht es in der Welt zu.
Doch dann geschehen Dinge, die uns alle zur Besinnung einladen, ja fast nötigen. Ein kleines Virus genügt, um die ganze Welt zum fast völligen Stillstand zu bringen. Die Corona-Krise ist zweifellos eine weltweite Erschütterung, die vieles in Frage stellt, was uns bisher als selbstverständlich erschien. Vielleicht hilft uns diese Zeit der Krise, neu nach dem „anderen Beistand“ zu fragen, wie Jesus den Heiligen Geist nennt. Denn Beistand brauchen wir dringend, nicht nur staatliche Corona-Hilfe, sondern „den Geist der Wahrheit“, den Jesus uns zusagt.
Mehrmals nennt Jesus ihn den Geist der Wahrheit. Der Ungeist ist vor allem ein Geist der Unwahrheit, der Selbsttäuschung, der Illusion, der Verlogenheit. Krisen nötigen uns zur Wahrheit. Die Klima-Krise zeigt bereits unerbittlich, dass unser Lebensstil die Welt überfordert. Die Corona-Krise macht jetzt ein Innehalten notwendig. Das ist schmerzlich. Es führt zu Verlusten, zu neuen Nöten. Aber es kann auch zur Umkehr helfen, zu einer Atempause für eine gestresste Welt, die an ihre Grenzen gekommen ist.
Jesus hat die Nöte der Welt nicht schöngeredet. Er hat kein Paradies auf Erden versprochen. Im Gegenteil, er hat die, die auf ihn hören, auf Bedrängnisse vorbereitet. Er hat vom Kreuz gesprochen und hat es selber angenommen und getragen. Aber er hat keine trostlose Sicht auf die Welt hinterlassen: „Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen.“ In Krisenzeiten neigen wir dazu, nur mehr schwarzzusehen. Aber Jesus richtet unseren Blick über die Krise hinaus: „Ich komme zu euch, … weil ich lebe und auch ihr leben werdet.“
Jesus verheißt nicht, dass alles wieder so wird wie vor der Krise. Aber eine Zusage macht er: Wir werden nicht ohne seinen Beistand leben müssen. Vielleicht werden wir auf manches, was wir für selbstverständlich gehalten haben, verzichten müssen. Der Heilige Geist, der auch der Tröster genannt wird, werde „für immer bei euch bleiben“, hat Jesus versprochen. Wenn die derzeitige weltweite Krise dazu führt, dass weniger Ungeist und mehr Gottes guter Geist herrscht, dann ist es für die Welt ein Aufatmen und für uns alle ein Segen.
Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten. Und ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll, den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt. Ihr aber kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird. Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, ich komme zu euch. Nur noch kurze Zeit und die Welt sieht mich nicht mehr; ihr aber seht mich, weil ich lebe und auch ihr leben werdet. An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir und ich bin in euch. Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.
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