Ich gehe davon aus, dass es diese andere Welt gibt, die wir „das Jenseits“, den Himmel, das ewige Leben nennen.
Ich gehe davon aus, dass es diese andere Welt gibt, die wir „das Jenseits“, den Himmel, das ewige Leben nennen.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zur Lesung am Hochfest Christi Himmelfahrt, 21. Mai 2020 (Apg 1,1-11)
Zur Zeit wird überall „hochgefahren“, in der Wirtschaft, im Gastgewerbe, im Sport und in der Kultur. Selbst in der Kirche wird vom „Hochfahren“ der Gottesdienste gesprochen. Und hoffentlich geschieht das alles mit der nötigen Vorsicht und Umsicht, damit wir nicht eine neue Welle der Infektionen erleben müssen, mit all den Folgen, die das mit sich brächte.
Heute feiert die Christenheit freilich eine andere Art von „Hochfahren“. Christi Himmelfahrt ist ja nicht eine Rückkehr zu den vorhergehenden Zeiten und Zuständen. Das derzeitige „Hochfahren“ in allen Bereichen soll so etwas wie eine „neue Normalität“ ermöglichen: wieder „normal“ ins Kaffeehaus, auf den Fußballplatz, ins Konzert gehen können! Wir spüren zwar, dass es nicht mehr einfach so sein wird wie früher. Zu einschneidend sind die weltweiten Folgen von Corona. Aber irgendwie hoffen wir doch, dass die Verhältnisse wieder „normal“ werden, eben halbwegs so, wie wir es vor der Coronakrise gewohnt waren.
Christi Himmelfahrt ist für die Schar der Anhänger Jesu das Ende der ihnen vertrauten Zeit und der Anfang einer neuen Lebenssituation. Und diese neue Epoche dauert bis heute an. Es ist die Zeit, in der wir leben, die Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Kommen Christi. Darum ist das heutige Fest von solcher Bedeutung, auch wenn es uns meistens wenig bewusst ist. Ich versuche es auf den Punkt zu bringen: Es geht um die Beziehung von Himmel und Erde, um das Zueinander von dieser unserer irdischen Welt und der anderen, jenseitigen, himmlischen Welt.
Ich gehe davon aus, dass es diese andere Welt gibt, die wir „das Jenseits“, den Himmel, das ewige Leben nennen. Ich kann nicht beweisen, dass es sie gibt, ich kann nur darauf hinweisen, dass die Menschheit in ihrer langen Geschichte mit wenigen Ausnahmen immer an ein Leben nach dem Tod geglaubt hat. Sollten sich alle einfach getäuscht haben?
Mit dem heutigen Fest kommt eine weitere, entscheidende Erfahrung dazu. Lukas, der Verfasser der Apostelgeschichte, sagt es in klaren, schlichten Worten: Den Aposteln hat Jesus „nach seinem Leiden durch viele Beweise gezeigt, dass er lebt. Vierzig Tage hindurch ist er ihnen erschienen und hat vom Reich Gottes gesprochen.“ Für uns Christen steht und fällt der christliche Glaube mit diesem Zeugnis der ersten Gefährten Jesu. Wenn Jesus nicht auferstanden ist, wenn sein Tod das letzte Wort über sein Leben war, dann ist, wie der Apostel Paulus einmal sagt, „unser Glaube nutzlos“. „Nun ist aber Christus von den Toten auferweckt worden als Erster der Entschlafenen“, fügt Paulus gleich hinzu.
Was bedeutet diese Überzeugung für unser Verständnis von Himmel und Erde? Zuerst einmal, dass die Toten leben! Jesus hat gesagt: Gott ist doch ein Gott der Lebenden! Auch wenn wir uns einfach nicht vorstellen können, wie das Leben „drüben“ aussieht, die jenseitige Welt ist uns nicht fern. Wir sollen die Verbindung zu ihr nicht durch Magie, Tischerl-Rücken und Ähnliches zu erzwingen versuchen. Die zu Gott „Heimgekehrten“ sind uns nahe, und wir ihnen. Christus ist das Bindeglied. Er ist der erste „Heimgekehrte“. Er lebt ganz bei Gott und daher ist er uns ganz nahe. Dafür danken wir am heutigen Fest.
Im ersten Buch, lieber Theophilus, habe ich über alles berichtet, was Jesus von Anfang an getan und gelehrt hat, bis zu dem Tag, an dem er in den Himmel aufgenommen wurde. Vorher hat er den Aposteln, die er sich durch den Heiligen Geist erwählt hatte, Weisung gegeben. Ihnen hat er nach seinem Leiden durch viele Beweise gezeigt, dass er lebt; vierzig Tage hindurch ist er ihnen erschienen und hat vom Reich Gottes gesprochen. Beim gemeinsamen Mahl gebot er ihnen: Geht nicht weg von Jerusalem, sondern wartet auf die Verheißung des Vaters, die ihr von mir vernommen habt! Denn Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber werdet schon in wenigen Tagen mit dem Heiligen Geist getauft werden. Als sie nun beisammen waren, fragten sie ihn: Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her? Er sagte zu ihnen: Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat. Aber ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde. Als er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken. Während sie unverwandt ihm nach zum Himmel emporschauten, siehe, da standen zwei Männer in weißen Gewändern bei ihnen und sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch fort in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen.
Mehr über Kardinal Christoph Schönborn