Am Pfingstfest in Jerusalem erleben die Jünger, wie der Heilige Geist wirkt. Sie werden „Feuer und Flamme“ für den Weg Jesu, für das Evangelium.
Am Pfingstfest in Jerusalem erleben die Jünger, wie der Heilige Geist wirkt. Sie werden „Feuer und Flamme“ für den Weg Jesu, für das Evangelium.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Pfingstsonntag, 31. Mai 2020 (Joh 20,19-23)
Eingeschlossen aus Angst! So war die Situation vor fünfzig Tagen, damals im Jerusalem des Jahres 30. Die Jünger hatten allen Grund, die Türen ihres Quartiers fest von innen zu verriegeln, denn jederzeit konnte man auch sie verhaften und ihnen kurzen Prozess machen, wie man es eben mit ihrem Meister getan hatte, mit Jesus, dem Galiläer, dem Propheten aus Nazareth, der am Kreuz geendet hat. Verständlich, dass der engste Kreis seiner Anhänger sich ganz versteckt hielt. Die Angst saß tief. So war ihre Lage damals, am jüdischen Osterfest in Jerusalem.
Fünfzig Tage später, am jüdischen Pfingstfest, sind sie wieder in ihrem Quartier. Diesmal sind die Türen nicht verschlossen. Im Gegenteil. Scharen von Menschen drängen sich vor dem Haus, in dem sie sich aufhielten. Aus den verängstigten Jüngern Jesu sind Menschen geworden, die keine Scheu haben, vor die Menge hinzutreten und zu den Leuten in einer Sprache zu reden, die alle verstehen konnten, so überzeugend und bewegend, dass sich die Menschen in Scharen ihnen anschlossen.
Was ist in diesen fünfzig Tagen geschehen, dass aus einer verängstigten Gruppe eine überzeugende, anziehende, schnell wachsende Gemeinschaft geworden ist? Etwas muss passiert sein, das ihnen Mut, Hoffnung, neue Energie gegeben hat.
Nach Wochen des „Lockdown“ öffnen sich bei uns derzeit wieder die Türen der Geschäfte, Gasthäuser, Gottesdienststätten. Die Angst vor Corona, die uns alle zu Hause zu bleiben nötigte, schwindet langsam. Aber wird der Neustart gelingen? Wer bleibt nach der Coronakrise auf der Strecke? Wie wird die neue Arbeitslosigkeit überwunden werden? Wie wirkt sich die Pandemie weltweit aus, und damit auch auf uns, da wir ein kleiner Teil der globalen Welt sind? Diese Fragen bewegen uns zu Recht.
Zwei Erfahrungen haben damals in Jerusalem bei den Leuten um Jesus diese erstaunliche Wende bewirkt. Und diese Wende hatte ganz praktische Konsequenzen, die für heute Orientierung geben können. Die erste, entscheidende Erfahrung machten sie damals, als plötzlich Jesus trotz verschlossenen Türen mitten unter ihnen stand. Er lebt! Er ist da, und mit ihm die Freude und die Hoffnung und der Mut, sich auf den Weg zu machen.
Die zweite Erfahrung hatte Jesus ihnen schon vor seinem Leidensweg angekündigt: den Heiligen Geist. Er hat ihnen versprochen, dass sie eine neue „Kraft von oben“ erhalten werden. Am Pfingstfest in Jerusalem erleben sie, wie der Heilige Geist wirkt. Sie werden „Feuer und Flamme“ für den Weg Jesu, für das Evangelium.
Pfingsten in Coronazeiten: Wie wirkt der Geist Jesu heute? Aus der Erfahrung, dass Jesus lebt und dass sein Geist wirkt, entstand eine solidarische Gemeinschaft, die „Urkirche“, die erste christliche Gemeinde in Jerusalem. Ihr auffallendstes Kennzeichen war die Gütergemeinschaft. „Sie hatten alles gemeinsam ... Es gab keinen unter ihnen, der Not litt … Jedem wurde so viel zugeteilt, wie er nötig hatte.“ So wird in der Apostelgeschichte die Urgemeinde dargestellt. Alle seien „ein Herz und eine Seele“ gewesen. Zwar gab es von Anfang an auch Allzumenschliches in der jungen Kirche. Aber das Ideal einer echt solidarischen Gemeinschaft bleibt der Leitstern bis heute. Die praktische Umsetzung ist immer eine Herausforderung. Aber genau dazu erbitten wir die Kraft des Heiligen Geistes.
Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden bei verschlossenen Türen beisammen waren, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen. Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten.
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