Wir haben einen Vater im Himmel, dem wir alles anvertrauen können, auch unsere Ängste!
Wir haben einen Vater im Himmel, dem wir alles anvertrauen können, auch unsere Ängste!
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 21.Juni 2020
Gleich dreimal ruft uns Jesus heute zu: Fürchtet euch nicht! Und er benennt die drei Bereiche,in denen wir, so ist meinEindruck, am meisten Angst haben, die uns mehr als anderes Furcht einflößen: Es ist die Menschenfurcht, die Lebensangst und die Zukunftsangst.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand ganz ohne Angst und Befürchtungen durchs Leben geht. Ängste begleiten uns ein Leben lang, auch wenn wir es oft nicht zugeben wollen, weil wir uns bemühen, stark zu sein. Beginnen wir mit der Frage: Ist es denn so schlecht, Ängste und Befürchtungen zu haben? Hat man uns als Kinder nicht zu Recht auf Gefahren hingewiesen,damit wir keinen Schaden erleiden? Ich gestehe, dass mich manche Ängste in meinem Leben vor Fehlern bewahrt haben, die ich ansonsten bitter bereut hätte. Furcht ist ein Schutz vor Gefahren. Sie mahnt zur Vorsicht. Blindes Draufgängertum hat nichts mit echtem Mut zu tun.
Wer sich selber und andere aus Leichtsinn in Gefahr bringt, ist nicht mutig, sondern verantwortungslos. Wir müssen also wohl unterscheiden zwischen berechtigten, vernünftigen Ängsten und falscher Furcht. Nur von Letzterer spricht Jesus. Sehen wir uns deshalb Jesu „Fürchtet euch nicht!“ näher an. Als Erstes spricht er die Menschenfurcht an. Es geht um den Glaubensmut,aber im weiteren Sinn auch um die Zivilcourage. Jesus spricht seine Apostel an. Sie sollen sich trauen, ihren Glauben vor den Menschen zu vertreten.
Am Schluss des heutigen Evangeliums spricht er den Mut zum Bekenntnis ausdrücklich an: „Wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen.“
Zum eigenen Glauben öffentlich zu stehen, ist Teil einer allgemeinen Haltung: Traue ich mich, vor den anderen zu meinen Überzeugungen zu stehen? Man nennt das Zivilcourage. Bin ich bereit, meinem Chef die Wahrheit zu sagen, auch wenn ich befürchten muss, dass mir daraus Nachteile entstehen?
Traue ich mich, vor den anderen einen Kollegen zu verteidigen, der gemobbt oder verspottet wird?
Das zweite „Fürchtet euch nicht!“ geht tief an die Wurzeln des Lebens: die Todesfurcht, die Lebensangst. Auch sie ist ein Schutz, der uns vor großen Gefahren warnt. Aber es gibt auch die Fehlform, vor der uns Jesus warnt. Es gibt größere Gefahren als das Sterben! „Was nützt es, wenn du die ganze Welt besitzt, an deiner Seele aber Schaden leidest“, sagt Jesus einmal.
Gesundheit ist ein hoher Wert, ein wunderbares Geschenk. Aber schlimmer als Krankheit ist Bosheit. Sie vergiftet die Seele und zerstört so viel im Leben der anderen. Das zeigt Jesus mit dem harten Wort von der Hölle. Gott wünscht sicher niemandem die Hölle. Aber er warnt uns davor, vor lauter Angst um das leibliche Wohl die Sorge um die Seele zu vergessen. Wir brauchen den Tod nicht zu fürchten, wenn wir nicht als reine Egoisten durchs Leben gehen.
Damit ist das dritte „Fürchtet euch nicht!“ angesprochen: die Zukunftsangst.Auch hier gibt es die gute und die falscheSorge. Vorsorge für die Zukunft gehört zur klugen Verantwortung. Aber sie darf nicht zur über ängstlichen Sorge werden. Gegen diese Art von Zukunftsangst kennt Jesus nur ein Heilmittel: das Gottvertrauen! Wir haben einen Vater im Himmel, dem wir alles anvertrauen können, auch unsere Ängste!
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Aposteln:
Fürchtet euch nicht vor den Menschen!
Denn nichts ist verhüllt, was nicht enthüllt wird,
und nichts ist verborgen, was nicht bekannt wird.
Was ich euch im Dunkeln sage,
davon redet im Licht,
und was man euch ins Ohr flüstert,
das verkündet auf den Dächern!
Fürchtet euch nicht vor denen,
die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können,sondern fürchtet euch eher vor dem,
der Seele und Leib in der Hölle verderben kann!
Verkauft man nicht zwei Spatzen für einen Pfennig?
Und doch fällt keiner von ihnen zur Erde
ohne den Willen eures Vaters.
Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt.
Fürchtet euch also nicht!
Ihr seid mehr wert als viele Spatzen.
Jeder, der sich vor den Menschen zu mir bekennt,
zu dem werde auch ich mich
vor meinem Vater im Himmel bekennen.
Wer mich aber vor den Menschen verleugnet,
den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen.