Allein Gott ist Gott, der Partner, die Eltern, die Kinder, wir alle sind nur Menschen. Unsere Beziehung zu Gott macht uns frei, den Nächsten sein zu lassen, anzunehmen und nicht von ihm zu erwarten, dass er alle unsere Probleme löst.
Allein Gott ist Gott, der Partner, die Eltern, die Kinder, wir alle sind nur Menschen. Unsere Beziehung zu Gott macht uns frei, den Nächsten sein zu lassen, anzunehmen und nicht von ihm zu erwarten, dass er alle unsere Probleme löst.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium vom 28. Juni 2020.
Es gibt kein Leben ohne Verluste und Gewinne. Und wie es im wirtschaftlichen Leben läuft, so ist es auch im persönlichen Leben. In der Bilanz dürfen die Verluste nicht ständig größer sein als die Gewinne. Sonst folgt früher oder später die Insolvenz, der Ruin. Das heutige Evangelium ist eine ganz praktische Anleitung zum Vermeiden der Lebensinsolvenz. Jesus zeigt den Weg, wie wir im Leben die Gewinnseite der Bilanz sichern können. Er spricht drei wesentliche Lebensbereiche an, in denen wir Verluste und Gewinne machen: die Familie, die persönliche Lebensgestaltung und die sozialen Kontakte.
Das erste Umfeld ist für jeden von uns die Familie, die Beziehung zu den Eltern und zu den Kindern. In der Familie erleben wir unsere ersten Freuden, in ihr erfahren wir aber meist auch die ersten Verletzungen. Die Liebe der Eltern ist das, was im Leben Sicherheit gibt. Die Liebe zu den Eltern ist die erste Bindung, die das Kind spürt. Deshalb spielt die Eltern-Kind-Beziehung eine so starke, das ganze Leben prägende Rolle, im guten wie im belastenden Sinn.
Können Kinder ihre Eltern zu sehr lieben? Können Eltern ihre Kinder zu sehr lieben? Jesus scheint das zu sagen. Ihn sollen wir mehr lieben als die eigenen Eltern, die eigenen Kinder. Tun wir es trotzdem, so sind wir seiner nicht wert. Das heißt doch: Wir riskieren, ihn zu verlieren. Es geht um die immer neu zu stellende Frage: Was steht in meinem Leben an erster Stelle? Es gibt eine Liebe der Kinder zu den Eltern, zur Mutter oder zum Vater, die zur schädlichen Abhängigkeit wird. Wenn der Sohn so von der Mutter abhängig ist, dass er sich nie ganz auf seine Frau einlassen kann, dann ist die Mutterliebe kein Gewinn, sondern ein Verlust. Und wenn die Mutter ihren Sohn nie innerlich losgelassen hat, ist er nicht frei, eine gute Beziehung zu seiner Frau zu leben. Dann wird die Liebe zur Umklammerung. Dann ist sie keine echte Liebe.
Jesus erinnert an die einfache Regel für gute Beziehungen: Allein Gott ist Gott, der Partner, die Eltern, die Kinder, wir alle sind nur Menschen. Unsere Beziehung zu Gott macht uns frei, den Nächsten sein zu lassen, anzunehmen und nicht von ihm zu erwarten, dass er alle unsere Probleme löst. Denn jeder muss sein eigenes Kreuz tragen. Das heißt zuerst einmal: Ich muss mich selber annehmen, mich ertragen und dankbar sein, wenn auch die anderen mich ertragen. Mein Kreuz tragen, das heißt auch, Ja sagen zu den Mühen meines Alltags. Diese sind nicht nur als Verluste zu verbuchen. Sie sind auch Gewinn. Die tägliche Pflicht zu erfüllen gibt meinem Leben Halt und Sinn. Die vielen kleinen Selbstüberwindungen kosten Mühe, doch schenken sie viel mehr als sie uns abfordern. Wer sich ständig gehen lässt, verliert dauernd Lebensfreude. Deshalb ist das Kreuz ein so wichtiges Zeichen im öffentlichen Raum: Es erinnert uns daran, dass hilfsbereite Hingabe das Leben lebenswert macht.
Das bewährt sich im Dienst am Nächsten. Wer sein Leben nur für sich leben will, wird es verlieren, sagt uns Jesus. Wenn die erste Frage in meinem Leben ist: Was habe ich davon? – dann wird mir das Leben zwischen den Fingern zerrinnen. Auf der Gewinnseite der Lebensbilanz steht alles, womit ich andere glücklich gemacht habe. Es werden ganz einfache Dinge sein: ein freundliches Wort, eine gut gemachte Arbeit, ein geduldiges Warten … All das ist bleibender, ewiger Gewinn.
Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert. Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht wert.
Wer das Leben findet, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es finden.
Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat. Wer einen Propheten aufnimmt, weil es ein Prophet ist, wird den Lohn eines Propheten erhalten. Wer einen Gerechten aufnimmt, weil es ein Gerechter ist, wird den Lohn eines Gerechten erhalten.
Und wer einem von diesen Kleinen auch nur einen Becher frisches Wasser zu trinken gibt, weil es ein Jünger ist - Amen, ich sage euch: Er wird gewiss nicht um seinen Lohn kommen.