Es geht um das Unkraut, das unweigerlich überall wächst. Ausreißen oder wachsen lassen? Was gefährdet den guten Weizen mehr? Das Unkraut, das zwischen ihm wächst? Oder das radikale Entfernen von allem, was nicht guter Weizen ist?
Es geht um das Unkraut, das unweigerlich überall wächst. Ausreißen oder wachsen lassen? Was gefährdet den guten Weizen mehr? Das Unkraut, das zwischen ihm wächst? Oder das radikale Entfernen von allem, was nicht guter Weizen ist?
Gedanken zum Evangelium, von Kardinal Christoph Schönborn, am Sonntag, 19. Juli 2020 (Matthäus 13,24-30).
Zwei Sprichwörter passen auf das heutige Evangelium: Der Teufel schläft nicht! Und: Unkraut verdirbt nicht! Beide Sprichwörter handeln von Erfahrungen des Alltags. Vom Alltag spricht auch das Gleichnis Jesu. Und es ist rätselhaft wie so vieles in unserem Leben. Was will Jesus wirklich sagen? Darüber haben sich seine Zuhörer aller Generationen den Kopf zerbrochen. Was heißt das praktisch: „Lasst beides wachsen bis zur Ernte“?
Es geht um das Unkraut, das unweigerlich überall wächst. Ausreißen oder wachsen lassen? Was gefährdet den guten Weizen mehr? Das Unkraut, das zwischen ihm wächst? Oder das radikale Entfernen von allem, was nicht guter Weizen ist? Die weltweite Diskussion für oder gegen den Einsatz von Glyphosat in der Landwirtschaft zeigt, dass das Thema des Gleichnisses Jesu bis heute aktuell bleibt: Ist der Schaden von starken chemischen Unkrautvernichtungsmitteln auf die Dauer nicht viel größer als deren schneller Nutzen für die Ernte? Versucht nicht die biologische Landwirtschaft die alte Weisheit umzusetzen, die im Gleichnis Jesu zum Ausdruck kommt? „Lasst beides wachsen bis zur Ernte.“
Und doch: Ist das Gleichnis Jesu wirklich alltagstauglich? Beispiel Erziehung: In den Siebziger und Achtziger Jahren war die sogenannte antiautoritäre Erziehung Mode. Besonders „moderne“ Eltern meinten damals, sie müssten ihren Kindern alles durchgehen lassen, nichts verbieten. Man glaubte, die Kinder würden sich so frei entfalten können. Die Ergebnisse waren nicht überzeugend. Aber war die überstrenge, autoritäre Erziehung erfolgreicher? Hat sie nicht viel mehr Schaden angerichtet als die zu große Freiheit der „liberalen“ Erziehung?
Das Thema des Gleichnisses Jesu ist bleibend aktuell: Kämpfen oder Gewährenlassen? Es beginnt bei mir selber: Muss ich nicht täglich gegen meine schlechten Neigungen kämpfen? Der Teufel schläft nicht! Jesus benennt den Feind, der in der Nacht das Unkraut zwischen den guten Weizen sät, während der Bauer friedlich schläft: „Der Feind ist der Teufel“. Das Böse wächst, wenn es nicht bekämpft wird. Muss ich nicht täglich wachsam sein, damit das Unkraut in mir nicht zu wuchern beginnt?
Gegen mich selber darf ich ruhig etwas strenger sein als gegen die anderen. Gefährlich sind die Eiferer, die mit aller Gewalt alle Übel dieser Welt ausrotten wollen. Besonders abstoßend ist solcher Fanatismus, wenn er im Namen Gottes auftritt. Die Terroristen des sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) begehen schreckliche Verbrechen, um einen „Gottesstaat“ zu errichten. Aber auch mit anderen Religionen wird Gewalt gegen Minderheiten gerechtfertigt. Immer ist es dieselbe irrige Ansicht, man müsse die „Ungläubigen“ ausrotten, damit alles gut wird.
„Lasst beides wachsen bis zur Ernte.“ Heißt das, dass gar nicht mehr unterschieden werden soll zwischen Weizen und Unkraut, zwischen Gut und Böse? Ich glaube nicht, dass Jesus das gelehrt hat. Jesus lädt uns zur Geduld ein. Muss ich nicht zuerst mit mir selber Geduld haben? Gelingt es mir, alle meine Fehler völlig loszuwerden? Sie wachsen immer wieder nach, wie das Unkraut im Garten. Endgültig frei davon werde ich erst bei der letzten Ernte, im ewigen Leben.
Jesus legte ihnen ein anderes Gleichnis vor: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte. Während nun die Menschen schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut unter den Weizen und ging weg. Als die Saat aufging und sich die Ähren bildeten, kam auch das Unkraut zum Vorschein. Da gingen die Knechte zu dem Gutsherrn und sagten: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher kommt dann das Unkraut? Er antwortete: Das hat ein Feind getan. Da sagten die Knechte zu ihm: Sollen wir gehen und es ausreißen? Er entgegnete: Nein, damit ihr nicht zusammen mit dem Unkraut den Weizen ausreißt. Lasst beides wachsen bis zur Ernte und zur Zeit der Ernte werde ich den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, um es zu verbrennen; den Weizen aber bringt in meine Scheune!
Sammlung: Gedanken zum Evangelium