Auch ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. Als er eine besonders wertvolle Perle fand, ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte sie.
Auch ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. Als er eine besonders wertvolle Perle fand, ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte sie.
Gedanken zum Evangelium, von Kardinal Christoph Schönborn, am Sonntag, 26. Juli 2020 (Matthäus 13,44-46)
Kürzer geht es nicht mehr. Die beiden Gleichnisse, die Jesus heute erzählt, sind so knapp wie nur irgendwie möglich. Es ist die Rede von einem Schatz, den einer zufällig in einem Acker entdeckt. Es geht um eine besonders wertvolle Perle, die ein Kaufmann erwirbt. Jesus erzählt das ohne jede Ausschmückung. Dabei wäre es so verlockend, die beiden Geschichten ausführlicher zu erzählen. Sie laden wirklich dazu ein. Ich lasse daher ein wenig meine Phantasie schweifen und stelle mir vor, wie es gewesen sein könnte…
Ein armer Landarbeiter, wohl ein Taglöhner, arbeitet auf dem Acker eines Großbauern. Da stößt er auf etwas Hartes, Metallenes. Er beginnt zu graben. Eine eiserne Schatulle zeigt sich. Er bricht sie auf. Sie ist voll von Silber- und Goldmünzen. Irgendwer muss sie vor Zeiten hier vergraben haben, um sie vor Feinden zu verstecken. Die Nachfahren haben keine Ahnung von dem längst vergessenen Schatz. Der Landarbeiter freut sich riesig, informiert aber den Großbauern nicht über seinen Fund. Er verkauft sein armseliges Hab und Gut und beschwört den Grundeigentümer, er soll ihm dieses Stück Acker verkaufen.
Nehmen wir an, es war sowieso ein Stück Land von geringer Qualität. Der Bauer ist froh, den Acker loszuwerden. Der Landarbeiter hat nun den Acker rechtmäßig erworben, und damit gehört der Schatz ganz legal ihm allein. Der Bauer begreift, dass er von dem armen Landarbeiter über den Tisch gezogen wurde. Dieser aber freut sich, dass ihm mit einem schlauen Trick das große Glück in den Schoß gefallen ist. So ungefähr male ich mir die Geschichte aus, die Jesus nur mit wenigen Worten erzählt hat.
Auch die Geschichte mit dem perlensuchenden Kaufmann können wir ausschmücken und mit vielen Einzelheiten anreichern. Perlen waren damals so kostbar wie Diamanten heute. Als der wohlhabende Kaufmann, stets auf der Suche nach schönen Perlen, eine besonders wertvolle Perle findet, sagt er dem Besitzer nicht, wie kostbar sie ist. Er verbirgt seine Freude, tut ganz harmlos und handelt den Preis herunter, der immer noch so hoch ist, dass er alles verkaufen muss, um den Kaufpreis aufzubringen. Er weiß: Diese Perle ist so wertvoll, dass er mit ihr mehr verdienen kann als mit seinem ganzen bisherigen Besitz.
So in etwa würde ich die beiden Geschichten ausführlicher erzählen. Jede könnte Stoff für einen Roman ergeben. Doch warum erzählt Jesus nicht mehr? Ich vermute, dass es ihm nur um Eines geht. Das will er uns nahebringen, ohne Umschweife, ohne viele Worte. Es geht um das „Himmelreich“ (wie Matthäus in seinem Evangelium immer sagt), um das „Reich Gottes“ und darum, wie wir es finden können. Jesus hat uns gelehrt, wir sollen Gott ständig bitten: „Dein Reich komme!“ Weltweit sprechen zahllose Christen täglich im „Vater unser“ diese Bitte aus. Aber worum bitte ich eigentlich, wenn ich das bete? Was sagt mir „das Reich Gottes“?
Jesus hat es einmal, wieder ganz knapp, auf den Punkt gebracht: „Sucht zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit; dann wird euch alles andere dazugegeben.“ Genau das, so denke ich, will Jesus mit den beiden kleinen Gleichnissen sagen. Das Wichtigste im Leben ist, „das Reich Gottes“ zu finden. Aber gelingt das? Das kann in jedem Leben ganz verschieden aussehen.
Im ersten Gleichnis ist es ein völliger Zufallstreffer, wie ein Lotto-Sechser. Ich rechne mich eher zu denen, die rückblickend dankbar sagen können: Ich habe das große Los gezogen! Ich habe früh das Geschenk des Glaubens erhalten, ohne mein Verdienst. Der Glaube ist wirklich wie der Schatz im Acker, auf den ich gestoßen bin. Andere sind wie der perlensuchende Kaufmann. Sie suchen lange, sie bleiben oft ihr Leben lang Suchende. Sie geben sich nicht zufrieden mit den Oberflächlichkeiten des Alltags. Sie „hungern und dürsten nach Gerechtigkeit“. Ohne es zu wissen, kämpfen sie dafür, dass auf dieser Welt voll Unrecht und Not ein Stück vom Reich Gottes schon Wirklichkeit wird. Darauf kommt es wirklich an.
Jesus sagte: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn und grub ihn wieder ein. Und in seiner Freude ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte den Acker. Auch ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. Als er eine besonders wertvolle Perle fand, ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte sie.
Sammlung: Gedanken zum Evangelium