Beten ist die erste Botschaft dieses Evangeliums. Beten heißt mit Gott sprechen und auf Ihn hören. Von der Anhöhe, auf der Jesus betete, hat man einen wunderbaren Blick über den ganzen See Genesareth. So sieht Jesus auch das Boot mit den Jüngern.
Beten ist die erste Botschaft dieses Evangeliums. Beten heißt mit Gott sprechen und auf Ihn hören. Von der Anhöhe, auf der Jesus betete, hat man einen wunderbaren Blick über den ganzen See Genesareth. So sieht Jesus auch das Boot mit den Jüngern.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium vom 9. August 2020
Das heutige Evangelium berührt mich immer neu. Es ist so lebendig, voller Leben, und doch auch geheimnisvoll, wie das Leben selber. Die ganze Bandbreite der Lebenssituationen kommt darin vor, und daher spricht es auch so direkt ins Leben hinein.
Ausgangspunkt ist das Ende eines langen, ereignisreichen Tages im Leben Jesu. Riesige Menschenscharen waren ihm nachgelaufen, weit über fünftausend. Am Abend dieses Tages, an dem Jesus lange zu den Menschen gesprochen hatte, kam die Frage, wie es weitergehen soll. „Schick die Leute weg!“ – war der Vorschlag der Jünger. Er dagegen: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ Schließlich die Lösung: Jesus selber gibt allen reichlich zu essen. Fünf Brote und zwei Fische, die er segnet, werden an alle ausgeteilt. Man sammelt am Schluss die Brotreste. Sie füllen zwölf Körbe.
Und nun unser heutiges Evangelium.
Das erste, was mir auffällt, ist, dass Jesus nicht daran interessiert ist, seinen „Erfolg“ auszukosten. Viele hatten gehofft, er werde eine mächtige politische Volksbewegung auslösen und sich an ihre Spitze stellen. Ganz im Gegenteil: Er schickt die Leute nach Hause, er drängt seine Jünger, „ins Boot zu steigen und an das andere Ufer vorauszufahren“. Er bleibt zurück, steigt auf den nahen Berg, „um für sich allein zu beten“, nicht kurz und geschwind, sondern die ganze Nacht, bis zur Morgendämmerung, zur „vierten Nachtwache“.
Beten ist die erste Botschaft dieses Evangeliums. Beten heißt mit Gott sprechen und auf Ihn hören. Jesus hat uns ständig dazu ermutigt: Ihm alles sagen, was uns in unserem Leben beschäftigt. Zu Ihm kommen mit dem, was uns freut und was uns besorgt, wie zu einem vertrauten Freund.
Von der Anhöhe, auf der Jesus betete, hat man einen wunderbaren Blick über den ganzen See Genesareth. So sieht Jesus auch das Boot mit den Jüngern. Sie haben heftigen Gegenwind. Sie kommen nur mühsam rudernd voran. Die Wellen werfen das Boot hin und her. Kümmert es Jesus nicht, dass sie sich so plagen? Er betet. Sie kämpfen. Warum hilft er nicht? Erst gegen Morgen, um die vierte Nachtwache, kommt er über den See. Dass sie vor Angst schreien, als sie da eine Gestalt über das Wasser gehen sehen, ist nicht verwunderlich, selbst für seetüchtige Fischer.
Für mein Leben lerne ich daraus: Gott hilft, aber nicht sofort. Oder genauer: Jesus sieht meine Not. Aber er erspart mir nicht die Mühe, den Kampf, die Angst. Wenn er nicht gleich spürbar hilft, so darf ich darauf vertrauen, dass er für mich da ist, betet und segnet. Auch zu mir sagt er: „Hab Vertrauen, ich bin es, fürchte dich nicht!“
Berühmt und berührend ist die jetzt folgende Szene. Petrus, wagemutig, bittet Jesus, er soll ihm befehlen, aufs Wasser zu steigen und ihm entgegenzukommen. Weil Jesus ihn dazu auffordert, steigt Petrus tatsächlich aus dem Boot und geht übers Wasser auf Jesus zu. Wer kennt nicht vergleichbare Situationen? Aus dem sicheren, vertrauten Boot auszusteigen und sich aufs Wasser hinauswagen! Das Risiko einer Partnerschaft eingehen, einer beruflichen Neuorientierung, den Schritt einer schwierigen Versöhnung…
Wir wagen immer wieder solche beherzte Schritte, heraus aus der gewohnten Sicherheit, hinaus ins Ungewisse. Oft folgt darauf die Erfahrung des Petrus: Wir sehen nicht mehr das Ziel, sondern erschrecken über die vielen Schwierigkeiten, die mit dem mutigen Schritt einhergehen. Wir fürchten unterzugehen: „Herr, rette mich!“ Die rettende Hand Jesu kommt uns entgegen. Und Jesu liebevoller Vorwurf: „Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“
Der Schluss des Evangeliums bringt eine weitere Erfahrung zur Sprache. Ich denke, sie ist nicht nur mir vertraut. Als Jesus mit Petrus ins Boot steigt, „legt sich der Wind“. Stille tritt ein, Ruhe nach dem Sturm. Wie oft habe ich das erlebt, wenn nach großen Aufregungen, Sorgen, ja Momenten der Panik Ruhe eintritt, ein innerer Frieden, und dass Gott mich spüren lässt: Fürchte dich nicht, ich bin da! Wirklich, das heutige Evangelium spricht mitten ins Leben hinein!
Gleich darauf drängte er die Jünger, ins Boot zu steigen und an das andere Ufer vorauszufahren. Inzwischen wollte er die Leute nach Hause schicken. Nachdem er sie weggeschickt hatte, stieg er auf einen Berg, um für sich allein zu beten. Als es Abend wurde, war er allein dort. Das Boot aber war schon viele Stadien vom Land entfernt und wurde von den Wellen hin und her geworfen; denn sie hatten Gegenwind. In der vierten Nachtwache kam er zu ihnen; er ging auf dem See. Als ihn die Jünger über den See kommen sahen, erschraken sie, weil sie meinten, es sei ein Gespenst, und sie schrien vor Angst. Doch sogleich sprach Jesus zu ihnen und sagte: Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht! Petrus erwiderte ihm und sagte: Herr, wenn du es bist, so befiehl, dass ich auf dem Wasser zu dir komme! Jesus sagte: Komm! Da stieg Petrus aus dem Boot und kam über das Wasser zu Jesus. Als er aber den heftigen Wind bemerkte, bekam er Angst. Und als er begann unterzugehen, schrie er: Herr, rette mich! Jesus streckte sofort die Hand aus, ergriff ihn und sagte zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? Und als sie ins Boot gestiegen waren, legte sich der Wind. Die Jünger im Boot aber fielen vor Jesus nieder und sagten: Wahrhaftig, Gottes Sohn bist du.