Jesu Regeln haben eine felsenfeste Grundlage: Wir alle brauchen Gottes Vergebung! Jesus selber hat uns allen Versöhnung geschenkt. Tun wir es ihm nach, gegenseitig!
Jesu Regeln haben eine felsenfeste Grundlage: Wir alle brauchen Gottes Vergebung! Jesus selber hat uns allen Versöhnung geschenkt. Tun wir es ihm nach, gegenseitig!
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 6. September 2020
Eintracht ist überaus kostbar und stark. Sie beginnt im Kleinen, zwischen uns Menschen. Genau dort aber beginnen auch die Konflikte. Die Familie ist der erste Ort, wo sie schmerzlich spürbar werden. Der Freundeskreis, der Arbeitsplatz und für viele auch die Gemeinde, in der die Gläubigen eine Gemeinschaft bilden. Von dieser spricht Jesus heute im Evangelium. Man nennt es deshalb "die Gemeinderegel". Jesus gibt konkrete Anweisungen, wie mit Konflikten so umzugehen ist, dass die Gemeinde nicht daran zerbricht, sondern die Eintracht wieder hergestellt werden kann. Es geht um die Kunst der Versöhnung. Wir alle wissen nur zu gut, dass diese Kunst alles eher als einfach ist.
Konflikte beginnen fast immer so, dass eine Person verletzt, beleidigt, benachteiligt wird. Wie wird sie damit umgehen? Der Konflikt bricht aus zwischen zwei Menschen, sehr schnell sind die Nahestehenden davon mitbetroffen. In der Familie tut das besonders weh. Auch eine Gemeinde leidet darunter.
Die erste Regel Jesu in der Kunst der Versöhnung ist völlig einleuchtend, wird aber nur selten befolgt: "Wenn dein Bruder gegen dich sündigt, dann geh und weise ihn unter vier Augen zurecht!" "Dein Bruder", das kann jemand aus deiner Familie sein, aus dem Kreis der Arbeitskollegen oder auch ein Bruder, eine Schwester im Glauben. "Gegen dich sündigt", das kann jede Art von Verletzung, Bosheit, Gemeinheit, Lieblosigkeit sein.
Was tun wir meistens in solchen Situationen, wenn wir die Betroffenen sind? Ich rede zuerst mit allen möglichen anderen Personen, um mein Herz auszuschütten, meiner Empörung Luft zu machen. Sehr selten finde ich gleich den Mut, zuerst zum anderen hinzugehen und ihm direkt zu sagen, was mich verletzt hat, wo ich sein Fehlverhalten sehe. Warum fällt es uns so schwer, andere einfach auf ihre Fehler hinzuweisen? Ich gestehe, dass es zu den Dingen gehört, die mir im Leben am schwersten fallen. Und doch können sie so viel Gutes bewirken.
Ich erinnere mich an einen Priester, den ich sehr geschätzt habe. Leider hatte er ein schweres Alkoholproblem. Alle in der Gemeinde wussten es, alle sprachen darüber. Aber keiner traute sich, ihn selber darauf an zusprechen. Auch mir ist es sehr schwer gefallen. Als ich es schließlich tat, war er erleichtert und dankbar. Nach einer erfolgreichen Entziehungskur wurde er mit Freude in seiner Pfarre wieder aufgenommen. Das Thema Alkohol war nicht mehr tabu. Alle halfen ihm, "trocken" zu bleiben. Es folgten, wie er sagte, seine glücklichsten Jahre.
Die Kunst der Versöhnung beginnt mit diesem ersten Schritt. Wer freilich vom Anderen sehr verletzt worden ist, wird diesen Schritt nicht so leicht wagen. Wer dem Anderen seine Fehler im Zorn oder gar mit Hass und Rachegefühl an den Kopf wirft, wird ihn kaum dazu bewegen, um Verzeihung zu bitten. Was erwartest du? Dass der Andere sich unterwirft und du als Sieger dastehst? Die Kunst der Versöhnung gelingt nur, wenn im eigenen Herzen ehrliche Bereitschaft zur Vergebung da ist. Es darf am Ende nicht Sieger und Verlierer geben. Das wiedergewonnene Miteinander ist der Sieg.
Die zweite Etappe, sollte die erste misslingen, ist das, was man heute eine Mediation nennt. Man versucht den Weg der Versöhnung mit der Hilfe von Außenstehenden zu gehen. Friedensverhandlungen im Kleinen und im Großen, zwischen Ehepartnern und zwischen verfeindeten Ländern, sind oft die letzte Chance. Wie gut für alle, wenn sie gelingen! Sie können freilich auch scheitern. Dann ist die Trennung unvermeidlich, aber auch notwendig, um nicht den Kriegszustand endlos fortzusetzen.
Die handfesten Versöhnungsregeln Jesu sind so einleuchtend, dass wir uns fragen müssen, warum es trotzdem so viel Unversöhntheit gibt. Wieso fehlt es so oft an Bereitschaft, um Verzeihung zu bitten? Jesu Regeln haben eine felsenfeste Grundlage: Wir alle brauchen Gottes Vergebung! Jesus selber hat uns allen Versöhnung geschenkt. Tun wir es ihm nach, gegenseitig!
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Wenn dein Bruder gegen dich sündigt, dann geh und weise ihn unter vier Augen zurecht! Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen. Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei mit dir, damit die ganze Sache durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen
entschieden werde. Hört er auch auf sie nicht, dann sag es der Gemeinde!
Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner. Amen, ich sage euch: Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein. Weiter sage ich euch: Was auch immer zwei von euch auf Erden einmütig erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten. Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.