Stellt euch vor, ihr heiratet und keiner folgt der Einladung. Was wäre eure Reaktion?
Stellt euch vor, ihr heiratet und keiner folgt der Einladung. Was wäre eure Reaktion?
Gedanken zum Evangelium, von Kardinal Christoph Schönborn, am Sonntag, 11. Oktober 2020 (Matthäus 22,1-10).
Schmerz und Zorn wohnen oft ganz nahe beieinander. Wer immer wieder verletzt, abgelehnt, verachtet wird, spürt tiefen Schmerz, kann aber gleichzeitig heftigen Zorn empfinden. Dauernde Kränkung kann krank machen. All diese Gefühle kommen im Alltag allzu oft vor, weil wir so viel Schmerzliches, Enttäuschendes erleben. Deshalb gibt es wohl auch so viele zornige Reaktionen.
Ich glaube, Jesus erzählt im heutigen Gleichnis seinen eigenen Schmerz und auch seinen Zorn. Er schüttet sein Herz aus und will die Herzen seiner Zuhörer berühren, also auch unser Herz, die wir ihm heute zuhören. In dem Gleichnis vom König und von der prächtigen Hochzeit, die er seinem Sohn ausrichtet, erzählt Jesus seine eigene Geschichte, so wie er sie erlebt und versteht. Und er erzählt sie denen, die ihn immer entschiedener ablehnen und die er mit einem letzten Bemühen dennoch gewinnen will.
Jesus sieht sich als den Königssohn. Gott ist der König, er ist sein Sohn. Wer ist die Braut, die der Königssohn heiraten soll? Für seine jüdischen Zuhörer ist das klar. Die Bibel spricht gerne vom Bund Gottes mit seinem auserwählten Volk im Bild der Hochzeit. Es soll ein Bund der Liebe und Treue sein. Doch klagen schon die alten Propheten über die Treulosigkeit der Braut, sprechen von Trauer und Zorn Gottes, der dem Liebesbund treu bleibt, während die Menschen alles andere im Sinn haben als den Bund, den Gott mit ihnen geschlossen hat.
Jesus erzählt das Gleichnis vom großen Hochzeitsmahl in einem dramatischen Moment seines Lebens. Der Konflikt spitzt sich zu. Immer heftiger wird die Ablehnung, die Jesus von Seiten der Leitung seines Volkes erfährt. Das Unverständnis, das ihm begegnet, schmerzt ihn bis zu Tränen. Im Blick auf die von ihm so geliebte Stadt Jerusalem beginnt er zu weinen und sagt voraus, dass sie völlig zerstört werde. Kippt hier Jesu Schmerz in bitteren Zorn? Im Gleichnis klingt es so. Der König werde die Stadt „in Schutt und Asche legen“. Tatsächlich hat Jerusalem im Jahre 70 dieses Schicksal erlebt, als die Römer den jüdischen Aufstand blutig niederschlugen und die Stadt völlig zerstörten.
Im Gleichnis Jesu geht es vor allem um die Einladung zur Hochzeit. Die Einladung ist kein Zwang, sondern ein Ausdruck der Wertschätzung. Aber die Eingeladenen kommen nicht. Alles andere ist ihnen wichtiger. Sie haben keine Zeit. Sie nehmen sich keine Zeit und zeigen damit dem König ihre Verachtung.
Und auch das ist Jesu eigene Geschichte: Die geladenen Gäste sind nicht gekommen. Aber die Einfachen und Armen, die Menschen von der Straße, sie haben die Einladung angenommen. Mit ihnen kann Jesus die Freude des Hochzeitsmahles teilen.
Trauer und Zorn Jesu! Gilt das auch für heute? Die Trauer Jesu, dass uns Menschen, damals wie heute, alles andere wichtiger ist als mit ihm zu feiern? Der Zorn Jesu, dass wir am Wesentlichen vorbeileben und damit unser eigenes Leben versäumen? Die Antwort können wir nur selber geben.
Jesus antwortete und erzählte ihnen ein anderes Gleichnis: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete. Er schickte seine Diener, um die eingeladenen Gäste zur Hochzeit rufen zu lassen. Sie aber wollten nicht kommen. Da schickte er noch einmal Diener und trug ihnen auf: Sagt den Eingeladenen: Siehe, mein Mahl ist fertig, meine Ochsen und das Mastvieh sind geschlachtet, alles ist bereit. Kommt zur Hochzeit! Sie aber kümmerten sich nicht darum, sondern der eine ging auf seinen Acker, der andere in seinen Laden, wieder andere fielen über seine Diener her, misshandelten sie und brachten sie um. Da wurde der König zornig; er schickte sein Heer, ließ die Mörder töten und ihre Stadt in Schutt und Asche legen. Dann sagte er zu seinen Dienern: Das Hochzeitsmahl ist vorbereitet, aber die Gäste waren nicht würdig. Geht also an die Kreuzungen der Straßen und ladet alle, die ihr trefft, zur Hochzeit ein! Die Diener gingen auf die Straßen hinaus und holten alle zusammen, die sie trafen, Böse und Gute, und der Festsaal füllte sich mit Gästen.