"Jesus spricht also zuerst von dem unglaublichen Vertrauen, das Gott in uns Menschen setzt. Er legt alles in unsere Hände. Er traut uns zu, dass wir mit seinen Gaben gut umgehen", so Kardinal Christoph Schönborn.
"Jesus spricht also zuerst von dem unglaublichen Vertrauen, das Gott in uns Menschen setzt. Er legt alles in unsere Hände. Er traut uns zu, dass wir mit seinen Gaben gut umgehen", so Kardinal Christoph Schönborn.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium vom Sonntag, 15. November 2020 (Matthäus 25,14-15.19-21).
Heute ist Welttag der Armen. Papst Franziskus möchte, dass der vorletzte Sonntag im Kirchenjahr der besonderen Aufmerksamkeit auf die Armen unter uns gewidmet sei. In zwei Wochen beginnt ja bereits der Advent, und mit ihm das neue Kirchenjahr. Der neuerliche Lockdown in dieser nicht enden wollenden Corona-Pandemie stellt für viele eine wachsende wirtschaftliche Herausforderung dar. Die Arbeitslosigkeit nimmt zu. Mit Sorge sehen wir einem Winter entgegen, der die Lage sicher nicht leichter machen wird. Das Thema Armut kommt auf uns zu.
Im heutigen Gleichnis spricht Jesus aber von einer anderen Welt als der der Armen. Es geht um viel Geld, große Vermögen, die nicht schrumpfen, sondern sogar verdoppelt werden. Genau das zeigt sich in der weltweiten Covid-19-Pandemie. Vielen geht es wirtschaftlich deutlich schlechter. Einige profitieren enorm von dieser Krise. So war es schon immer in schwierigen Zeiten. Im Krieg werden meist alle ärmer. Viele verlieren alles, was sie hatten. Einige sind die großen Kriegsgewinner. Sie streichen das große Geld ein, das die Mehrheit schmerzlich vermisst.
Was will Jesus mit dem Gleichnis von den Talenten sagen? Es geht um Geldgeschäfte, aber nicht nur, denn offenbar benutzt Jesus diese sehr weltlichen Dinge, um über etwas Großes und Heiliges zu sprechen. Ein reicher Mann geht für längere Zeit auf Reisen. Er vertraut seinen Untergebenen sein ganzes Barvermögen an, damit sie es kräftig vermehren, was auch bei zweien der drei Diener voll gelingt. Sie verdoppeln es. Es wird nicht gesagt, wie sie das zustandebringen, wohl kaum nur durch ihrer Hände Arbeit. Sie dürften eher auf dem Finanzmarkt spekuliert haben, wie das auch heute vielfach der Fall ist.
Nochmals die Frage: Was will Jesus mit dieser Geldgeschichte sagen? Die übliche Auslegung gibt eine einfache Antwort: Gott hat jedem Menschen Talente mit auf den Lebensweg gegeben. An uns liegt es, sie zu entfalten, mit ihnen erfolgreich zu wirtschaften. Die Rede von den Talenten im Sinne der Begabungen kommt ja von diesem berühmten Gleichnis Jesu, in dem es um Geld geht. Ein Talent entspricht etwa vierzig Kilo Silber. Zu Recht hat der Sprachgebrauch daraus unsere Begabungs-Talente gemacht. So war es wohl die Absicht Jesu, uns daran zu erinnern, dass Gott jedem von uns Talente gegeben hat. Es ist etwas Großartiges, wenn Begabungen entdeckt und gefördert werden, sich entfalten können, und wenn sie dann zum Wohl der anderen auch eingesetzt werden. Und Jesu Gleichnis sagt zudem, dass wir darüber einmal Rechenschaft ablegen müssen, was wir mit den Talenten gemacht haben, die Gott uns anvertraut hat.
Mich bewegt aber ein Element im Gleichnis Jesu, das oft zu wenig beachtet wird. Der reiche Mann, der hier für Gott steht, hat seinen Dienern sein ganzes Vermögen anvertraut. Jesus spricht also zuerst von dem unglaublichen Vertrauen, das Gott in uns Menschen setzt. Er legt alles in unsere Hände. Er traut uns zu, dass wir mit seinen Gaben gut umgehen. Ist das nicht viel zu riskant? Offensichtlich geht Gott dieses Risiko ein. Und Jesus will uns wohl sagen, welche Freude es für Gott ist, wenn wir „im Kleinen ein treuer Verwalter“ sind. Das heißt aber: Meine Talente sind seine Gaben, mir anvertraut, weil er mir zutraut, dass ich Gutes damit mache, zum Beispiel auch für die Armen.
Es ist wie mit einem Mann, der auf Reisen ging. Er rief seine Diener und vertraute ihnen sein Vermögen an. Dem einen gab er fünf Talente Silbergeld, einem anderen zwei, wieder einem anderen eines, jedem nach seinen Fähigkeiten. Dann reiste er ab. Nach langer Zeit kehrte der Herr jener Diener zurück und hielt Abrechnung mit ihnen. Da kam der, der die fünf Talente erhalten hatte, brachte fünf weitere und sagte: Herr, fünf Talente hast du mir gegeben; sieh her, ich habe noch fünf dazugewonnen. Sein Herr sagte zu ihm: Sehr gut, du tüchtiger und treuer Diener. Über Weniges warst du treu, über Vieles werde ich dich setzen. Komm, nimm teil am Freudenfest deines Herrn!