"Das Evangelium als Weg zum Glück! Das macht es so anziehend, aber auch so anspruchsvoll. „Kehrt um!“ Billig ist dieser Weg zum Glück nicht. Aber umso mehr spricht er das an, was eine Grunderfahrung des Lebens ist", so Kardinal Christoph Schönborn.
"Das Evangelium als Weg zum Glück! Das macht es so anziehend, aber auch so anspruchsvoll. „Kehrt um!“ Billig ist dieser Weg zum Glück nicht. Aber umso mehr spricht er das an, was eine Grunderfahrung des Lebens ist", so Kardinal Christoph Schönborn.
Gedanken zum Evangelium, von Kardinal Christoph Schönborn, am Sonntag, 24. Jänner 2021 (Markusevangelium 1, 14–20).
Am 2. September 2001 schrieb Hans Dichand in der Krone Bunt: „Das Wort, das die Evangelisten aufgezeichnet haben, gilt für alle, für fromme Christen wie für die vielen, die die Kirche nur von außen sehen oder höchstens bei Taufen, Hochzeiten und ähnlichen Anlässen. Die Botschaft hat nichts von ihrer Aktualität verloren, sie ist heutig, gehört zum Tag, zum Leben. Sie will uns leben lehren und leben helfen. Sie ist eine Antwort auf die ständig wachsende Ratlosigkeit der Menschen, die in der weltweiten Informationsflut zu ertrinken droht.“
Hans Dichand war ein Mann des Wortes, aber auch ein Mann der Tat. Was er damals über die Bedeutung des Evangeliums schrieb, sollte nicht bei den Worten bleiben. Im Sommer 2001 kam er mich besuchen und machte mir, bei einem gemeinsamen Mittagessen, einen Vorschlag, der mich völlig überraschte. Er bot mir an, jeden Sonntag in der Kronenzeitung meine Gedanken zum Sonntagsevangelium zu äußern. Das war von ihm her ein mutiger Schritt, ein Wagnis. Wird der ehemalige Universitätsprofessor und jetzige Wiener Erzbischof das schaffen? Wird er nicht zu abgehoben, zu theoretisch sein, um verständlich über das Evangelium zu schreiben? Das Vertrauen von Hans Dichand hat mich berührt. Er traute mir das zu. Noch mehr beeindruckt hat es mich, dass er voll davon überzeugt war, dass die Menschen von heute das Evangelium brauchen, um im Leben Orientierung zu finden. So habe ich Hans Dichand spontan zugesagt und begann mit 2. September 2001 meine Gedanken zum Sonntagsevangelium zu schreiben. Fast 20 Jahre sind seither vergangen. Zu den Sonntagsevangelien kamen bald auch die Kommentare zu den großen Festen des Kirchenjahres, so dass ich pro Jahr durchschnittlich 60 Mal das Evangelium in Österreichs größter Tageszeitung besprechen darf. In all den Jahren habe ich erleben dürfen, dass ich in voller Freiheit meine Gedanken darlegen konnte. Bald hörte ich aus der Redaktion, man sei überrascht, dass der Kardinal keinen „Ghostwriter“ benütze. Ja, ich habe vom ersten Tag an immer selbst die Kommentare zum Evangelium geschrieben, aber ich habe oft Anregungen aufgegriffen, Erfahrungen, die andere Menschen mit dem Evangelium machen.
Heute kann ich sagen: Hans Dichand hat mit seiner Einladung vor allem mir selbst eine Freude geschenkt, die mein Leben ungemein bereichert hat. Es gehört jede Woche zu den wichtigsten Stunden meines Alltags, wenn ich meine Gedanken zum Sonntagsevangelium (immer handschriftlich) zu Papier bringen kann. Dass durch diese schöne Aufgabe zudem eine herzliche persönliche Beziehung zu Hans Dichand entstand, betrachte ich als eine kostbare Frucht seiner damaligen Einladung.
Nun fügt es sich gut, dass das heutige Sonntagsevangelium vom Anfang des öffentlichen Wirkens Jesu handelt. Der Evangelist Markus sagt es in seiner gewohnt knappen Art: Jesus „verkündete das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium.“ Meine ersten „Gedanken zum Sonntagsevangelium“ am 2. September 2001 lesen sich heute noch wie eine Hinführung zu diesen Worten Jesu. Ich schrieb damals: „‘Evangelium‘ heißt ‚Gute Botschaft‘. Jesus hat eine ‚Frohbotschaft‘ gebracht, die Wege zeigen will, wie man glücklich wird. Seine Wegweiser zum Glück sind nüchtern, herb, manchmal sogar hart. Aber sie sind gute, gesunde Kost.“
Das Evangelium als Weg zum Glück! Das macht es so anziehend, aber auch so anspruchsvoll. „Kehrt um!“ Billig ist dieser Weg zum Glück nicht. Aber umso mehr spricht er das an, was eine Grunderfahrung des Lebens ist. Nur die Bereitschaft, immer wieder umzukehren, täglich neu zu beginnen, gegen die eigene Trägheit zu kämpfen, die anderen zu achten und Gott zu vertrauen, öffnet dauerhaft den Weg zum Glück, den das Evangelium weist. Ich bin Hans Dichand von Herzen dankbar, dass er mich eingeladen hat, diesen Weg vielen Menschen nahezubringen. Er hat offensichtlich selbst an das Evangelium geglaubt.
Nachdem Johannes der Täufer ausgeliefert worden war, ging Jesus nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium! Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er Simon und Andreas, den Bruder des Simon, die auf dem See ihre Netze auswarfen; sie waren nämlich Fischer. Da sagte er zu ihnen: Kommt her, mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen. Und sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm nach. Als er ein Stück weiterging, sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren im Boot und richteten ihre Netze her. Sogleich rief er sie und sie ließen ihren Vater Zebedäus mit seinen Tagelöhnern im Boot zurück und folgten Jesus nach.