Der Evangelist Markus berichtet nur mit sehr knappen Worten von den vierzig Wüstentagen Jesu. Als erstes zeigt er, dass Jesus nicht auf eigene Initiative nach seiner Taufe im Jordan in die Wüste ging. „Der Geist trieb Jesus in die Wüste.“
Der Evangelist Markus berichtet nur mit sehr knappen Worten von den vierzig Wüstentagen Jesu. Als erstes zeigt er, dass Jesus nicht auf eigene Initiative nach seiner Taufe im Jordan in die Wüste ging. „Der Geist trieb Jesus in die Wüste.“
Gedanken zum Evangelium, von Kardinal Christoph Schönborn, am Sonntag, 21. Februar 2021( Markus 1,12-15 ).
Heute ist der erste Fastensonntag. Mit dem Aschermittwoch hat die vierzigtägige Fastenzeit begonnen. In was für eine seltsame Zeit fällt sie heuer! Wo war in diesem Jahr der Fasching, der normalerweise der Fastenzeit vorausgeht? Alle Bälle waren abgesagt. Nicht einmal den Opernball gab es. Stattdessen jeden Tag nur ein Thema: Corona! Wie viele neue Infektionen? Wo entsteht wieder ein Cluster? Welche Mutationen des Virus machen alle Hoffnungen auf ein baldiges Ende der Pandemie zunichte? Wann hört dieser Albtraum endlich auf?
Beginn der Fastenzeit? Seit fast einem Jahr leben wir alle in einer nicht enden wollenden Fastenzeit. Unfreiwillig müssen wir auf vieles verzichten, was uns lieb und wichtig ist: Kontakte sind eingeschränkt, ebenso die Reisefreiheit, das gemeinsame Feiern der Feste. Kinder sind von ihren Schulfreunden getrennt, sollen ihre Großeltern nicht umarmen. Erwachsene können nicht ins Gasthaus gehen, Theater, Konzert, Kino – alles geschlossen. Arbeit wurde für viele zum Home-Office, wenn sie nicht überhaupt verloren ging. Eine unerwartete Fastenzeit ist über uns, ja über die ganze Welt hereingebrochen. Und ihr Ende ist noch nicht abzusehen. Schön wäre es, wenn sie nur vierzig Tage dauern würde und dann ein freudiges Ostern käme, eine echte Auferstehung aus dem Corona-Albtraum! Aber so schnell wird es nicht gehen. Gelingt es, dieser langen Fastenzeit auch Gutes abzugewinnen?
Viele nehmen sich bewusst bestimmte Fastenopfer vor: Verzicht auf zu viel Essen, Einschränkung von Genussmitteln, mehr Zeit zur Besinnung, wachere Aufmerksamkeit für den Nächsten. Die Fastenzeit soll der körperlichen Entschlackung und der seelischen Läuterung dienen. Es geht um Reinigung, Erneuerung, ja auch um Befreiung von alten Abhängigkeiten. Nach der Zeit des Fastens kann dann Ostern der Neustart sein, ein neues Aufblühen des Lebens: das Fest der Auferstehung.
Was können wir von Jesus und seiner Fastenzeit lernen? Ich finde für mich vor allem drei Dinge, die mir helfen, unserer langen Corona-Fastenzeit einen Sinn abzugewinnen. Der Evangelist Markus berichtet nur mit sehr knappen Worten von den vierzig Wüstentagen Jesu. Als erstes zeigt er, dass Jesus nicht auf eigene Initiative nach seiner Taufe im Jordan in die Wüste ging. „Der Geist trieb Jesus in die Wüste.“ So hat es schon das jüdische Volk erlebt, als sie aus Ägypten auszogen: Gott selbst hat die Israeliten in die Wüste geführt, für vierzig Jahre. Soll das heißen, dass ich die lange Corona-Wüstenzeit für eine Initiative Gottes halte? Sicher nicht im Sinne einer Strafe Gottes. Aber das glaube ich schon, dass Wüstenerfahrungen in unserem Leben etwas mit Gott zu tun haben. In der Bibel ist die Wüsste der Ort der Gottbegegnung. Alles andere fällt weg. Jesus ist der Einsamkeit der Wüste ausgesetzt. In der Corona-Zeit müssen wir auf vieles verzichten, was uns wichtig und wertvoll ist. Das führt unweigerlich zur Frage: Worauf kommt es wirklich an? Was trägt, was hält, was hat Bestand? Wir brauchen keine eigenen Fastenvorsätze. Corona fordert schon genug Opfer. Nehmen wir sie als Läuterung an!
Das Zweite: Jesus „wurde vom Satan in Versuchung geführt“. Markus sagt nicht, worin die Versuchung bestand. Kein Mensch kommt ohne Versuchung durchs Leben. „Führe uns nicht in Versuchung“, so beten wir im Vaterunser. Führt Gott uns in Versuchung? Sicher nicht! Aber er lässt es zu, dass wir mit vielerlei Versuchungen zu kämpfen haben. So war es auch für Jesus. Umso mehr dürfen wir ihn bitten, dass er uns in diesen Kämpfen hilft und uns unsere Schwäche verzeiht. Die größte Versuchung ist es, mutlos zu werden und an Gottes Barmherzigkeit zu verzweifeln.
Und das Dritte: In der Wüste war Jesus „bei den wilden Tieren und die Engel dienten ihm“. Auch wir sind allen möglichen Gefährdungen ausgesetzt, aber die Hilfe des Himmels ist uns zugesagt. Wir sind nicht alleingelassen!
Ostern kommt ganz sicher. Jesus ist auferstanden. Das Leben siegt über den Tod. „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“, gerade jetzt!
Und sogleich trieb der Geist Jesus in die Wüste. Jesus blieb vierzig Tage in der Wüste und wurde vom Satan in Versuchung geführt. Er lebte bei den wilden Tieren und die Engel dienten ihm. Nachdem Johannes ausgeliefert worden war, ging Jesus nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!