Bergwandern, das ist mir bis heute ein kostbares Erlebnis. Man lässt den Lärm des Tales hinter oder unter sich zurück. Es wird stiller, einsamer, und mit dem Aufstieg bleiben manche Sorgen im Tal. Man kommt dem Himmel näher.
Bergwandern, das ist mir bis heute ein kostbares Erlebnis. Man lässt den Lärm des Tales hinter oder unter sich zurück. Es wird stiller, einsamer, und mit dem Aufstieg bleiben manche Sorgen im Tal. Man kommt dem Himmel näher.
Gedanken zum Evangelium, von Kardinal Christoph Schönborn, am Sonntag, 28. Februar 2021 (Markus 9,2-10)
Manchmal spürt es sich so an, als sei der Himmel ganz nahe. Ich bin in den Bergen Vorarlbergs aufgewachsen. Zum echten Bergsteiger habe ich es nie gebracht, so richtig mit Seil und Klettern. Aber Bergwandern, das ist mir bis heute ein kostbares Erlebnis. Man lässt den Lärm des Tales hinter oder unter sich zurück. Es wird stiller, einsamer, und mit dem Aufstieg bleiben manche Sorgen im Tal. Man kommt dem Himmel näher.
Was der Evangelist Markus heute berichtet, geschah wohl nicht zufällig „auf dem hohen Berg“. Und es ereignete sich nicht in einer großen Menschenmenge. Sie waren zu dritt mit Jesus auf den Berg hinaufgestiegen, „nur sie allein“. Es ist wohl auch kein Zufall, dass Jesus sich oft ganz alleine auf einen Berg zurückzog, um zu beten, also mit dem Himmel in Verbindung zu treten. Auch wenn die Berge in Galiläa bei weitem nicht so hoch sind wie bei uns die Hochalpen, so ist doch der Berg des heutigen Evangeliums eindrucksvoll hoch und weithin sichtbar: der Berg Tabor, nicht weit von Jesu Heimat, von Nazareth entfernt. Vom Tabor genießt man eine prachtvolle Rundsicht über Galiläa.
Aber nicht um die schöne Aussicht zu genießen, ist Jesus mit den drei Jüngern hier hinaufgestiegen. Was sie jetzt erleben, ist ein einzigartiger Moment. Es ist, als würden für einen Moment – wie lange hat er gedauert? – die Schleier vor ihren Augen weggenommen. Sie dürfen hinüberschauen in eine andere Welt, in die Wirklichkeit des Himmels. Kein Wunder, dass ihnen die Worte fehlen, um das zu beschreiben, was sie da erlebt haben. Es kommt herüber als eine Mischung von Glück und Erschrecken, von Freude und Furcht. Petrus, immer ganz spontan und das Herz auf den Lippen, möchte am liebsten dieses Erlebnis festhalten: „Rabbi, es ist gut, dass wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elia.“ Er wusste nämlich nicht, was er sagen sollte, „denn sie waren vor Furcht ganz benommen“.
Noch nie haben sie Jesus so gesehen wie in diesem Moment. Noch einmal: Wir wissen nicht, wie lange diese „Erscheinung“ gedauert hat. Die Zeugen konnten es selber nicht sagen. Das hat auch damit zu tun, dass „im Himmel“, in der „drüberen Welt“, nicht unsere Gesetze von Raum und Zeit gelten. Die drei Zeugen geraten in eine Wolke, die wohl nicht einfach ein Bergnebel war. Und sie hören eine Stimme: „Dieser ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören.“ Und als sie aufsehen, ist alles vorbei. Der Himmel ist wieder verschlossen. Es bleibt die nüchterne irdische Wirklichkeit. „Sie sahen auf einmal niemanden mehr bei sich außer Jesus.“
Jedes Jahr wird am zweiten Fastensonntag dieses Evangelium von der Verklärung Jesu gelesen. Und jedes Jahr frage ich mich: Was ist seine Botschaft? Gibt es auch heute vergleichbare Erfahrungen? Eine Annäherung will ich versuchen. Die Mitte des Erlebnisses der drei Jünger auf dem Berg Tabor ist das strahlende Licht. Jesus „wurde vor ihnen verwandelt; seine Kleider wurden strahlend weiß“. Jesus beginnt zu leuchten in einem Licht, das nicht von dieser Erde stammen kann. Niemand könnte es zustande bringen. In den letzten Jahren mehren sich die Berichte von sogenannten „Nahtoderfahrungen“. Menschen, die kurze Zeit klinisch tot waren, sagen, dass sie ein unbeschreiblich schönes Licht gesehen haben. Sie hatten meist den Wunsch, „drüben“ zu bleiben. Sie sehen ihr ganzes Leben in einer zeitlosen Dichte vor sich ablaufen. Doch dann müssen sie zurück ins irdische Leben. Aber was sie da an der Schwelle des Jenseits erlebt haben, können sie nie mehr vergessen. Vielleicht haben sie ein wenig von dem erfahren, was damals am Berg Tabor geschah. Die drei Jünger durften für einen Moment sehen, dass in Jesus der Himmel uns so nahegekommen ist, weil er den Himmel in sich getragen hat. Sie durften schauen, dass dort unser wahres Zuhause ist.
Sechs Tage danach nahm Jesus Petrus, Jakobus und Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg, aber nur sie allein. Und er wurde vor ihnen verwandelt; seine Kleider wurden strahlend weiß, so weiß, wie sie auf Erden kein Bleicher machen kann.
Da erschien ihnen Elija und mit ihm Mose und sie redeten mit Jesus. Petrus sagte zu Jesus: Rabbi, es ist gut, dass wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija. Er wusste nämlich nicht, was er sagen sollte; denn sie waren vor Furcht ganz benommen. Da kam eine Wolke und überschattete sie und es erscholl eine Stimme aus der Wolke: Dieser ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören. Als sie dann um sich blickten, sahen sie auf einmal niemanden mehr bei sich außer Jesus.
Während sie den Berg hinabstiegen, gebot er ihnen, niemandem zu erzählen, was sie gesehen hatten, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden sei. Dieses Wort beschäftigte sie und sie fragten einander, was das sei: von den Toten auferstehen.