"Versöhnung unter Freunden gehört zu den freudigsten Momenten. Da erst wissen wir, wie kostbar die Freundschaft ist", so Kardinal Christoph Schönborn.
"Versöhnung unter Freunden gehört zu den freudigsten Momenten. Da erst wissen wir, wie kostbar die Freundschaft ist", so Kardinal Christoph Schönborn.
Gedanken zum Evangelium von Kardinal Christoph Schönborn, am Sonntag, 9. Mai 2021 (Johannes 15,9-17).
„Ziemlich beste Freunde“ ist einer der erfolgreichsten Filme der letzten Jahre. Er beruht auf einer wahren Begebenheit. Ein französischer Top-Manager hat einen Unfall beim Paragleiten. Seither ist er fast vollständig querschnittgelähmt. Er ist ganz auf Hilfe angewiesen. Er sucht einen Pfleger. Es meldet sich unter anderen ein haftentlassener Afrikaner. Gegen alle Bedenken nimmt er ihn. In den Jahren der Betreuung entsteht zwischen diesen beiden so ungleichen Menschen eine tiefe Freundschaft voll Humor, Aufmerksamkeit, Lebendigkeit. Der Riesen-Erfolg dieses Films sagt viel über die Sehnsucht nach echter Freundschaft.
Aber was ist das, echte Freundschaft? Wer sie erlebt hat, weiß, wie unschätzbar sie ist. Wer von falschen „Freunden“ enttäuscht wurde, wird immer auf der Hut sein, anderen seine Freundschaft zu schenken. Wie kommt man dazu, echte von falschen Freunden zu unterscheiden? Wie entsteht eine Freundschaft? Wie bewährt sie sich? Was tun oder lassen, um eine Freundschaft zu pflegen? Es ist etwas ganz Besonderes, wenn eine Jugendfreundschaft bis ins Alter, also lebenslang hält. Eines ist sicher: Freundschaft ist etwas ganz anderes als „Freunderlwirtschaft“. Und wer auf Facebook viele „Followers“ hat, kann deshalb nicht schon auf viele echte Freunde zählen.
Von Freundschaft spricht Jesus im heutigen Evangelium. Es ist wie sein Testament. Bald schon wird Jesus in die Nacht der Gefangennahme hinausgehen. In solchen Momenten geht es um die innersten Herzensanliegen. Er sagt seinen Jüngern, wie sehr er sie liebt. Und er bittet sie: „Bleibt in meiner Liebe!“ Das tut ihr, wenn „ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe“. Denn „es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“
Es ist das erste Mal im Evangelium, dass Jesus seine Jünger „Freunde“ nennt: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte … Vielmehr habe ich euch Freunde genannt.“ Mich begleitet dieses Wort Jesu seit vielen Jahren, so sehr, dass ich es zum Moto meines Bischofsdienstes gewählt habe. Er ist der Meister, der Herr. Er ist der Sohn Gottes. Wir sind – hoffentlich – seine Jünger, seine Schüler. Kann es Freundschaft geben zwischen so Ungleichen? Das Beeindruckende am eingangs genannten Film ist gerade das: Zwei Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft, Bildung, Kultur werden zu, wie man sagt, dicken Freunden.
Freundschaft mit Jesus: Das ist zuerst ein Geschenk, ein Angebot Jesu. „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt.“ Freundschaft kann man nicht fordern. Sie kann nur wachsen, reifen, sich bewähren. Die Initiative geht von Jesus aus. Er hat seinen Jüngern seine Freundschaft dadurch gezeigt, dass er sich ihnen ganz anvertraut hat: „Ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe.“ Nur dem Freund vertrauen wir das Persönlichste aus unserem Leben an. Nichts schmerzt mehr, als wenn dieses Vertrauen verletzt wird. Ob dann die Freundschaft wiederhergestellt werden kann? Petrus hat das erlebt, als er Jesus in der Nacht der Gefangennahme dreimal verleugnet hat. Seine bitteren Tränen zeigen, wie sehr es ihn geschmerzt hat, dass er den besten Freund aus Feigheit verleugnet hat. Deshalb gehört Versöhnung unter Freunden zu den freudigsten Momenten. Da erst wissen wir, wie kostbar die Freundschaft ist.
Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe. Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird. Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage. Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe. Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet. Dies trage ich euch auf, dass ihr einander liebt.