Eines fällt im ganzen Leben Jesu auf: seine Liebe zu den ganz normalen Menschen. Vielleicht müssen wir genauer sagen: seine Liebe zu allen Menschen, besonders zu denen, die sich nicht selber für die Besseren, Höheren, Auserwählten halten.
Eines fällt im ganzen Leben Jesu auf: seine Liebe zu den ganz normalen Menschen. Vielleicht müssen wir genauer sagen: seine Liebe zu allen Menschen, besonders zu denen, die sich nicht selber für die Besseren, Höheren, Auserwählten halten.
Gedanken zum Evangelium, von Kardinal Christoph Schönborn, am Sonntag, 11. Juli 2021 (Markus 6,7-13).
Jesus hat zwölf Männer zu seinen engsten Mitarbeitern gemacht: die zwölf Apostel. So nannte er sie, weil er sie ausgesandt hat. Das griechische Wort „apostolos“ bedeutet „der Gesandte“. Wie hat Jesus sie ausgewählt? Warum gerade diese? Der Evangelist Markus sagt kurz und bündig, Jesus habe die zu sich gerufen, „die er selbst wollte“. Schaut man sie sich der Reihe nach an, so fällt an ihnen nichts Besonderes auf. Weder besonders fromm, noch außergewöhnlich begabt. Ganz normale Leute. Sie haben verschiedene Berufe, kommen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, gehören verfeindeten politischen Parteien an. Jesus hat offensichtlich nicht eine Ausschreibung gemacht, um dann die Besten unter den Bewerbern auszuwählen. Und gerade diese ganz normalen Leute beauftragt er, mit ihm an seiner großen Mission mitzuarbeiten. Was sagt das über die Absichten Jesu? Was zeigt er damit?
Eines fällt im ganzen Leben Jesu auf: seine Liebe zu den ganz normalen Menschen. Vielleicht müssen wir genauer sagen: seine Liebe zu allen Menschen, besonders zu denen, die sich nicht selber für die Besseren, Höheren, Auserwählten halten. Diese Grundhaltung hat Jesus wohl von zu Hause mitgebracht. Er ist unter einfachen Menschen aufgewachsen und hat sein Leben lang ein tiefes Gespür für die Sorgen der einfachen Menschen gehabt. Aus seinem Berufsleben hat er die Erfahrung mitgebracht, dass Ehrlichkeit und Anstand im wirtschaftlichen Alltag zwar nicht immer leicht sind, aber auf die Dauer Erfolg bringen. Und er wusste, dass die „kleinen Leute“ oft unter der Willkür der Mächtigen zu leiden haben.
Aber seine Liebe zu den einfachen Menschen kam vor allem aus seiner Herkunft aus Gott. Er wollte in seinem Leben die Liebe Gottes zu den Menschen sichtbar machen. Darum hat er selber ein einfaches, bescheidenes Leben geführt. Sein Erfolg ist ihm nicht in den Kopf gestiegen. Und deshalb wollte er, dass seine Ausgesandten, seine Apostel, ein Leben führen wie er: „Nehmt nichts mit auf den Weg.“ Ich glaube, hier geht es Jesus nicht nur um einfache Lebensregeln für seine Boten. Jeder Mensch ist ein Bote, alle haben wir eine Sendung. Dazu sind wir auf der Welt.
Um einander begegnen zu können, müssen wir einfach sein. Wer seine Titel und seine Wichtigkeit vor sich herträgt, wird nicht in der Lage sein, andere Menschen wirklich wahrzunehmen. Die Anweisungen Jesu an seine Boten hat er wirklich so gemeint: kein Geld, keine Vorräte, keine Wechselkleider, angewiesen auf die Hilfe und Gastfreundschaft der Menschen. So wörtlich hat ein heiliger Franziskus Jesus verstanden, so hat er zu leben versucht und wurde ein Vorbild für viele. Aber Jesu Lebensregel passt auch für alle, die ein „normales“ Leben führen. Gilt es nicht für uns alle, dass wir nicht zu viel auf den Weg mitnehmen sollen? Was sammelt sich alles an im Laufe eines Lebens! Auf dem letzten Weg können wir nichts mitnehmen. Und um die innere Freiheit einzuüben, müssen wir lernen, so manches loszulassen, was uns unerlässlich zu sein scheint.
Jesus hat seinen Aposteln „Vollmacht über die unreinen Geister“ gegeben. Gilt das nicht für jeden Menschen? Haben wir nicht alle einen lebenslangen Auftrag, das Böse einzudämmen? Zuerst, indem wir gegen die eigene Neigung zum Bösen kämpfen. Und dann, indem wir Hass und Zwietracht untereinander abbauen. Jeder kann ein Apostel sein, ein Sendbote, der, statt zu verletzen, zu heilen bemüht ist. Und noch etwas: Jesus sandte seine Boten zu zweit aus. Keiner von uns kann seine Mission als Mensch alleine verwirklichen. Es geht nur gemeinsam.
Jesus rief die Zwölf zu sich und sandte sie aus, jeweils zwei zusammen. Er gab ihnen Vollmacht über die unreinen Geister und er gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen. Und er sagte zu ihnen: Bleibt in dem Haus, in dem ihr einkehrt, bis ihr den Ort wieder verlasst! Wenn man euch aber in einem Ort nicht aufnimmt und euch nicht hören will, dann geht weiter und schüttelt den Staub von euren Füßen, ihnen zum Zeugnis. Und sie zogen aus und verkündeten die Umkehr. Sie trieben viele Dämonen aus und salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie.