Wer für das Brot Gott dankt, ist auch bereit, es mit anderen zu teilen. „Brich dem Hungrigen dein Brot“, heißt es in der Bibel. Das ist und bleibt eine Grundregel der Menschlichkeit.
Wer für das Brot Gott dankt, ist auch bereit, es mit anderen zu teilen. „Brich dem Hungrigen dein Brot“, heißt es in der Bibel. Das ist und bleibt eine Grundregel der Menschlichkeit.
Gedanken zum Evangelium, von Kardinal Christoph Schönborn, am Sonntag, 25. Juli 2021 (Johannes 6,1-15).
Alle vier Evangelien berichten von diesem Ereignis: Jesus hat mit nur fünf Broten fünftausend Menschen gesättigt. Und nicht nur das. Es war eine solche Menge an Brot da, dass zwölf Körbe mit den Resten gefüllt wurden. Kein Wunder, dass dieses Wunder sich der Erinnerung eingeprägt hat. Aber war hier wirklich ein Wunder geschehen? In meiner Studentenzeit wurde uns als „moderne“ Interpretation eine einfache Erklärung gelehrt: Jesus habe so ergreifend von der Nächstenliebe gepredigt, dass die vielen Menschen einfach ihren mitgebrachten Proviant zu teilen begannen, und siehe, es reichte für alle, ja es blieb noch genug für die Armen übrig. Und die Moral aus der Geschichte? Wenn wir weniger egoistisch wären, und mehr teilen würden, dann gäbe es bald auf der Welt keinen Hunger mehr. So wurde und wird bis heute immer wieder der Wunder der Brotvermehrung „erklärt“.
Ich glaube, dass diese Deutung historisch unhaltbar ist, dass sie aber dennoch ein Stück Wahrheit enthält. Die Menschen, die in Scharen Jesus folgten, waren größtenteils Arme. Mehrmals macht sich Jesus Sorgen, dass sie nichts zu essen haben. Er überlegt: „Wo sollen wir Brot kaufen, damit die Leute zu essen haben?“ Die Jünger machen ihn darauf aufmerksam, dass sie bei weitem nicht das Geld haben, um für fünftausend Menschen Brot zu kaufen. Und die fünf Gerstenbrote und zwei Fische, die ein kleiner Junge anzubieten hat? „Was ist das für so viele?“
Es war ein echtes Wunder, auf natürliche Weise unerklärlich. Die Reaktion der vielen Menschen ist überwältigend. Sie sehen in Jesus den verheißenen Propheten, „der in die Welt kommen soll“. Warum versuche manche unserer Zeitgenossen, Wunder „weg zu erklären“? Es gibt sie, vielfach bezeugt, nicht nur von Jesus, sondern immer wieder, bis in unsere Gegenwart. Sie sollen uns daran erinnern, dass Gott Wunder wirken kann und immer wieder wirkt. Aber diese außergewöhnlichen Ereignisse sind nicht größer als die alltäglichen Wunder, sie sind nur ungewohnt. Aber ist es nicht ein Wunder, dass aus dem Same, der in die Erde fällt, der Halm wächst, und schließlich das Korn, das zum Brot verarbeitet werden kann? Wir staunen viel zu wenig über die zahllosen Wunder des Alltags. Wir nehmen die Dinge einfach für selbstverständlich, obwohl sie es ganz und gar nicht sind.
In der Mitte des heutigen Evangeliums steht eine einfache Geste Jesu. Er „nahm die Brote, sprach das Dankgebet und teilte an die Leute aus, so viel sie wollten“. Mit dem Dankgebet zeigt Jesus, dass er das Brot als eine Gabe Gottes sieht, für die er dankbar ist. Sein Dankgebet ist die Einladung, immer neu Gott um das tägliche Brot zu bitten und ihm dafür zu danken.
Wer für das Brot Gott dankt, ist auch bereit, es mit anderen zu teilen. „Brich dem Hungrigen dein Brot“, heißt es in der Bibel. Das ist und bleibt eine Grundregel der Menschlichkeit. Und Gott sei Dank geschehen täglich zahlreiche kleinere und größere Wunder der Nächstenliebe. Ich staune über die vielen guten Werke der Hilfsbereitschaft, gerade in der Corona-Zeit. Immer wieder höre ich von Bäckereien, Supermärkten, Restaurants, die versuchen, Lebensmittel nicht wegzuwerfen, sondern den Armen zukommen zu lassen. Das Wunder der Brotvermehrung geschieht auch heute!
Danach ging Jesus an das andere Ufer des Sees von Galiläa, der auch See von Tiberias heißt. Eine große Menschenmenge folgte ihm, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat. Jesus stieg auf den Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern nieder. Das Pascha, das Fest der Juden, war nahe. Als Jesus aufblickte und sah, dass so viele Menschen zu ihm kamen, fragte er Philippus: Wo sollen wir Brot kaufen, damit diese Leute zu essen haben? Das sagte er aber nur, um ihn auf die Probe zu stellen; denn er selbst wusste, was er tun wollte. Philippus antwortete ihm: Brot für zweihundert Denare reicht nicht aus, wenn jeder von ihnen auch nur ein kleines Stück bekommen soll. Einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus, sagte zu ihm: Hier ist ein kleiner Junge, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; doch was ist das für so viele? Jesus sagte: Lasst die Leute sich setzen! Es gab dort nämlich viel Gras. Da setzten sie sich; es waren etwa fünftausend Männer. Dann nahm Jesus die Brote, sprach das Dankgebet und teilte an die Leute aus, so viel sie wollten; ebenso machte er es mit den Fischen. Als die Menge satt geworden war, sagte er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrig gebliebenen Brocken, damit nichts verdirbt! Sie sammelten und füllten zwölf Körbe mit den Brocken, die von den fünf Gerstenbroten nach dem Essen übrig waren. Als die Menschen das Zeichen sahen, das er getan hatte, sagten sie: Das ist wirklich der Prophet, der in die Welt kommen soll. Da erkannte Jesus, dass sie kommen würden, um ihn in ihre Gewalt zu bringen und zum König zu machen. Daher zog er sich wieder auf den Berg zurück, er allein.