Manchmal höre ich: Ja, du hast es gut, du kannst glauben. Ich kann es nicht. Darauf antworte ich: Vielleicht hast du Sehnsucht danach, glauben zu können. Dieser Wunsch ist auch schon eine Form von Glauben.
Manchmal höre ich: Ja, du hast es gut, du kannst glauben. Ich kann es nicht. Darauf antworte ich: Vielleicht hast du Sehnsucht danach, glauben zu können. Dieser Wunsch ist auch schon eine Form von Glauben.
Gedanken zum Evangelium, von Kardinal Christoph Schönborn, am Sonntag, 8. August 2021 (Johannes 6,41-51).
Woher kommt es, dass die einen gläubig sind, andere aber nicht? Oft geht da ein Spalt mitten durch Familien. Die Oma war gläubig, die Kinder und Enkel sind es weniger oder gar nicht. Umgekehrt finden Junge zum Glauben, obwohl die Eltern und Großeltern sich als ungläubig bezeichnen. Woran liegt das? Ich glaube, es ist sehr selten, dass jemand gar nichts glaubt. Viel häufiger ist es, dass Menschen mit Glauben, Religion, Kirche nicht viel anzufangen wissen. Es ist ihnen das alles fremd. Sie sind nicht einfach dagegen, aber sie haben dazu keinen Zugang gefunden.
Woran liegt es, ob jemand gläubig ist oder nicht? Sicher spielt die Erziehung eine wichtige Rolle, aber sie reicht nicht aus, denn Kinder gehen oft andere Wege als die Eltern. Kommt es auf das gesellschaftliche Umfeld an? In meiner Jugend war der sonntägliche Kirchgang für viele Menschen eine Selbstverständlichkeit, er gehörte einfach dazu. Das hat sich grundlegend geändert. Es herrscht keinerlei öffentlicher Druck, dass man die „Sonntagspflicht“ einhält. Wer seinen Glauben heute praktiziert, tut es freiwillig und aus Überzeugung. Wie aber kommen Menschen zu einer gläubigen Überzeugung? Und warum andere nicht?
Das heutige Evangelium kann darüber Auskunft geben. Jesus ist an einem kritischen Punkt seines Lebens angekommen. Die Geister scheiden sich an ihm. Die Menschen, mit denen er zu tun hat, sind alle religiös. Als Juden glauben sie an den einen Gott. Die Heiden, mit denen Jesus in Kontakt kommt, glauben an ihre Götter. Neu ist für beide, Juden und Heiden, dass Jesus dazu einlädt, auch an ihn zu glauben. Bis heute ist das oft die große Schwierigkeit. An Gott irgendwie zu glauben, das bejahen die meisten Menschen. Aber an Jesus? Genau daran entzündet sich der Konflikt. Die Leute sagten damals: „Ist das nicht Jesus, der Sohn Josefs, dessen Vater und Mutter wir kennen? Wie kann er jetzt sagen: Ich bin vom Himmel herabgekommen?“
Die Frage hat sich zugespitzt: Wie kommt jemand zum Glauben an Jesus? Wie bin ich selber dazu gekommen? Warum ist in mir schon in frühen Jahren dieser persönliche Glauben erwacht? Darauf gibt Jesus eine einfache und doch rätselhafte Antwort: „Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zieht.“ Es gibt also, so sagt Jesus, eine innere Anziehung hin zum Glauben. Ich glaube, so war es bei mir: Es hat mich hingezogen zum Glauben, zu Jesus. Warum geschieht das bei den einen, bei anderen aber nicht? Liegt das an uns? Sind die einen offen dafür, andere weniger oder gar nicht? Eines kann ich mit Sicherheit sagen: Der Glaube ist ein Geschenk. Ich habe ihn mir nicht selber erworben. Es ist nicht mein Verdienst, glauben zu können.
Manchmal höre ich: Ja, du hast es gut, du kannst glauben. Ich kann es nicht. Darauf antworte ich: Vielleicht hast du Sehnsucht danach, glauben zu können. Dieser Wunsch ist auch schon eine Form von Glauben. Einmal hat ein Mann zu Jesus gesagt: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ Ich denke, so geht es allen, die gläubig sind: Immer bleibt im Herzen ein Stück Unglauben zurück, ein Mangel an Gottvertrauen, eine Schwierigkeit, in kritischen Momenten den Mut zum Glauben nicht zu verlieren.
Wenn es aber stimmt, dass der Glaube eine Gnade, ein Geschenk ist, dann steht es den Gläubigen nicht zu, über die zu urteilen und zu richten, die keinen Glauben haben. Denn was wissen wir über das Innerste der anderen? Für ein Geschenk können wir nur danken. Wir dürfen uns darauf nichts einbilden. Wer von diesem Geschenk gekostet hat, weiß, dass es so kostbar ist, so lebenswichtig wie das tägliche Brot. Der Glauben ist das Brot des Himmels.
Da murrten die Juden gegen ihn, weil er gesagt hatte: Ich bin das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Und sie sagten: Ist das nicht Jesus, der Sohn Josefs, dessen Vater und Mutter wir kennen? Wie kann er jetzt sagen: Ich bin vom Himmel herabgekommen? Jesus sagte zu ihnen: Murrt nicht! Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zieht; und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tag. Bei den Propheten steht geschrieben: Und alle werden Schüler Gottes sein. Jeder, der auf den Vater hört und seine Lehre annimmt, wird zu mir kommen. Niemand hat den Vater gesehen außer dem, der von Gott ist; nur er hat den Vater gesehen. Amen, amen, ich sage euch: Wer glaubt, hat das ewige Leben. Ich bin das Brot des Lebens. Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben. So aber ist es mit dem Brot, das vom Himmel herabkommt: Wenn jemand davon isst, wird er nicht sterben. Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt.