"Glauben ist eine persönliche Beziehung. Petrus bringt es auf den Punkt: „Herr, zu wem sollen wir gehen“, wenn nicht zu dir? So ist es bis heute. Das gibt mir Zuversicht", so Kardinal Christoph Schönborn.
"Glauben ist eine persönliche Beziehung. Petrus bringt es auf den Punkt: „Herr, zu wem sollen wir gehen“, wenn nicht zu dir? So ist es bis heute. Das gibt mir Zuversicht", so Kardinal Christoph Schönborn.
Gedanken zum Evangelium, von Kardinal Christoph Schönborn, am Sonntag, 22. August 2021 (Johannes 6,60-69).
Die Anhängerschaft beginnt abzubröckeln. Nach einer Welle des Erfolgs scheint alles schiefzugehen. Es ist ein Wendepunkt im Leben Jesu. Was ist geschehen, dass die Leute Jesus nicht mehr zulaufen, sondern sich in Scharen von ihm abwenden? Selbst im Kreis seiner Jünger zeigt sich eine zunehmende Absetzbewegung: „Daraufhin zogen sich viele seiner Jünger zurück und gingen nicht mehr mit ihm umher.“ Wird auch sein engster Kreis zerfallen? „Wollt auch ihr weggehen?“
Natürlich bewegt mich dieses Evangelium ganz besonders. Spontan kommt mir der Vergleich mit unserer Zeit. Denn auch heute gibt es eine unübersehbare Absetzbewegung im Christentum. Die Kirchenaustrittszahlen sind nach wie vor hoch. Der Anteil der Katholiken nimmt in Österreichs Bevölkerung ständig ab. Besonders unter den jüngeren Jahrgängen ist die Bindung an die Kirche locker geworden. Vielfach ist sie überhaupt nicht mehr vorhanden. Es ist ein schwacher Trost festzustellen, dass allgemein die Bindung an Institutionen stark nachlässt. Das spüren die politischen Parteien, die Gewerkschaften, aber auch die Vereine. Man will sich nicht auf Dauer binden, weder in der Ehe noch in der Gesellschaft.
Ich muss mir freilich selber einen Einwand machen: Darf ich die damalige Situation einfach mit heute vergleichen? Kann ich die jetzigen Kirchenaustritte ohne weiteres mit der damaligen Abwendung von Jesus gleichsetzen? Viele, die heute der Kirche den Rücken zuwenden, sagen: Ich glaube weiter an Gott, ich will aber mit dieser Kirche und ihren Skandalen nichts mehr zu tun haben! Doch wenn ich genauer hinsehe, stelle ich fest, dass es durchaus Parallelen gibt. Es lohnt sich, sie näher zu betrachten.
Jesu Auftreten in Galiläa hat eine Welle der Begeisterung ausgelöst. Die vielen Heilungen, die er wirkt, ziehen die Menschen an. Sie wecken große Hoffnungen. Wird Jesus auch die politische Situation seiner Heimat sanieren? Wird er gar die verheißene Heilszeit bringen? Ist er der ersehnte Messias? Das Wunder der Brotvermehrung wurde zum Wendepunkt. Jesus erkannte, dass die Leute ihn zum König machen wollen und zieht sich zurück. Er nützt den Erfolg nicht, um eine politische Bewegung auszulösen. Es geht ihm um etwas Anderes. Er will die Herzen erreichen, nicht die Politik verändern. Er spricht von Gott und Seinem Reich, von einem anderen Brot, das Gott den Menschen gibt. Und dieses Brot, so sagt er, „ist mein Fleisch für das Leben der Welt“.
„Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben?“ Diese Worte waren selbst vielen seiner Jünger zu viel. Sie nehmen daran Anstoß: „Diese Rede ist hart. Wer kann sie hören?“ Doch Jesus bleibt dabei, schwächt das Ärgernis seiner Worte nicht ab: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm.“ Vertreibt er selber seine Anhänger mit solchen kaum verständlichen Worten? Ich glaube nicht, dass Kirchenaustritte heute wegen dieser Worte Jesu geschehen. Aber eines haben sie mit der damaligen Situation gemeinsam: Gläubig zu sein, damals wie heute, erfordert mehr als nur eine traditionelle Bindung an eine Religionsgemeinschaft und ihre Bräuche. Glauben ist eine persönliche Beziehung. Petrus bringt es auf den Punkt: „Herr, zu wem sollen wir gehen“, wenn nicht zu dir? So ist es bis heute. Das gibt mir Zuversicht.
Viele seiner Jünger, die ihm zuhörten, sagten: Diese Rede ist hart. Wer kann sie hören? Jesus erkannte, dass seine Jünger darüber murrten, und fragte sie: Daran nehmt ihr Anstoß? Was werdet ihr sagen, wenn ihr den Menschensohn aufsteigen seht, dorthin, wo er vorher war? Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts. Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben. Aber es gibt unter euch einige, die nicht glauben. Jesus wusste nämlich von Anfang an, welche es waren, die nicht glaubten, und wer ihn ausliefern würde. Und er sagte: Deshalb habe ich zu euch gesagt: Niemand kann zu mir kommen, wenn es ihm nicht vom Vater gegeben ist. Daraufhin zogen sich viele seiner Jünger zurück und gingen nicht mehr mit ihm umher. Da fragte Jesus die Zwölf: Wollt auch ihr weggehen? Simon Petrus antwortete ihm: Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes.