Das Fest der Beschneidung Jesu erinnert sdeutlich daran, dass Jesus Jude ist und als Jude gelebt hat. Und damit geht es auch um die Wurzeln des Christentums. Ohne den Ursprung aus dem Judentum ist das Christentum gar nicht zu verstehen.
Das Fest der Beschneidung Jesu erinnert sdeutlich daran, dass Jesus Jude ist und als Jude gelebt hat. Und damit geht es auch um die Wurzeln des Christentums. Ohne den Ursprung aus dem Judentum ist das Christentum gar nicht zu verstehen.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium vom 1. Jänner 2022.
Als acht Tage vorüber waren … So heißt es im heutigen Evangelium. Vor acht Tagen war Weihnachten, die Geburt Jesu. Heute ist der Neujahrstag. Alle wünschen einander ein gutes Neues Jahr. Viele freuen sich auf das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker. Es ist ein so schönes Stück österreichischer Kultur. Um ein Stück Kultur geht es auch im Evangelium, das an Neujahr gelesen wird. Fast möchte ich sagen: Es geht um die Vergewisserung der Wurzeln unserer Kultur. Darüber möchte ich am ersten Tag des neuen Kalenderjahres nachdenken. In Zeiten wachsender Ungewissheit kann eine solche Besinnung zu einem guten Start ins Neue Jahr beitragen. Ausgangspunk der folgenden Überlegungen ist der knappe letzte Satz des Evangeliums: „Als acht Tage vorüber waren und das Kind beschnitten werden sollte, gab man ihm den Namen Jesus, den der Engel genannt hatte, bevor das Kind im Mutterleib empfangen war.“
Drei Gedanken darf ich kurz zur Betrachtung vorlegen: die Beschneidung Jesu, die seine jüdische Identität zeigt; die Namensgebung, die uns an das Geheimnis des Namens erinnert; und die Mutterschaft Mariens, die die Rolle Mariens sichtbar macht. Doch sehen wir uns das im Einzelnen an.
Viele Jahrhunderte lang wurde der 1. Jänner als Fest der Beschneidung des Herrn gefeiert. Erst in neuerer Zeit hat sich der Akzent auf die Mutterschaft Mariens verlagert. Heute fordern nicht wenige Theologen, das Fest der Beschneidung Jesu wieder zu Ehren zu bringen. Es erinnert so deutlich daran, dass Jesus Jude ist und als Jude gelebt hat. Und damit geht es auch um die Wurzeln des Christentums. Ohne den Ursprung aus dem Judentum ist das Christentum gar nicht zu verstehen. Darauf folgt oft ein Einwand: Wenn dem so ist, warum haben die Christen dann die jüdischen Bräuche nicht beibehalten? Den Sabbat, die Speisevorschriften, die Beschneidung? Mit dieser Frage hat sich schon das frühe Christentum intensiv auseinandergesetzt. Um Christ zu werden, muss man nicht Jude werden, so lautete die Antwort. Aber die jüdischen Wurzeln des Christentums dürfen nie vergessen oder gar abgeschnitten werden. Der heilige Paulus sagt es sehr klar: „Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich.“ Daran hat jahrhundertelang das Fest der Beschneidung des Herrn erinnert. Gerne denke ich an unsere jüdischen Wurzeln und danke dafür.
Mit der Beschneidung ist im Judentum auch die Namensgebung verbunden. Es tut gut, darüber nachzudenken! Niemand ist eine Nummer, ein Serienprodukt. Wir sind alle einmalig, und das kommt durch den Namen zum Ausdruck. Auch wenn viele Menschen den Namen Christoph tragen, so sind wir alle, die so heißen, doch ganz persönlich gemeint, wenn jemand uns mit dem eigenen Namen anspricht. Es gab auch zur Zeit Jesu viele, die den Namen Jesus (Jeschua) hatten. Aber wenn ich im Evangelium von Jesus lese oder im Gebet ihn anspreche, dann ist das etwas unvergleichlich Persönliches. Am tiefsten berührt es mich, dass Jesus Einzelne mit ihrem Namen anredet. So etwa den reichen Zöllner Zachäus. Es hat sein Leben für immer verändert. Oder dieser Moment, als Maria von Magdala weinend beim leeren Grab steht. Jesus ist plötzlich da. Sie hält ihn für den Gärtner, bis er sie anspricht: „Maria!“ Kein Mensch ist bei Gott anonym. Wie oft merke ich mir nicht den Namen von Menschen, denen ich begegne. Nicht so ist Gottes Nähe zu uns. Wir sind bei ihm nie vergessen.
„Kann denn eine Mutter ihr Kind vergessen? Ich vergesse dich nie“, so spricht Gott durch den Propheten Jesaja.
Am 1. Jänner dankt die Kirche für Maria, die Mutter Jesu. An die eigene Mutter zu denken, für sie zu danken, das ist urmenschlich. Sie hat Ja gesagt zu mir. Ehe sie mich kennen konnte, hat sie mich empfangen und mir Raum zum Leben gegeben. So wundert es nicht, dass Maria von vielen Menschen in besonderer Weise als Mutter erlebt wird. Ihre Verehrung ist nicht zufällig ein Teil der Kultur unseres Landes. Am Anfang des Neuen Jahres tut es gut, sich auf die eigenen Wurzeln zu besinnen. Mögen sie uns sicher durch dieses Jahr tragen!
Lukas 2,16-21
So eilten die Hirten hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag. Als sie es sahen, erzählten sie von dem Wort, das ihnen über dieses Kind gesagt worden war. Und alle, die es hörten, staunten über das, was ihnen von den Hirten erzählt wurde. Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen. Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für alles, was sie gehört und gesehen hatten, so wie es ihnen gesagt worden war. Als acht Tage vorüber waren und das Kind beschnitten werden sollte, gab man ihm den Namen Jesus, den der Engel genannt hatte, bevor das Kind im Mutterleib empfangen war.