Wunder haben etwas gemeinsam: Sie sind ganz persönliche Erfahrungen und nicht naturwissenschaftlich erklärbar.
Wunder haben etwas gemeinsam: Sie sind ganz persönliche Erfahrungen und nicht naturwissenschaftlich erklärbar.
Das Leben ist voller Wunder. Angefangen bei der Geburt, bis zu Heilungen oder unerwartete Rettungen. Manche Menschen beten auch um Wunder. Aber ist dieses Hoffen normal? Gib es Wunder wirklich? Ein Theologe und ein Psychologe geben Auskunft.
Ein Baby liegt in der Krippe. Es soll der Messias sein, der Welt Hoffnung bringen und vom Reich Gottes verkünden. Das Wunder namens Jesus wird kurz vor Weihnachten wieder greifbar. Abgesehen davon kennten viele Menschen das Gefühl ein Wunder erlebt zu haben. Es sind die plötzlichen Heilungen von Schwerkranken, die Erfahrung der Geburt oder die Versöhnung zweier Streithähne.
All das sind Wunder. Und sie haben etwas gemeinsam: Sie sind ganz persönliche Erfahrungen und nicht naturwissenschaftlich erklärbar.
„Jede Heilung, selbst bei der kleinsten Wunde, ist ein Wunder“, sagt der Theologe und Medizinhistoriker Karl-Heinz Steinmetz. Für den Spezialisten für Klostermedizin und Traditionelle Europäische Medizin steckt der menschliche Körper und Geist voller Wunder.
Kann jeder geheilt werden?
Karl-Heinz Steinmetz: Heilung ist nicht selbstverständlich. Letztendlich werden wir auch sterben. Deshalb ist jede Heilung ein Wunder.
Trotzdem besteht der Wunsch nach Wunderheilungen.
Ja, manche Menschen wünschen sich eine Wunderheilung. Aber jede Heilung ist ein Wunder und gute Ärzte wissen das. Manchmal greift die beste Medizin nicht und dann haben weder Arzt noch Patient die Heilung in der Hand.
Dramatisch wird es aber, wenn man sieht, dass die Medizin und die eigenen Heilungsversuche an Grenzen stoßen.
Was passiert dann?
Wenn es weder fünf Ärzte noch ich selbst es hinbringen, dass ich gesund werde, dann kommt eine Frage auf: Gibt es einen göttlichen Arzt, der einspringen kann? Das ist ein legitimer Wunsch.
Im Christentum sagt man: Wünschen kann ich, aber ich kann es nicht erzwingen. Hier gilt der Ausspruch von Jesus „dein Wille geschehe“. Dieser Vorbehalt ist immer da. Aber natürlich darf man sich das Wunder der Heilung erwünschen. Tu ich ja auch.
Wie erklären Sie sich ein Wunder?
Unter dem Wunderbegriff wird so viel versteckt. Ich selbst erkläre es mir so, dass mein Dasein allein schon ein Wunder ist. Ich bin ja nicht selbstverständlich.
Gibt es auch eine negative Seite an Wundern? Ich denke da an selbsternannte Wunderheiler usw.
Ich nenne das Mirakel Spektakel. Menschen wünschen sich Wunder in ihrem Leben. Da steckt eine Wirtschaft dahinter. Von der Esoterikmesse angefangen bis zur Ausbeutung von Menschen. Man kann mit der Sehnsucht der Menschen nach Wundern Schindluder treiben und sehr viel Geld verdienen.
Wie ist das mit Jesus? War er auch ein Wunderheiler?
Jesus von Nazareth war kein Anbieter von Gebrauchsesoterik oder Wunderheiler. Jesus erfüllt keine Wünsche und ihm geht es auch nicht nur um die körperliche Gesundung.
Jesus spricht den Menschen als ganze Person an. Es geht ihm um Glauben, Vertrauen und das Reich Gottes. Die körperliche Gesundung wird dazu geschenkt. Im Christentum geht es letztendlich nicht um Heilung, sondern um Auferstehung.
Ein Wunder können wir uns nicht naturwissenschaftlich erklären“, sagt Andreas Hergovich. Der Professor für Psychologie an der Uni Wien hat einen speziellen Forschungsschwerpunkt: den Aberglauben. Dazu zählt man auch den Glauben an paranormale übersinnliche Phänomene, wie Wunder oder Geister.
Andreas Hergovich: Ein Wunder ist ein persönliches subjektives Erlebnis. Dazu gehört nicht nur, dass etwas in der Welt passiert, sondern auch, dass sich etwas ereignet, das wir nicht verstehen können. Ein Wunder können wir uns auch nicht naturwissenschaftlich erklären.
Zum Beispiel…
Für Personen, die noch nie einen Hubschrauber gesehen haben und das erste Mal damit konfrontiert werden, wirkt das wie ein Wunder. Es zählt der persönliche Erlebensaspekt. Darum gibt es keine objektiven Wunder oder Wunder, die sich irgendwo in der Welt ereignen, ohne dass es jemand bemerkt.
Ist ein Wunder also ein parapsychologisches übersinnliches Phänomen?
Ja. Paranormale Phänomene kann man nicht naturwissenschaftlich erklären, z.B.: Wunderheilungen. Für die Geheilten ist ihre Heilung ein Wunder. Selbst wenn ein Arzt der Heilung nur eine geringe statistische Wahrscheinlichkeit gibt, ist und bleibt es für den Betroffenen ein Wunder.
Wie erklären Sie sich Wunderheilungen als Psychologe?
Als Kranker habe ich den Wunsch nach Gesundung. Also psychologisch ist der Wunsch da gesund zu werden, dann gesundet man und kategorisiert es als Wunder.
Manche Menschen beten für die eigene Heilung oder für andere. Glauben Sie, dass ein Gebet helfen kann?
Der Glaube kann Berge versetzen. Man könnte es auch als selbsterfüllende Prophezeiung oder Placeboeffekt deuten. Wenn man glaubt, dass ein Gebet helfen kann, dann kann es tatsächlich wirken, die Autoimmunabwehr fördern und die Person wird gesund.
Gibt es dazu Forschungen?
Man hat es mit Blindversuch getestet und für Kranke beten lassen. Für eine Hälfte der Versuchspersonen wurde gebetet, für die andere Hälfte nicht. Dadurch konnte man untersuchen, wie sich Gebet auf die Mortalitätsrate von Schwerkranken ausgewirkt.
Spannend ist, dass es kein Ergebnis bei jenen Kranken gibt, wenn sie nicht wissen, dass für sie gebetet wird. Wenn sie wissen, dass für sie gebetet wird, dann können sie aber eher gesunden.
Wie können Sie sich das erklären?
Wenn man weiß, dass für einen gebetet wird, erwartet man, dass einem geholfen wird. Man spürt die menschliche Zuwendung. Wenn man gläubig ist, glaubt man auch an die Wirksamkeit des Gebets.
Der Glaube kann innere Kräfte aktivieren, die dazu führen, dass die betroffene Person länger am Leben bleibt, gesundet oder das Gefühl hat, weniger zu leiden.
Sind Wunderheilungen also bloße Einbildung?
Ich erkläre es so: Wenn man schwer krank oder in einer Krisensituation ist und nicht mehr damit rechnet, gesund zu werden, dann erlebt der Betroffene seine Gesundung als Wunder. Wenn man nur einen Schnupfen hat, dann ist die Gesundung für einen persönlich kein Wunder.
Der Theologe und Medizinhistoriker Dr. Karl-Heinz Steinmetz ist Spezialist für Klostermedizin und Traditionelle Europäische Medizin
ao. Univ.-Prof. Mag. DDr. Andreas Hergovich ist Professor für Psychologie an der Universität Wien mit dem speziellen Forschungsschwerpunkt: Aberglaube
Sendung zum nachhören
Freitag, 15. Dezember, 17:30 Uhr:
„Vom Wunder, hören zu können“ Petra Trieb ist dreizehn Jahre alt, als sie eine Gehirnhautentzündung bekommt, ins Koma fällt, aufwacht – und nicht mehr hören kann. Eine Sendung von Gerlinde Wallner.
Montag, 18. Dezember, 17:30 Uhr:
„Schluck für Schluck“ – Eine Sendung über das Wunder einer Schwangerschaft, gestaltet von Michaela Necker.
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