„Uns verbindet ein besonderes Band“, sagt Irene über die Mutter-Tochter-Beziehung.
„Uns verbindet ein besonderes Band“, sagt Irene über die Mutter-Tochter-Beziehung.
Das ist die Geschichte meiner Schwester. Im November 2013 erhielt sie eine schreckliche Nachricht. Doch dann kam alles anders. Vom Wunder Leben und einer besonderen Beziehung zwischen einer Mutter und ihrem ungeborenen Kind.
Im November 2013 erfährt meine jüngere Schwester Irene, dass sie wieder schwanger ist. Die Familie erwartet das dritte Kind, ein Wunschkind.
Wir alle freuen uns für ihr Glück. Irene ist damals 31 Jahre alt. Der älteste Sohn, mein Neffe Philipp, ist 5 und seine Schwester Hannah 3 Jahre alt.
Die Schwangerschaft verläuft gut, bis zum Organscreening in der 23. Schwangerschaftswoche. Irene erinnert sich: „Zu klein, zu wenig Fruchtwasser, keine Nieren. Das dürfte wohl ein genetischer Defekt sein, hat die Ärztin gemeint. Es war einfach schrecklich. Es hat plötzlich nichts mehr gepasst. Die Ärztin wollte mich zur Fruchtwasserpunktion schicken und zum Schwangerschaftsabbruch.“
Nach dem zweiten Organscreening in einem anderen Krankenhaus, werden die Befürchtungen bestätigt. Und auch der Frauenarzt kann zwei Tage später keine Hoffnung geben: „Es war gar kein Fruchtwasser da. Mein Kind lag komplett im Trockenen. Alles war so zerdrückt. Es rührte sich nicht. Ich musste mich auf eine Totgeburt einstellen.“
Als meine Schwester mich nach der dritten Bestätigung durch Ärzte über den schlechten Verlauf ihrer Schwangerschaft anruft, bricht auch für mich eine Welt zusammen. Wie kann das sein?
Warum meine Schwester? Warum muss sie diese Last auf sich nehmen und ein totes Kind zur Welt bringen? Ich steige ins Auto und fahre zu ihr. Wir weinen zusammen.
„In dieser schrecklichen Zeit fühlten wir uns eingebettet in eine große Familie an Freunden und Verwandten, die für uns gebetet haben“, weiß Irene. „Und ich wollte mein Kind einfach nicht aufgeben. Ich habe zu ihm gesagt, wenn du bei uns sein willst, musst du ganz viel trinken. Ich habe dann auch mindestens vier Liter Wasser am Tag getrunken. Ich wollte diesen Kreislauf des Trinkens und Ausscheidens im Fruchtwasser aktivieren.“
Nach zehn Tagen gibt es wieder eine ärztliche Kontrolle. Im Ultraschallbild ist Wasser zu sehen. Bei diesem Termin erfährt das Ehepaar auch, dass sie ein Mädchen bekommen. Das Kind ist weiter gewachsen, Magen und Harnblase gefüllt. Der Frauenarzt kann es sich nicht erklären. Das sei für ihn Neuland, sagt er. Eine unbekannte Insel, auf der noch keiner war.
Die Schwangerschaft meiner Schwester ist eine emotionale Zitterpartie. Und ich bewundere ihre Stärke. Ein Arztbesuch folgt dem nächsten. Immer wieder leidet sie an der schlechten Arzt-Patienten Kommunikation.
Manche Ärzte demotivieren mit ihren Sätzen, andere wiederum machen ihr Mut. „Ich hatte oft das Gefühl, ich falle unendlich tief. Und gleichzeitig wusste ich, tiefer als in Gottes Hände kann ich nicht fallen.“
Dann wird Marie per Kaiserschnitt zur Welt gebracht. Und ist gesund. Alle Organe da. Keine Fehlbildungen. Kein multipler Chromosomenfehler.
Heute ist Marie ein dreieinhalbjähriges Kindergartenmädchen, klug und ihrer Mama sehr zugetan. Es ist, sagt meine Schwester, als wäre ein besonders starkes Band zwischen ihr und der Kleinen.
Ein Jahr nach der dramatischen Schwangerschaft wird meine Schwester unerwarteter Weise noch einmal schwanger. Der Schock sitzt anfangs tief.
Dann aber kommt das Gefühl dazu, dass das so sein soll. Damit Marie ein normales Leben führen kann, als ältere Schwester von Klara. „Der Alltag mit vier Kindern ist fordernd und Maries Geschichte ist nicht dauerpräsent“, sagt Irene. „Aber es vergeht fast kein Tag, an dem ich nicht diese Dankbarkeit spüren darf. Immer wieder warten und hoffen Menschen auf ein Wunder. Mir ist bewusst, dass wir besonders beschenkt worden sind.“
Was kann ich aus der Geschichte meiner Schwester lernen.
Erstens, wie wichtig die gute Kommunikation zwischen Arzt und Patient ist. Ein bestärkendes Wort, ein hoffnungsvoller Ausblick kann viel Kraft spenden. Eine düstere Aussicht, ein negativer Grundtenor viel Kraft nehmen. Und da ist dann noch dieser rätselhafte Teil der Geschichte. Und man kann das ruhig Wunder nennen.
Die Geschwister: Klara, Marie, Hannah und Philipp (von links nach rechts).
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Podcast von radio klassik Stephansdom:
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