Reinhard Gruber: „Höre ich im Dom etwa den Messias von Georg Friedrich Händel, dann merke ich, wie Gott leuchtet.“
Reinhard Gruber: „Höre ich im Dom etwa den Messias von Georg Friedrich Händel, dann merke ich, wie Gott leuchtet.“
Reinhard Gruber ist der Domarchivar von St. Stephan. Im Gespräch mit dem SONNTAG erzählt er von der Arbeit mit dem Vergänglichen und wie ihn der Funke Gottes immer wieder aufs Neue packt.
Wir sind ins Gedächtnis Gottes eingeschrieben und bei ihm gut aufgehoben“, sagt Reinhard Gruber. Er nimmt ein dickes Buch aus einem Regal, legt es vor sich auf den Schreibtisch und blättert darin. „So wie in den Matriken.“
Die Erinnerungen an das irdische Dasein verblassen aber; werden mit den Jahren unleserlich; verstauben oft. Reinhard Gruber: „Aber wir bleiben weiterhin bei Gott.“ Das beruhigt und tröstet ihn.
Reinhard Gruber ist 47 Jahre alt und seit 18 Jahren Domarchivar von St. Stephan. Geboren und aufgewachsen ist er in Stams in Tirol. Hier besuchte er das Stiftsgymnasium. Nach der Matura studierte er unter anderem Theologie an der Universität Innsbruck.
Matriken halten die wichtigsten Lebensereignisse von Menschen fest, aber nicht deren Bezug zum Glauben, erklärt Reinhard Gruber: Nur Taufe, Eheschließung, Tod und Begräbnis dokumentieren sie. Über 500 sind es allein im Domarchiv in Wien. Sie zeigen aber eines: Das Leben ist vergänglich. „Mit diesem Hintergrund lebe ich heute anders“, erzählt er.
Auch seine Familie geht mit dem Tod eines Angehörigen oder Nahestehenden anders um, als viele es heute vielleicht tun. „Als meine Oma im Sterben lag, sah sie mich an, so als wäre sie schon in der Ewigkeit“, erinnert er sich. Ihr Gesicht strahlte Friede und Zuversicht aus.
Reinhard Gruber: „Es war kein Exitus, sondern ein Transitus – ein Übergang in eine andere Welt.“ Dieses Erlebnis tröstet ihn und lässt ihn mit Zuversicht auf das Leben danach blicken.
Öfters am Tag betet Reinhard Gruber zu Gott, sagt zu ihm bewusst Danke. „Gott, du bist da“, ruft er ihm im Stillen zu – an verschiedenen Orten: in der U-Bahn, unter der Dusche oder im Dom. Auch in Begegnungen mit Menschen erkennt er immer wieder seine Nähe.
Es gibt manchmal auch Tage und Momente, erzählt er, an denen er ihm nicht so nahe scheint. Dann sagt Reinhard Gruber: „Herr, lass nicht zu, dass ich mich von dir trenne.“ Das ist aber mittlerweile sehr selten, gibt er zu.
Reinhard Gruber erzählt aber auch von Situationen, in denen er sich fragt, ob tatsächlich jeder Menschen ein Abbild Gottes ist, da ihm einige voller Neid und Missgunst gegenübertreten.
Er lässt sie aber so sein, wie sie sind; begegnet ihnen mit einer gewissen Gelassenheit. „Früher nahm ich das persönlich. Aber heute sehe ich darüber hinweg.“
Reinhard Gruber nimmt einen Rosenkranz aus seiner Hosentasche. „Diesen trage ich immer bei mir“, erklärt er. Er betet zwar nicht mit ihm, aber er spürt ihn gerne in seinen Händen. Auch erinnert ihn dieser an seine Oma.
Wann spürt er die Nähe Gottes? „Höre ich etwa den Messias von Georg Friedrich Händel, dann merke ich, wie Gott leuchtet“, erzählt er begeistert.
Selten hört Reinhard Gruber sie auf CD, weil er muss sie „live“ erleben – etwa bei einer Aufführung im Dom oder im Konzerthaus. „Ja, diese Musik packt mich. Ich falle mit ihr fast in Trance.“ Sie stärkt ihn; auch er vergisst dabei den Tod und die Vergänglichkeit. „Durch sie erlebe ich die Wahrhaftigkeit Gottes.“
Diesen Rosenkranz trägt er immer bei sich. Er spürt ihn gerne in seinen Händen und er erinnert ihn an seine Oma.
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