Indem ich Gutes tue, kann ich Allianzen mit Menschen bilden, die anderer Weltanschauung sind oder andere religiöse Vorstellungen haben. Beim Gutestun treffen wir einander. (Otto Neubauer)
Indem ich Gutes tue, kann ich Allianzen mit Menschen bilden, die anderer Weltanschauung sind oder andere religiöse Vorstellungen haben. Beim Gutestun treffen wir einander. (Otto Neubauer)
Otto Neubauer, Leiter der Akademie für Evangelisation im Herzen Wiens, verfügt über jahrzehntelange Erfahrung in Sachen Mission und hat in unzähligen Begegnungen erfahren, was die Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche für ihr Leben suchen.
Er kennt bestens den Entwicklungsprozess unserer Erzdiözese und erzählt im SONNTAG, was er von der Diözesanversammlung erwartet.
Wir treffen Otto Neubauer, kurz nachdem er von einem einwöchigen Aufenthalt in Srebrenica (Bosnien und Herzegowina) zurückgekehrt ist.
Dort wurde ein Projekt entwickelt, um für arme Heimkehrerfamilien Holzhäuser aufzubauen. „Darunter sind viele muslimische Familien. Aber eine Gruppe von Jungpolitikern und ich haben diesmal aus Gründen der Versöhnung für eine arme serbische Familie ein Haus gebaut“, sagt Otto Neubauer, Leiter der Akademie für Dialog und Evangelisation in Wien.
„Am 15. Juli 1995 wurden in Srebrenica über 8000 muslimische Männer getötet. Dieser Genozid hat eine tiefe Wunde im Land hinterlassen. Die Versöhnung zwischen Muslimen und Serben ist nach wie vor eine ganz schwierige Sache.“
Wie wird sich die Erfahrung der Jungpolitiker in Srebrenica in deren Tun und Leben in Österreich langfristig auswirken?
Es ist einmal die Erfahrung: Ich kann das Beste, was ich habe, einfach für andere einsetzen und das macht Freude. Gutes tun steckt so an, dass ich es mit anderen teilen kann, die vielleicht vorher eher ein Feindbild für mich waren.
Indem ich Gutes tue, kann ich Allianzen mit Menschen bilden, die anderer Weltanschauung sind oder andere religiöse Vorstellungen haben. Beim Gutestun treffen wir einander.
Plötzlich entdecken wir etwas Tolles im anderen und wir können gemeinsam etwas Tolles schaffen. Dies ist eine Sehnsucht eines jeden Menschen. Und damit kommen wir schon zum Kern von Mission: zu lieben, wie es uns Jesus gesagt hat – bis zur Feindesliebe. Das ist sozusagen unser größtes Geschenk.
Wenn wir von Mission reden, dann heißt das: Lasst uns zusammenkommen und uns gegenseitig stärken und ermutigen, lieben lernen und Gutes tun. Die Kraft dafür müssen wir aus der Beziehung zu Gott nehmen, denn er gibt uns diese Kraft zu lieben, weil allein würden wir dies nicht schaffen.
Wir alle kennen Srebrenica in uns, die Wunden unserer Gesellschaft. Wenn wir uns aber zusammentun, aus der Kraft des Glaubens leben, dann passiert etwas Großartiges und eigentlich ist der ganze Diözesanprozess nichts anderes.
Warum ist es ab und zu wichtig, ein Come-to-together, eine Diözesanversammlung wie jetzt in diesen Tagen, durchzuführen?
Eine der ersten Aufgaben in unserer Diözese ist es, unsere Gemeinden zu stärken aufzubauen und sie zu rüsten, vielleicht sogar neue Gemeinden zu gründen. Das bedeutet für die gesamte Diözese, sich in gewissen Abständen auch auszutauschen: Was läuft gut und wo stehen wir an?
Wir helfen uns gegenseitig, in dem wir zusammenkommen, Gemeinschaft bilden, miteinander beten, Gottesdienst feiern.
Es geht bei all unserem Tun um die Menschen. Unser Auftrag als Kirche ist es, dass wir für diese Welt da sind.
Was persönlich erwarten Sie von der Versammlung?
Ich freue mich einfach, die Menschen wieder zu sehen, ihre Geschichten zu hören. Die Erfahrung der Gemeinschaft ist für mich etwas ganz Starkes. Vor allem auch das Lachen, das starke Erlebnis des gemeinsamen Betens.
Ich erhoffe mir, dass wir uns gegenseitig auch viel Neues zutrauen, weil die Menschen von heute darauf warten, dass wir in diese Zeit hineinsprechen.
Es gibt sehr viele Menschen, die nichts mit der Kirche zu tun haben wollen und dennoch eine Sehnsucht nach Glauben haben. Wir müssen Schritte zu den Menschen machen und dürfen nicht erwarten, dass sie zu uns kommen.
Leben nicht viele Menschen christlich und sie wissen es gar nicht?
Wir sollen uns hüten, überhaupt die Menschen in Schubladen zu stecken. Das Allerwichtigste ist, dass jeder Mensch von Gott zutiefst geliebt wird. So schaue ich den Menschen an, ob er jetzt in der Kirche ist oder nicht.
Prinzipiell ist in uns der Ruf angelegt, dass wir lieben und geliebt werden wollen. Das vereint uns zutiefst. Und das kann sich bei den Menschen unterschiedlich äußern: Jemand hilft dem Nachbarn, eine Arbeit zu finden. Oder ein Mensch, der gar kein Christ ist, findet in der Bibel Orientierung und Kraft.
Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil gilt die Einladung: „Kommt alle Menschen guten Willens zusammen!“
Von denen gibt es so viel mehr, das realisieren wir oft gar nicht. Wir sind so fixiert auf uns selber, auf unsere Kirchen und Gemeinden. Pfarrleute, die Projekte auf die Beine stellen, merken, es helfen Menschen mit, die keine besonderen Kirchgänger sind. Vielleicht trauen wir ihnen zu wenig zu, dass wir auch den Glauben mit ihnen teilen können.
Da gilt es, neue Wege zu suchen, wie uns das trotzdem gelingen kann.
Ist nicht so ein Schritt auch Ihr neuestes Buch „Mission Possible“?
In unserem christlichen Missionsbuch kommen von Atheisten bis zu ganz frommen Missionaren und Eiferern für den Herrn alle vor, weil wir wie Papst Franziskus sagen: „Die solidarische Karawane ist entscheidend.“ Mit allen bilden wir Solidarität. Alle Menschen guten Willens nehmen wir mit auf dem Weg.
Ich hoffe, dass das Buch auch für Menschen, die jetzt mit unseren Glauben weniger zu tun haben, eine Anregung sein kann, vielleicht sogar ein wenig sich anstecken zu lassen und da und dort mitzumachen.
Ebenfalls hoffe ich, dass es vor allem für die Pfarren, für die Kirche vor Ort, eine echte praktische Hilfe ist, wie ich heute Mission umsetzen kann – und wenn es nur für den Alltag ist – und wie ich Gespräche mit anderen über den Glauben führen kann.
Was sagen Sie Menschen, die immer wieder Rückschläge in ihrer pfarrlichen Arbeit erfahren?
Jeder von uns macht immer wieder die Erfahrung, dass etwas nicht so funktioniert, wie wir das gerne hätten. Das ist in jeder Reform der Fall.
Da wir uns als Schwestern und Brüder verstehen, hören wir einander zu, teilen gemeinsam Leid und Freude und geben uns gegenseitig Kraft. Die Wirklichkeit der Kirche Christi ist so unterschiedlich, reich, vielfältig.
Es gibt nicht nur einen Weg, es gibt viele Wege. In der Vielfalt Gemeinschaft zu bilden ist die eigentliche Herausforderung der Diözesanversammlung. Es gibt nicht nur ein Erfolgsmodell, davor würde ich wirklich warnen.
Jeder von uns ist in Wahrheit ein Erfolgsmodell, in jedem steckt viel mehr drinnen. Wir haben die Aufgabe, dieses im anderen zu wecken.
Das Wunderbare im Christentum ist, dass jemand mit uns Erbarmen hat und gütig ist, der uns in jeder Situation ganz und gar annimmt. Jesus sagt zu uns: Wir sollen gütig sein und nicht über Mitmenschen urteilen.
Wir sollen Mitleid mit Menschen haben, mitfühlend sein – das ist etwas Großes. Sich mitfreuen können ist noch viel größer, wenn jemand – egal ob Christ oder nicht – etwas Schönes erlebt. Da baut sich Gemeinschaft auf. Alles, was gut ist, wird von Gott geschenkt. Da beginnt eigentlich schon das Leben mit Gott. Der Sinn des ganzen Christseins ist es, die Familie Gottes zu sammeln. Damit ist die ganze Welt gemeint.
Papst Franziskus spricht sehr viel von Inklusion – einschließen, nicht exklusiv sein im Sinne von ausschließend. Jesus hat gesagt: „Wenn ich am Kreuz erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen.“ Das ist nicht exklusiv. D.h. nicht schauen, ob jemand genug fromm und kirchlich ist, sondern ihn einladen mitzumachen.
Einer der wesentlichsten Momente des Glaubens ist die Freiheit, weil Liebe nicht ohne Freiheit möglich ist. Ich gehe sogar soweit, Liebe hat Absicht – sie will lieben – aber die Innengestalt der Liebe ist absichtslos. Christus hat sein Leben gegeben, uns geschenkt. Wann jeder von uns entdeckt, wie groß diese Liebe ist, das kann vielleicht ein Leben lang dauern, aber nur in Freiheit.
Mission ist teilzuhaben am Leben der anderen. Ich entdecke im anderen den Reichtum, den Gott in dem Menschen angelegt hat. Dass ich glauben darf, dass es von Gott kommt, ist ein Geschenk, das ich mit anderen teilen darf. Und wenn jemand das Gutsein als Reichtum innehat, nehme ich es an, auch wenn der Bezug zu Gott noch nicht so stark da ist.
zur Person
Otto Neubauer
privat
Leben ist…
für mich viel Freundschaft. Es bedeutet viel Mahlgemeinschaft, viel gemeinsames Arbeiten und viele Geschenke von Jesus. Ich habe das Glück, dass ich eine große Familie haben darf. Wir feiern viel zu Hause. Das ist eine schöne Weise, sich gegenseitig zu beschenken.
Sonntag ist …
immer ein intensiver Tag, weil wir Gottesdienste gestalten und versuchen, für andere da zu sein. Der Tag bedeutet viel Zeit zum Essen und viel Lachen – einfach relaxen und es gut haben. Der Sonntag ist etwas ganz Essenzielles im Wochenrhythmus.
Glaube ist …
ich darf Gott vertrauen und mich ihm anvertrauen. Vertrauen, das über sich selber hinaus wachsen lässt, das heißt für mich zu glauben.
Mission Possible –
Praxis-Handbuch für Dialog und Evangelisation
Herder Verlag
ISBN: 978-3-451-38521-6
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