Thomas Stipsits: „Studien besagen, wenn es den Menschen in ihrer subjektiven Wahrnehmung schlecht geht, gehen sie ins Kabarett.“
Thomas Stipsits: „Studien besagen, wenn es den Menschen in ihrer subjektiven Wahrnehmung schlecht geht, gehen sie ins Kabarett.“
Der Kabarettist und Schauspieler Thomas Stipsits füllt bundesweit die Bühnen und ist immer wieder im Fernsehen zu sehen. Eigentlich hatte er aber ein ganz anderes Berufsziel. Privat findet er Ruhe in Kirchen.
Wien, Neubau. In eineinhalb Stunden beginnt der Kabarettabend im Stadtsaal. Thomas Stipsits wird gemeinsam mit Manuel Rubey mit dem Programm „Gott&Söhne“ auftreten. Davor findet er aber Zeit für ein Interview mit dem SONNTAG.
Wir treffen Stipsits im Künstlerzimmer. Couch und Spiegel zum Schminken gibt es hier. „Ja, ich habe Lampenfieber“, bekennt Stipsits, der sich als „Unterhaltungsindustrieller“ bezeichnet. Das Programm „Gott&Söhne geht in Wien bis Ende Dezember ins Finale.
In „Gott&Söhne“ geht es um eine Firma, die Glück verspricht. Auch die Todsünden spielen eine Rolle, wie passt das zusammen?
Es hat ein wenig ein faustisches Motiv drinnen. Man gibt mehr oder weniger seine Seele her, schenkt sein Leben einer Firma, dafür ist man dann glücklich.
Dabei geht es darum, wie weit man geht um glücklich zu sein. Die Leute, die dargestellt werden, scheitern letztendlich alle. Denn Glück ist nicht greifbar.
Wie definiert man Glück?
Ich bin mir sicher, wenn man eine Gruppe von zehn Menschen hat, gibt es unterschiedlichste Meinungen, was sie als Glück definieren würden. Sich so eine Frage zu stellen, hat uns einfach interessiert. Unser Zugang ist nur einer von mehreren.
Es ist ein Thema, das uns alle überleben wird. So Hightech kann die Welt gar nicht werden, dass dieses abstrakte, aber wichtige Thema Glück bleibt. Das Streben nach einem glücklichen Leben.
Wann sind Sie glücklich?
Ich habe das oft erlebt: Situationen, wo ich erst ein paar Jahre später draufgekommen bin, dass das eine Zeit war, in der ich richtig glücklich war, die ich aber unmittelbar gar nicht so als Glücksgefühl verspürte.
Sie haben auch ein Buch mit dem Titel „Das Glück hat einen Vogel“ geschrieben?
Die Glücksratgeberindustrie boomt derzeit, Bücher, bei denen im Untertitel steht: „So wie man leben soll, oder was macht das Leben schöner.“ Ich konnte zwar ein Kabarettprogramm über das Glück-Schreiben, aber ob ein Buch gelingt, wusste ich anfangs gar nicht.
Es war klar, das wird kein Glücksratgeber, sondern es geht um kleine Geschichten, in denen Menschen Glück erfahren haben.
Sie wollten aufgrund Ihres Talents aus Schulzeiten zwar Kabarettist werden, hatten aber beruflich eine ganz andere Vorstellung?
Das Kabarett war immer mein insgeheimer Berufswunsch. Aber ich habe vorher schon gedacht, ich gehe studieren oder mache „etwas Sicheres“. Ich wollte immer Religionslehrer werden. Ich habe im Gymnasium einen super Religionsprofessor gehabt.
Mich hat auch immer die Thematik fasziniert. Ich war aber dann der Einzige in unserer Schule, dem das Kunststück gelang, bei der ReligionsMatura durchzufallen.
Wie ist Ihnen das „gelungen“?
Ich habe mir unbedingt die Genesis, die Schöpfungsgeschichte gewünscht. Aufgrund eines Missverständnisses mit meinem Religionsprofessor habe ich das aber nicht gelernt. Im Fachgebiet hatte ich das Buch „Jesus in schlechter Gesellschaft“ von Adolf Holl. Während ich zu Holl ein „Sehr gut“ bekam gab es ein „Nicht genügend“ zur Genesis. Die Nach-Matura im Herbst ist gutgegangen.
Hat Sie diese Erfahrung davon abgehalten, Religionslehrer zu werden?
Nein, gar nicht. Ich habe den Zivildienst gemacht und wollte eigentlich in Wien an der Theologischen Fakultät inskribieren. Dann habe ich aber das Angebot erhalten, im Kabarett Niedermair mit meinem ersten Soloprogramm mehrmals aufzutreten.
Dann habe ich zu meinen Eltern gesagt, ich probiere es jetzt einmal, weil inskribieren kann ich ein Jahr später auch noch. Ich dachte mir, ich habe einen Plan B, wenn es als Kabarettist nichts wird.
Warum sind Kabarettprogramme so gut besucht? Haben die Menschen in ihrem Leben wenig zu Lachen?
Das ist eine interessante Frage. Studien besagen, wenn es den Menschen in ihrer subjektiven Wahrnehmung schlecht geht, gehen sie ins Kabarett.
Vielleicht ist es nett, sich manchmal zwei Stunden hineinzusetzen um die Sorgen und Gedanken des Alltags einmal abschalten zu können. Die Sorgen kommen aber oft von uns selber. Denn wenn ich Stress habe, kann ich alles zum Problem machen.
Wie wichtig ist der Glaube in Ihrem Leben?
Ich bin jemand, der gerne für sich im Stillen glaubt. Es gibt gerade in unserer Branche oft Diskussionen über Glaube und Religionen. Manche setzen den Glauben immer mit der katholischen Kirche gleich und Dinge, die in der katholischen Kirche passiert sind. Ich mache da schon eine Trennung.
2015 haben Sie das Lied „Flüchtling“ veröffentlicht. Ein Gegenpol, als in der Flüchtlingspolitik die Sprache radikaler wurde. Hat sich etwas verändert?
Flucht und Aufnahme haben auch mit meiner eigenen Geschichte zu tun. Meine Großeltern im Burgenland hatten in Folge der Kriegshandlungen in Ex-Jugoslawien in den 1990er Jahren vier Jahre ein Mädchen bei sich aufgenommen. Dadurch bekommt man einen anderen Zugang.
Ich habe nicht verstanden, warum sie verschreckt ist und kaum mit mir spricht. Wir haben dann ihre Mutter im zerbombten kroatischen Osijek besucht.
Wie gehen Sie und Ihre Frau mit Ihrer Bekanntheit um?
Wir sind da sehr geerdet. Meine Frau Katharina kommt aus einer Schauspielerfamilie, sie ist damit aufgewachsen. Ich komme aus einer Arbeiterfamilie, die Eltern waren immer sparsam. Ein Beispiel: Für den Heiligen Abend kaufte meine Mutter immer zwei Flaschen Cola und zwei Flaschen Kräuterlimo. Das gab es nur am Heiligen Abend.
So wie ich jetzt leben kann, ist ein unfassbarer Luxus. Es ist gut, wenn man Menschen einen schönen Abend bereiten kann, mehr ist es auch nicht.
Wann lachen Sie?
Ich finde grundsätzlich Menschen sehr spannend und lustig. Menschen in der U-Bahn zu beobachten, kann etwas sehr Humorvolles sein. Da kann ich immer etwas für ein Kabarettprogramm mitnehmen.
Sind Sie ein dankbarer Mensch?
Dankbarkeit ist ein großes Thema. Für mein Talent kann ich nichts, das ist Gott-gegeben und von den Eltern gefördert worden. Mittlerweile habe ich auch gelernt, das anzunehmen.
Thomas Stipsits
Persönliches:
geboren am 2. August 1983, in Leoben
Privates:
verheiratet mit Schauspielerin Katharina Straßer, zwei Kinder (Emil 4, Lieselotte 3 Monate)
Kabarettprogramme seit 2001: tiefkalt, Erbarmungslos, Griechenland oder die Legende des Heiligen Trinkers, Cosa Nostra, Bauernschach, Triest, Von Danzer bis Stinatz, Gott&Söhne, Stinatzer Delikatessen
Filme:
u.a. Tatort, Baumschlager, Gruber geht, Vorstadtweiber
Hobbys:
Lesen, Schach, Schallplatten, Oldtimer
Wie das vielfache Talent von Thomas Stipsits entdeckt und erkannt wurde, darüber spricht er in der Sendung „Lebenswege“ am 30. November um 17.30 Uhr auf radio klassik Stephansdom.
Privat:
Leben ist …
eine gute Zeit zu haben für sich selber, ohne dass das egoistisch gemeint ist.
Sonntag ist …
Zeit, um gemeinsam etwas mit unseren Kindern zu unternehmen. Durch den Schauspielerberuf meiner Frau und meiner Arbeit kann aber auch ein Mittwoch ein Sonntag sein, da wir sehr ungeregelte Arbeitszeiten haben.
Glaube ist …
für mich eine Art Rettungsboot in bestimmten Situationen. Ich bin kein großer Kirchengeher. Wenn wir auf Tournee sind, egal wo, gehe ich gerne in eine Kirche.
Aber nicht wenn ein Gottesdienst ist, sondern wenn niemand drinnen ist. Das sind für mich Kraftorte, wo man sich einfach einmal reinsetzt und seinen Gedanken freien Lauf lässt.
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