Elisabeth Seidl: „Ich habe mich gefragt: ‚Willst du wirklich weiter für Geld Werbung machen und mithelfen, reiche Leute noch reicher zu machen?‘“
Elisabeth Seidl: „Ich habe mich gefragt: ‚Willst du wirklich weiter für Geld Werbung machen und mithelfen, reiche Leute noch reicher zu machen?‘“
Der Tod ihres Bruders und ihr Jobverlust lassen Elisabeth Benedikta Seidl ihr Leben überdenken. Heute arbeitet sie in der Erzdiözese Wien und ist Oblatin des Schottenstifts.
Mit Ende vierzig ist Elisabeth Seidl Marketingleiterin in einem großen Beratungsunternehmen und verdient sehr gut. Sie ist erfolgreich – und wird von heute auf morgen gekündigt. So bitter der Jobverlust ist, er bringt Elisabeth zum Nachdenken. „Die Kündigung war wie eine Schaltstelle und ich habe mich gefragt: ‚Willst du wirklich weiter für Geld Werbung machen und mithelfen, reiche Leute noch reicher zu machen?‘“ Elisabeth will das nicht und macht sich auf die Suche nach etwas Anderem. Vier Jahre lang versucht die alleinstehende Wienerin beruflich neu Fuß zu fassen und landet schließlich in der Erzdiözese Wien, wo sie heute die Stabsstelle für Kommunikation und Netzwerke in der Kategorialen Seelsorge leitet. „Für mich ist das ein absolutes Wunder, dass ich mit Mitte 50 einen so erfüllenden Job, noch dazu in einer Leitungsfunktion, gefunden habe.“
Es war jedoch nicht bloß die Kündigung, die in Elisabeths Leben etwas ganz Neues in Gang gebracht hat, sondern ein schwerer Schicksalsschlag einige Jahre davor. 2007 stirbt Elisabeths Bruder völlig unerwartet. „Mein Bruder ist mit 44 Jahren umgefallen und war tot.“ Der Tod ist ein Schock für die gesamte Familie. In dieser schwierigen Zeit sind die Benediktinermönche des Schottenstifts in der Wiener Innenstadt für Elisabeth und ihre Familie eine große Stütze. „Ich bin mit den Mönchen groß geworden, wir sind am Sonntag immer dort in die Messe gegangen. Die Schotten waren nach dem Tod meines Bruders ein Halt für uns alle.“
Elisabeth setzt sich immer wieder in die Schottenkirche auf der Freyung, hört beim Chorgebet zu und hat viele Gespräche mit den Mönchen. In ihr wird eine Sehnsucht geweckt, die sie vorher nicht gekannt hat. Ihr Glaube schenkt ihr neue Freiheit und Vertrauen, „dass ich nicht tiefer fallen kann als in Gottes Hand.“
Irgendwann kommt ihr der Begriff „Oblate“ unter, und sie wird neugierig. „Ich habe gegoogelt, um zu schauen, was das ist.“ Elisabeth findet heraus, dass Oblaten ihr Leben Gott übergeben, nach der Regel des Hl. Benedikt in Verbindung mit einem bestimmten Kloster, aber in der Welt leben. Sie ist fasziniert und spürt: „Das ist mein Weg!“
Zum feierlichen Oblatenversprechen lädt Elisabeth viele aus ihrer Familie und ihrem Freundeskreis ein. „Für mich war das nicht nur eine Formalität, es hat mein Leben neu geprägt.“ Als Oblatin wählt Elisabeth einen neuen Namen, den sie seit ihrem Versprechen als Zweitnamen führt: Elisabeth Benedikta Seidl. Von der Regel des Heiligen Benedikt, nach der die Mönche im Schottenstift ihr Leben ausrichten, ist sie begeistert. „Benedikt hatte eine unglaubliche Menschenkenntnis. Er sagte im 6. Jahrhundert Dinge, die für uns heute noch gelten.“
Im Mittelpunkt steht die Gottsuche, mit dem rechten Maß und nicht als „geistlicher Hochleitungssport“. Gott in allem, was man tut, verherrlichen. „Bei der Arbeit, beim Geschirr waschen, auch beim Autofahren, zum Beispiel indem ich rücksichtsvoll fahre.“ Bei den Schotten ist Elisabeth fast täglich und nimmt an der Abendliturgie teil. „Danach bleibe ich noch eine Stunde in der Kapelle. Ich bin einfach da vor Jesus, er schaut mich an, ich schaue ihn an. Manchmal schlafe ich ein.“ Zum Morgengebet um sechs schafft Elisabeth es selten. Denn eine Frühaufsteherin ist sie nicht. Ihr Vorsatz in der Fastenzeit: Ein oder zweimal in der Woche auch morgens mit den Mönchen zu beten.
Elisabeth Benedikt Seidl ist Oblatin des Schottenstifts.
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