Rainer und Vera Juriatti. Er sagt: „Der Tod eines Kindes ist noch einmal zusätzlich ein Drama, weil wir wissen, dass wir schwanger waren. Wir planen alles in unserem Leben. Und dann planen wir ein Kind. Und dann erfüllt sich der Kinderwunsch nicht.“
Rainer und Vera Juriatti. Er sagt: „Der Tod eines Kindes ist noch einmal zusätzlich ein Drama, weil wir wissen, dass wir schwanger waren. Wir planen alles in unserem Leben. Und dann planen wir ein Kind. Und dann erfüllt sich der Kinderwunsch nicht.“
Sternenkinder, das sind Kinder, die vor, während oder nach der Geburt mit weniger als 500 Gramm Gewicht sterben. Fünf Sternenkinder und zwei Kinder haben Rainer und Vera Juriatti. In den „Passionswegen“ sprechen sie über
An- und Abwesenheit von Kinderglück.
Viele Paare sind Eltern eines Sternenkindes – darüber geredet wird aber kaum. Rainer und Vera Juriatti wollen das aber. Wir treffen das Ehepaar, das in der Steiermark lebt, bei einem Wienbesuch.
„Wir waren sieben Mal schwanger“ sagt Rainer. Jedes Mal ist die Hoffnung auf gemeinsames Familienglück groß, zwei Mal wird sie ihnen auch geschenkt. Sohn Tonio und Tochter Chiara stehen heute mitten im Leben. Aber es gibt auch fünf Mal Hoffnung verbunden mit Trauer, da die Schwangerschaft mit einer Fehlgeburt endet.
Die Fehlgeburten liegen 20 Jahre zurück. Vera Juriatti ist zu dieser Zeit Krankenschwester an der Gynäkologie und kennt solche Schicksale bereits vor ihren persönlichen Erfahrungen. Dennoch sagt sie, „erst wenn man so etwas selbst erlebt, weiß man, wie es diesen Frauen psychisch und physisch geht.“
Rainer und Vera lernen sich in Vorarlberg kennen. Die gebürtige Steirerin ist Krankenschwester in Bludenz, er Zivildiener. Das Paar zieht zusammen und heiratet.
Der Kinderwunsch ist von Anfang an bei den Juriattis präsent. „Ja, es hat ziemlich gleich einmal funktioniert und dann leider mit Tränen geendet, das Kind ist abgegangen“, so Vera, damals 24 Jahre alt. „Das ist natürlich ganz schlimm, wenn man vom Arzt hört, es ist kein Herzschlag mehr sichtbar. Zu dem Zeitpunkt war auch eine Freundin von uns schwanger. Eine andere Freundin hat zur gleichen Zeit gerade ein Kind bekommen.
Da hinterfragst Du, warum trifft es jetzt mich? Und warum ist das nicht gut gegangen? Man sieht viele Schwangere und ganz viele Kinderwägen. Und es macht traurig, ja“, blickt Vera zurück. Rainer ergänzt: „Der Tod eines Kindes ist noch einmal zusätzlich ein Drama, weil wir wissen, dass wir schwanger waren. Wir planen alles in unserem Leben. Und dann planen wir ein Kind. Und dann erfüllt sich das nicht. Und dann geht es Dir natürlich so, dass Du wie in ein Vakuum fällst. Was soll aus dem werden, das da jetzt nicht funktioniert?“
Auch eine zweite Schwangerschaft scheitert. Vera führt ein langes Gespräch mit einem Arzt. Ein paar Tage später ist ein Brief von ihm im Postkasten, darin steht: „Frau Juriatti, sie werden so viele Kinder bekommen, wie sie möchten! Und vielleicht hat da mein Hirn ein bisschen abgeschaltet und gesagt, ja passt. Und ein paar Monate darauf war ich schwanger mit unserem Sohn Tonio“. Tonio kommt gesund zur Welt, doch die Juriattis möchten eine größere Familie werden, sind doch beide Elternteile mit mehreren Geschwistern aufgewachsen.
Aber eine erneute Schwangerschaft endet wieder mit einer Fehlgeburt – und darauf kommt es zum dritten Mal zu einer Fehlgeburt. Rainer sagt heute: „Man hat dann das Gefühl, dass das, was uns als Paar verbindet, scheinbar nicht funktioniert. Und wenn es ein drittes Mal passiert, bist Du Dir dann gewiss, dass es nicht funktionieren wird. Das wird zu einem Konflikt und man stellt die ganze Lebensplanung mit diesem Menschen in Frage.
Für uns war aber eigenartigerweise immer klar, dass wir die Hoffnung nicht aufgeben. Wir haben die Hoffnung nie verloren. Und auch in Gesprächen, die sich um das gedreht haben, war bei uns immer die Conclusio, wir bleiben natürlich zusammen, weil wir uns gerne haben. Das haben aber sehr viele Paare nicht, das muss man ganz klar und ganz eindeutig sagen. Viele Beziehungen zerbrechen in solchen Situationen.“
Vera und Rainer Juriatti verlieren nie die Hoffnung auf weiteren Nachwuchs. Rainer: „Die Wochen der Freude hat uns nie jemand nehmen können. Das ist das Wesentlichste. Aber natürlich habe ich klassisch, wie viele Männer, ganz viele Kompensationen gesucht. Sei das in der Arbeit, oder im Vergnügen. Ich musste mich ablenken.“
Zwei Jahre nach Tonio endet eine weitere Schwangerschaft mit einer Fehlgeburt. Es ist das vierte Sternenkind der beiden. Rainer nimmt sich eine eigentlich kaputte Kamera von einem Arzt im Krankenhaus und es gelingt ihm, vom toten Kind ein Foto zu machen. Pablo, diesen Namen geben ihm beide, ist so zumindest in bildlicher Erinnerung. Rainer widmet später Pablo auch ein Buch, in der er seine Gedanken aus den Zeiten der Schwangerschaft und den Sternenkindern mit seiner Frau Vera niederschreibt.
Später endet eine erneute Schwangerschaft mit einer fünften Fehlgeburt. Doch auch diesmal geben die Juriattis die Hoffnung nicht auf – und sie bekommen eine gesunde Tochter namens Chiara.
Obwohl Rainer in den schwierigen Zeiten – besonders nach dem Tod Pablos – „massiv mit Gott gehadert“ hat, sagt er heute: „Bitte glaubt daran, es gibt einen Gott, ja. Und er ist ja die Hoffnung am Ende. Ich glaube auch, dass Gott die Hoffnung in unserer Beziehung war, über zwanzig Jahre hinweg – und über die Krisenjahre der Fehlgeburten.“
Buchtipp:
Rainer Juriatti
Die Abwesenheit des Glücks.
Das ist die Geschichte von Rainer Juriattis Sternenkinder, besonders seines viel zu früh geborenen und gestorbenen Sohnes – Pablos Geschichte.
Limbus Verlag.
ISBN: 978-3-99039-127-3.
Mehr Informationen: www.juriatti.net
Radiotipp:
„Die stille Geburt“ – Wenn Babys zur Welt sterben.
Die Sendung von Stefan Hauser hören Sie
am Samstag, 6. April, von 19 bis 20 Uhr.
DaCapo am Mittwoch, 10. April, von 19 bis 20 Uhr.
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