Brigitte Koliander (hier bei einer Demo) „Hier im Schubhaftzentrum fühlen wir uns oft ohnmächtig, weil wir nicht helfen können. Wir treten mit diesen Menschen vor Gott und rufen zu ihm ,Tu doch ein Wunder‘ und hoffen gemeinsam auf seine Hilfe.“
Brigitte Koliander (hier bei einer Demo) „Hier im Schubhaftzentrum fühlen wir uns oft ohnmächtig, weil wir nicht helfen können. Wir treten mit diesen Menschen vor Gott und rufen zu ihm ,Tu doch ein Wunder‘ und hoffen gemeinsam auf seine Hilfe.“
Brigitte Koliander feiert mit Schubhäftlingen die Heilige Messe und teilt Suppe an Bedürftige aus. Die Kraft dafür bekommt sie von Gott.
Jeden Samstag in der Früh packt Brigitte Koliander ihre Gitarre ein und fährt mit einer kleinen Gruppe von Freiwilligen, zwei Ordensschwestern und einem Priester in eines der beiden Schubhaftzentren in Wien.
Um halb neun feiern sie dort die Heilige Messe. Mit Menschen, die auf ihre Abschiebung warten. „Vor zehn Jahren habe ich mich mit einer zweiten Frau aus der Pfarre dazu entschlossen, etwas für die Schubhäftlinge zu tun. Seitdem fahre ich jeden Samstagvormittag dorthin“, erzählt die Naturwissenschaftlerin, die an der Pädagogischen Hochschule unterrichtet.
Eine Ausnahmesituation ist dieser Gottesdienst, sagt die 59-jährige Wienerin, eine Stunde Auszeit vom Warten auf die Abschiebung für die Schubhäftlinge. „Wir fühlen uns oft ohnmächtig, weil wir nicht helfen können. Wir treten mit diesen Menschen vor Gott und rufen zu ihm ,Tu doch ein Wunder‘ und hoffen gemeinsam auf seine Hilfe.“
Nicht alle der Mitfeiernden sind katholisch, viele kommen aus Nigeria und sind freikirchliche Christen, andere sind orthodox. Manche kommen zum Beten, auch wenn sie keine Christen sind.
Schon oft hat der Glaube der Schubhäftlinge Brigitte beeindruckt. „Sie haben zum Teil so ein Vertrauen, dass Gott ihnen auch bei den Alltagsdingen hilft und bitten um ganz konkrete Dinge.“ Die Fürbitten in der Heiligen Messe werden frei formuliert. Das ist für Brigitte anfangs ungewohnt, mittlerweile macht sie das auch.
Dass Brigitte heute gläubig ist, hat viel mit ihrem Religionslehrer zu tun. „Er hat für uns einen Meditationskurs organisiert. Fünfmal am Tag vierzig Minuten ganz ruhig sitzen. Da hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass es Kräfte gibt, die mich tragen können.“
Brigitte erlebt, dass Gott ihr Kraft gibt, um andere Menschen zu lieben. Und sie spürt, dass sie ein Werkzeug ist, durch das Gott in der Welt wirken kann. Sich Gott zur Verfügung stellen – Brigitte tut das in der Schubhaftseelsorge und wenn sie alle zwei Wochen mit dem Canisibus der Caritas durch die Straßen Wiens fährt und Suppe an bedürftige Menschen verteilt.
„Jedes Mal, wenn ich zum Canisibus fahre, bete ich: Herr, ich gebe dir meine Hände zum Suppe-Austeilen. Schau, dass die Suppe nicht ausgeht! Und wirklich die Suppe geht nie aus!“ Für die Wienerin ist das ein kleines Wunder.
In der Schubhaft und beim Suppe Austeilen: Brigitte ist mit schweren Schicksalen und viel Leid konfrontiert. Die Frage, warum es auf der Welt so viel Schlimmes gibt und wie ein allmächtiger Gott das zulassen kann, lässt sie seit vielen Jahren nicht los. „Ich habe das für mich nicht gelöst, da hadere ich immer wieder“, sagt sie.
Antwort hat sie keine, dafür aber einen Gedanken, der ihr im Zweifel hilft: Dass Gott – der Gekreuzigte – auch ein ohnmächtiger Gott ist, der den Menschen im Leid nahe ist.
Dass man auch in widrigen Umständen die Lebensfreude behalten kann, sieht Brigitte bei vielen der obdachlosen Menschen, die sich eine Suppe holen. „Viele haben so eine Freude am Leben, obwohl sie kein Geld und keine Wohnung haben.“
Beim Canisibus geht es manchmal auch lustig zu, erzählt Brigitte. „Wir scherzen viel und haben auch schon miteinander getanzt.“
Als die Gäste des Busses erfahren, dass Brigitte ihr Doktorat abgeschlossen hat, überraschen sie sie mit einem Blumenstrauß, formieren sich zur Band und spielen ihr zur Ehren. Brigitte erinnert sich: „Weil sie nicht gewusst haben, welches Lied zum Doktorat passt, haben sie ‚Happy birthday‘ gespielt.“
Brigitte Koliander: „Jedes Mal, wenn ich zum Canisibus fahre, bete ich: Herr, ich gebe dir meine Hände zum Suppe-Austeilen. Schau, dass die Suppe nicht ausgeht! Und wirklich die Suppe geht nie aus!“
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