Gabriel Gajger: „Früh am Morgen steige ich auf Hochhausdächer, staune über den Sonnenaufgang und begegne Gott in der Stille. Oder ich gehe spätabends raus, spaziere den Fluss entlang und versuche, meine Gedanken fallen zu lassen und zu beten.“
Gabriel Gajger: „Früh am Morgen steige ich auf Hochhausdächer, staune über den Sonnenaufgang und begegne Gott in der Stille. Oder ich gehe spätabends raus, spaziere den Fluss entlang und versuche, meine Gedanken fallen zu lassen und zu beten.“
Bis spät in die Nacht diskutiert Gabriel Gajger mit seinen Freunden im Café über Literatur und manchmal auch über Gott. Sichere Antworten fehlen ihm, dafür treibt ihn die Frage um: „Gott, wer bist du?“
Im Café Kafka im sechsten Bezirk, sagt Gabriel Gajger, trifft sich die Wiener Bohème. „Leute, die alles gelesen haben“ – Sartre, Camus, Dostojewski, Nietzsche – und die stundenlang diskutieren. Über Literatur, die Welt, über Sinn und Sinnlosigkeit des Lebens.
Gabriel, 20 Jahre, Maturaschüler und Gedichteschreiber, Geigenspieler, Graffitikünstler und Straßenmusiker, ist jeden Tag dort. „In diesen literarischen Kreisen gibt es eine unglaubliche Spannung. Ich versuche, in dieser Spannung zu leben und habe dort gelernt, zu glauben, angesichts von Zweifel.“
Als gläubiger Christ und gleichzeitig großer Fan des französischen Philosophen Albert Camus, der nicht an die Existenz Gottes glauben konnte, ist sich Gabriel bewusst: „Der Zweifel ist berechtigt, ich kann ihn nicht einfach auflösen. Und ich kann den Leuten dort nicht mit plakativen Sätzen über den Glauben kommen.“
In den Diskussionen über Gott in so manch langer Nacht mit viel Pfeifenrauch fühlt er sich den anderen als gläubiger Mensch in keinster Weise überlegen. „Mein Glaube ist ein Seiltanz und ich bin mit den anderen auf dem Seil. Antworten, wie man nach Camus glauben kann, habe ich auch keine.“
So behutsam Gabriel in die Diskussionen mit seinen literarischen Freunden geht, so leidenschaftlich sucht er nach Gott. Aufgewachsen in einer katholischen Familie, versucht er als Jugendlicher seine Antworten zunächst in der Esoterik zu finden.
Mit fünfzehn Jahren sagt Gabriel: „Wenn es Gott gibt, will ich ihn kennenlernen.“ Er nimmt sich jeden Tag eine Stunde Zeit, verkriecht sich in seinem Zimmer, praktiziert Zenmeditation und liest in der Bibel. „Und dann hat mich meine Mutter zu einem Seminar mit einem Franziskanerpriester eingeladen. Ich hab’ gedacht: Vielleicht bringt mir das was.“
Die Erkenntnis aus dem Seminar ist für Gabriel so einfach wie lebensverändernd: „Jesus lebt und ich kann ihm nachfolgen. Ich wusste, dass das die Wahrheit ist – das hat mich ganz als Mensch ergriffen.“
Für Gabriel beginnt eine „wilde Phase“. Er lacht, wenn er darüber erzählt: „Ich habe in der Bibel gelesen ‚Betet für die Kranken‘ und bin einfach raus und habe für Leute gebetet. Das war oft megapeinlich.“ Er will provozieren, trägt ein großes Holzkreuz um den Hals und auffallende Bibelsprüche auf dem T-Shirt. Stundenlang sitzt er im Zimmer, liest in der Bibel und wartet auf eine Antwort Gottes. Verrückt, sagt er, aber auch „echt schön!“. Es ist eine Zeit, in der er Gottes Wirken an sich und anderen erlebt.
Sein Glaube hat sich seitdem verwandelt. „Ich versuche, Gott jetzt immer mehr im Alltag zu suchen“, sagt Gabriel. Als Künstler beschäftigt ihn die Schönheit sehr: „Die kleinen Details sind mein Zugang zu Gott, das Staunen über das Schöne. Gott ist im Schönen.“
Gabriels Gebet: Früh am Morgen steigt er auf Hochhausdächer, staunt über den Sonnenaufgang und begegnet Gott in der Stille. „Oder ich geh spät abends raus, spaziere den Fluss entlang und versuche, meine Gedanken fallen zu lassen.“ Die Frage, die er dabei im Herzen trägt: ‚Wer bist du?‘ „Das ist für mich das schönste Gebet. Weil es so viel Raum offen lässt.“
Gabriel Gajger: „In den literarischen Kreisen im Café Kafka gibt es eine unglaubliche Spannung. Ich versuche, in dieser Spannung zu leben und habe dort angesichts von Zweifel gelernt, zu glauben.“
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