Christoph Schweifer: „Die Caritas macht den Unterschied zwischen einem sterbenden und einem lachenden Kind.“
Christoph Schweifer: „Die Caritas macht den Unterschied zwischen einem sterbenden und einem lachenden Kind.“
Was macht Christoph Schweifer nach 25 Jahren Caritas? Der Generalsekretär für Internationale Programme der Caritas Österreich erzählt über seine Beweggründe.
Mit 30 Jahren wird Christoph Schweifer Caritasdirektor im Burgenland. Elf Jahre später wird er nach Wien gerufen und leitet die gesamte Auslandshilfe. Nach einem Vierteljahrhundert will Christoph Schweifer die Caritas verlassen. Georg Gatnar hat für radio klassik Stephansdom nachgefragt.
Nach 25 Jahren sagen Sie, es reicht, und werden die Caritas mit 31. August verlassen. Warum?
Ich habe leichte Ermüdungserscheinungen und diese Aufgabe muss man mit frischem, wachen Blick angehen. Jetzt ist es gut, wenn jemand anderer diese Aufgabe übernimmt. Ich gehe aber mit einem großen Gefühl der Dankbarkeit.
Wie sind Ihre Zukunftspläne?
Ich habe viele Erfahrungen gewonnen, wie wir Menschen nachhaltig helfen. Dieses Wissen möchte ich gerne anderen NGOs weitergeben. Nach einer Findungsphase werde ich somit selbstständig.
Wie sind Sie zur Caritas gekommen?
Ich habe in der Diözese Burgenland als Sekretär der Katholischen Jungschar gearbeitet. Es folgte das Studium in Soziologie und Sozialmanagement. Der ehemalige burgenländische Bischof Paul Iby hat mich dann gefragt, ob ich Caritasdirektor im Burgenland werden will. Mit damals 30 Jahren war das eine mutige Entscheidung des Bischofs.
Warum der Schritt in die Caritasdirektion?
Burgenland war eine sehr schöne Aufgabe und uns ist viel gelungen. Nach 11 Jahren hat mich dann Caritaspräsident Franz Küberl gefragt, ob ich nicht diese internationale Aufgabe übernehmen will.
Was war Ihre schönste und schlimmste Erinnerung als Auslandshilfechef?
Es war im Libanon 2012. Dort lebte ein Vater mit seiner zweijährigen Tochter. Das Mädchen lag am Boden in einer Decke gehüllt. Sie hat stark gefiebert, weil sie in Syrien angeschossen wurde. Es war nicht sicher, ob das Mädchen überlebt. Das war bedrückend.
Zwei Jahre später war ich wieder dort. Das kleine Mädchen hat überlebt und ist mit den anderen Kindern herumgetollt. Das war nur durch die Hilfe der libanesischen Caritas möglich. Das macht den Unterschied zwischen Leben und Tod, zwischen einem sterbenden und einem lachenden Kind.
Ich durfte Sie ebenso 2013 nach Äthiopien begleiten. Hier haben Bauern das Kompostieren erlernt und hatten so mehr Ernteertrag. Sind es die einfachen Methoden, die aus der Armut führen?
Das stimmt. Es braucht jedoch immer mehrere Schritte, um Familien langfristig aus dem Hunger zu bringen.
Weltweit sind es vor allem Subsistenz-Bauern, also Alleinversorger, die hungern. Mit unseren Projekten helfen wir Bauern sich zusammenzuschließen, schaffen landwirtschaftliche Fortbildungsmöglichkeiten, oder bringen Frauen das Lesen bei. Wer nicht lesen und schreiben kann, wird auch am Markt nicht handeln können.
Diese Maßnahmen führen langfristig dazu, dass die Bauernfamilien Geld sparen, Überschüsse haben und dann Geräte kaufen. Das alles verändert das Leben der Menschen nachhaltig.
Die Caritas ist in ihrer Auslandshilfe den „Sustainable Development Goals“, kurz SDGs genannt, verpflichtet. Diese wurden bei der UN-Generalversammlung 2015 beschlossen: Was bedeuten diese Ziele?
Die SDGs sind die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen. Bis 2030 soll es weltweit keinen Hunger mehr geben, keine absolute Armut, alle Kinder sollen eine Schule besuchen und es soll so gewirtschaftet werden, dass unser Planet überleben kann.
Der Masterplan dazu sind die SDGs, das großartigste Projekt der Menschheitsgeschichte. Wir können in unserer jetzigen Generation erreichen, dass der Hunger Geschichte wird.
Die österreichischen Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit sind 2018 erneut gefallen: Auf 0,26% des Bruttonationalproduktes, das sind rund 1,2 Milliarden Euro – so tief wie seit 2004 nicht mehr. Was hat das mit den SDGs zu tun?
Das ist für mich ein Wermutstropfen, wenn ich zurückblicke. Es ist nicht gelungen, die österreichische Regierung zu überzeugen, ihren Beitrag zur Entwicklungszusammenarbeit zu leisten. Diese SDGs sind nur erreichbar, wenn alle Staaten mit machen.Konkret ist das 0,7% des Bruttonationalproduktes. Es entwickelt sich aber in die falsche Richtung.
Wir alle leben nur auf einem Planeten und hängen alle voneinander ab. Letztlich können wir in Österreich nur in Frieden leben, wenn Menschen an anderen Orten auch Chancen haben.
Darum ist diese Entwicklungshilfe nicht nur moralisch zu sehen, sondern als Investment in unsere eigene Zukunft. Dieses Investment unterlässt die Bundesregierung in einer schlechten Tradition seit Jahrzehnten.
Die Situation in vielen Ländern ist noch immer dramatisch. Doch statistisch gesehen geht es uns global zunehmend besser?
Es gibt noch viel zu viele Menschen, die hungern, 821 Millionen. Das ist ein Skandal, der nicht notwendig ist. In den 1990-iger Jahren waren es aber noch über eine Milliarde Menschen. Das zeigt: Veränderung ist möglich. Es gehen viel mehr Kinder in die Schule als je zuvor. Die Kindersterblichkeit ist gesunken. Das sind großartige Erfolgsgeschichten und jetzt müssen wir aber weiter machen.
Sie bereisen die Länder, aus denen die meisten lieber flüchten wollen. Wie gehen Sie mit so viel Leid um?
Auch nach so vielen Jahren ist es für mich bedrückend, Menschen in Elend zu sehen. Familien, die seit drei Tage hungern und nicht wissen, ob sie morgen etwas zu essen haben – das ist schwer zu ertragen.
Gleichzeitig begegne ich aber weltweit engagierten Menschen, die das ändern wollen. Diese unterstützen zu dürfen, gleicht das Leid mehr als aus. Das eine ist bedrückend und das andere ein Geschenk.
Wo finden Sie Ruhe und Zeit zum Abschalten?
Was immer hilft, ist Radfahren. Zudem lesen, meditieren und in die Kirche gehen. Das Größere spüren und das Bewusstsein zu haben, ja ich habe eine Verantwortung, aber ich bin nur ein Teil von etwas Größerem.
Haben Sie abschließende Worte?
Veränderung ist möglich und der Hunger kann beseitigt werden. Wir sammeln aktuell Spenden für unseren Kampf gegen den Hunger. Speziell im Kongo – aber auch in anderen Ländern.
Jeder Euro trägt dazu bei, dass es Menschen nachhaltig besser geht, dass Kinder nicht mehr an Unterernährung leiden. Das zu unterstützen ist das beste Investment überhaupt.
Christoph Schweifer in Kenia
Caritaspräsident Michael Landau sagt zum Abschied:
„Ich wünsche Christoph Schweifer alles Gute. Viel Erfolg, Gottes Segen und weiterhin diese positive Energie.
Mit Christoph zu reisen war immer ein Erlebnis. In der Ukraine sind wir einmal mit dem Auto stecken geblieben. Christoph hat dann gesagt: ‚Zu einer guten Reise gehören auch immer diese ganz schwierigen Momente dazu.‘ Das bleibt mir in Erinnerung.“
Radiotipp:
Aus seiner jahrzehntelangen Arbeit für die Caritas erzählt Christoph Schweifer im Sommergespräch auf radio klassik Stephansdom
am Montag, 29. Juli um 17.30 Uhr,
DaCapo am Sonntag, 4. August, 17.30 Uhr.
Christoph Schweifer
Geboren: am 24. Dezember 1964, stammt aus dem burgenländischen Kleinhöflein
Studium: HTL Mödling, Soziologie und Sozialmanagement
1994: Direktor der Caritas Burgenland
2005: Generalsekretär Internationale Programme Caritas Österreich
Was ist mir wichtig:
„Einen guten Beitrag zu leisten für ein gutes Zusammenleben für alle Menschen auf der Welt. Zudem am Schluss Danke sagen zu können, für viele Gelegenheiten, die ich geschenkt bekommen habe, und dass ich einen Beitrag leisten konnte. Und Danke für die vielen, die mitgeholfen haben.
Es ist nie eine Einzelleistung, sondern es geht immer nur gemeinsam.“
Leben ist…
Leben. Das, wofür wir da sind. Unsere Aufgabe ist es, andere dabei zu unterstützen in Fülle zu leben und ein gutes Leben zu haben.
Sonntag ist…
die Möglichkeit, die Tiefengrundierung des Lebens zu stärken.
Glaube ist…
die Gewissheit, dass wir alle Kinder Gottes sind und letztlich in der Barmherzigkeit Gottes geborgen sind.
weitere Lebens- und Glaubenszeugnisse
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