Hubert Gaisbauer: „Ich denke anders, ich lebe auch anders und ich mache verschiedene Dinge jetzt viel konsequenter.“
Hubert Gaisbauer: „Ich denke anders, ich lebe auch anders und ich mache verschiedene Dinge jetzt viel konsequenter.“
Hubert Gaisbauer war jahrzehntelang Rundfunkjournalist. Der Medienarbeit blieb er treu mit dem Schreiben von Büchern über Papst Johannes XXIII. und über die Enzyklika „Laudato si“ von Franziskus. Im Sommergespräch kommt er auf die aktuelle Umweltbewegung der jungen Generation, wie auch auf Moral und Zärtlichkeit zu sprechen.
Die Liebe zum Stephansdom ist eine große Konstante in meinem Leben“, gesteht Hubert Gaisbauer, als ich ihn zum Interview in Krems-Egelsee treffe. Gaisbauer war während des Studiums der Literatur- und Theaterwissenschaften Fremdenführer im Dom.
An Kunst ist er bis heute interessiert geblieben. Gaisbauers Bücherwand zieren Bände über den Schweizer Bildhauer Giacometti, bis hin zum norwegischen Maler Munch. Einzig einen „grünen Daumen, den habe ich nie besessen“, bekennt der heuer 80 Jahre alt Gewordene. Für den kleinen feinen Garten zeichnet daher seine Frau Renate verantwortlich.
Aber um die Umwelt einhergehend sorgt sich Hubert Gaisbauer und engagiert sich auch dabei. Denn zu seinen Ritualen gehört ein täglicher Spaziergang.
Wie haben Sie bisher den Sommer verbracht?
Eigentlich sehr ruhig hier in unserem kleinen Dorf. Ich gehe sehr gern in den Wald. Da bin ich eine Stunde unterwegs, da ist es am Morgen sehr kühl.
Merken Sie dabei eine Klimaveränderung?
Ja, durch die überdurchschnittlichen Hitzewerte. Im Wald erkennt man, dass die Fichten nicht mehr die Feuchtigkeit haben, die sie brauchen, weil sie Flachwurzler sind. Man sieht das und spürt das. Umso größer ist die Freude, wenn man wieder Falter entdeckt und die Vegetation am Trockenrasen an den Rändern der Äcker.
Sie nehmen die Umwelt genau wahr?
Ja, das ist ein Vorzug des Alters, das man Dinge erkennt, auf die man früher nicht so geachtet hat. Das habe ich auch in meinem Buch „Brief über die Welt“ über die Enzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus geschrieben, dass ich es den Eltern und den Großeltern sehr nahe lege und empfehle aus meiner Freude heraus, dass sie mit ihren Kindern und Enkelkindern auch die Natur entdecken können.
Beschäftigt Sie das Engagement der jungen Generation, die dafür auch auf die Straße geht in den „Fridays for Future“?
Ich finde es großartig. Ich hoffe, dass es nicht instrumentalisiert wird in irgendeiner Weise. Aber ich bin sehr begeistert davon. Ich spüre es auch in der Öffentlichkeit, dass diese „Fridays for Future“ etwas bewirken. Manche Politiker können einfach nicht mehr anders, als auch darauf zu reagieren. Ich war bei der ersten „Fridays for Future“-Demo in Krems und bin mitmarschiert und werde im September wieder dabei sein.
Papst Franziskus hat auf besorgniserregende Entwicklungen in der Umwelt schon 2015 in seiner Enzyklika „Laudato si“ hingewiesen. Ist er ein Vordenker?
In diesem Text hört man das Herz des Papstes schlagen. Gott sei Dank ist das die Enzyklika, die noch immer in der Welt Bewegung auslöst und auf Widerhall stößt. Bei der Lektüre habe ich mir gedacht, dass man das doch eigentlich auch jungen Menschen zur Kenntnis bringen müsste. Und so ist ein kleines Lesebuch entstanden, 28 Geschichten für meine Enkelin Caro, die damals zwölf Jahre alt war.
Hat diese Enzyklika auch mit Ihnen persönlich etwas gemacht?
Ja, ich finde darin sehr viel für mein Leben. Ich denke anders, ich lebe auch anders und ich mache verschiedene Dinge jetzt viel konsequenter.
Wie zeigt sich das?
Etwas, das sehr in Debatte ist und wo ich mich auch an Papst Franziskus angeschlossen habe, ist weniger Fleisch zu essen. Das tut mir gut, das tut der Umwelt gut und den Tieren. Oder der Umgang mit Abfällen und Plastik.
Wir brauchen da nicht denken, auf mich kommt es nicht an. Es kommt auf jede und jeden von uns an. Ich spüre, dass das jetzt langsam beginnt zu greifen. Ein neues Bewusstsein. Und ich hoffe, dass es sich bald auch zu den großen Mächtigen der Welt durchsprechen wird. Die sind noch immer ein wenig auf dem falschen Dampfer.
Es geht aber im Text des Papstes nicht nur um die Umwelt?
Ja, es geht um uns, es geht um die Menschen. Das Umweltthema ist ein Thema des Zusammenlebens. Und das diese wertvollen Impulse dann oft so verschattet werden. Da müsste man auch in der medialen Wahrnehmung viel mehr differenzieren.
Sind Sie ein „Opa for Future“?
Ich habe mir manchmal schon gedacht, „Opas for Future“ wären eine gute Sache, ich bin da sehr dabei.
In Ihrem neuen Buch „Schonungslos zärtlich“ bezeichnen Sie sich als überzeugten Moralisten. Was meint das?
Ich halte den Begriff Moral für ein wenig antiquiert und auch ein bisschen anrüchig. Man soll nicht moralisieren, sagt man. Das ist aber nicht gemeint. Nach meinem alten philosophischen Wörterbuch ist ein Moralist jemand, der sich bemüht, die Wahrheit, die Wirklichkeit und die Liebe nicht jeweils zu trennen, sondern zusammenzuführen und zusammen zu sehen. Wenn Liebe und Ehrlichkeit oder Wahrheit zusammenkommen, dann gelingt’s.
Papst Franziskus erwähnt oft in Ansprachen das Wort „Zärtlichkeit“. Wie sehen Sie das?
Ich glaube, man hat vielleicht auch so wie bei der Moral hier einen bisserl engen Begriff von Zärtlichkeit. Man denkt da sehr schön an gute und wichtige Liebkosungen oder Ähnliches. Das ist alles gut und schön, aber Zärtlichkeit ist mehr. Zärtlichkeit ist zum Beispiel, wenn ich den Papst zitiere, einem Bettler nicht eine Münze in seinen Becher zu werfen, sondern ihm die Würde zukommen zu lassen, die er hat. Das ist eigentlich Zärtlichkeit.
Motivierte nicht auch Johannes XXIII. zu Zärtlichkeit?
Er war der erste Papst, der Zärtlichkeit öffentlich demonstriert hat. Als er nach der Eröffnung des Konzils zu den Menschen am Petersplatz sagte: „Wenn ihr dann nach Hause kommt, gebt euren Kindern einen guten Kuss und sagt: ‚Dieser Kuss ist vom Papst.‘“ Das war für mich so ein erstes Signal.
Und genau auf dieser Linie und Ebene steht auch Papst Franziskus. Ich glaube, da fühlt er sich auch sehr wohl, wenn er sich auch mit Kindern unterhalten kann und ihnen begegnet. Kinder wollen angeschaut werden. Ein Baby, das nicht angeschaut wird, oder zu wenig, dem geht es nicht gut.
Ein Baby braucht aber auch Berührung, um sich zu entwickeln...
Berührung hat auch hier eine doppelte Bedeutung. Ich werde berührt, das heißt, es dringt etwas in mich ein und ich werde berührt. Ein medizinisch heilsames Mittel ist eine zärtliche Umarmung. Die braucht jeder Mensch, um seelisch gesund zu sein.
Welche Quelle die Heilige Schrift für Hubert Gaisbauer darstellt, das erläutert er im Sommergespräch auf radio klassik Stephansdom am
Montag, 26. August um 17.30 Uhr,
DaCapo am
Sonntag, 1. September, 17.30 Uhr.
Nachhören im Podcast
zur Person
Hubert Gaisbauer
Geboren am 22. Jänner 1939 in Linz
Ausbildung: Matura am Bischöflichen Gymnasium Petrinum Linz, Studium der Literatur- und Theaterwissenschaften in Wien
Beruf: von 1963 bis 1999 Radiojournalist beim Österreichischen Rundfunk, auch in leitender Position.
Privat: verheiratet seit 1963 mit Renate, zwei Töchter, ein Sohn
EINIGE BÜCHER:
„Ruhig und froh lebe ich weiter. Älter werden mit Johannes XXII.“,
„Ein Brief für die Welt“,
„Schonunslos zärtlich. Menschen-Bilder-Gedanken“.
Leben ist…
in Bewegung bleiben, offen bleiben, schauen lernen, hören lernen und bei den Menschen bleiben.
Sonntag ist…
für mich der Tag der Freiheit. Frei sein von den Pflichten der Woche und der Alltäglichkeit. Ein wesentliches Kriterium für einen gelungenen Sonntag ist für mich, dass etwas an Feierstimmung da ist. Etwas Gutes zu essen, gehört da für mich genauso dazu, wie bei einem Gottesdienst miteinander zu sein.
Glaube ist…
für mich, was im Hebräerbrief steht: „Glaube ist feststehen, in dem, was wir erhoffen“. An dem darf, will und kann ich nicht rütteln.
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E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at