Stefan Pollin: „Für mich ist die Begegnung mit Bedüftigen eine Glaubensquelle. Auf die Menschen zuzugehen, sie so anzunehmen wie sie sind, Wohlwollen und Freundschaft nicht an Bedingungen zu knüpfen.“
Stefan Pollin: „Für mich ist die Begegnung mit Bedüftigen eine Glaubensquelle. Auf die Menschen zuzugehen, sie so anzunehmen wie sie sind, Wohlwollen und Freundschaft nicht an Bedingungen zu knüpfen.“
Stefan Pollin und ein großes Team an Freiwilligen verteilen jeden Dienstag zweieinhalb Tonnen Lebensmitteln an Bedürftige. Kirche muss weit sein, sagt der 60-Jährige.
Dienstagvormittag, Pfarre Maria Lourdes im 12. Bezirk. Die Bude ist voll. Menschen kommen und gehen heim mit einem Vorrat an Lebensmitteln. Gegen einen Kostenbeitrag von 3,80 Euro nehmen sie Brot, Obst, Gemüse, Mehl oder Nudeln mit nach Hause.
Maria Lourdes ist eine von 15 Le+O Ausgabestellen in Wien. Durch das Caritas-Projekt Le+O können sich Armutsbetroffene mit Lebensmitteln eindecken und, wenn sie wollen, mit einem Sozialarbeiter oder einer Sozialarbeiterin sprechen.
In Maria Lourdes geschieht dies durch den Pastoralassistenten Stefan Pollin und ein großes Team an Freiwilligen. „Hundemüde, aber zufrieden“ ist er nach der Verteilaktion am Dienstag zu Mittag, sagt Stefan. „Wir verteilen zweieinhalb Tonnen Lebensmittel jede Woche an rund hundert Leute. Am Dienstagvormittag wurlt es hier voller Leben. Danach kommt immer eine zufriedene Müdigkeit.“
Seit 34 Jahren ist Stefan, gebürtiger Deutscher, Pastoralassistent in Maria Lourdes, seit 15 Jahren ist die Caritas sein Haupt- und Herzensthema. „Bei uns gibt es zwei Projekte, Le+O und Coffee to stay. Coffee to stay habe ich vor zehn Jahren ins Leben gerufen, das ist ein Nachmittag mit wohnungslosen Menschen und Leuten, die in Obdachloseneinrichtungen ein Dach über dem Kopf gefunden haben.“
Zusammen mit vielen, vielen Freiwilligen heißt er an die 200 Menschen, die jede Woche zu Le+O und Coffee to stay kommen, willkommen.
„Für mich ist die Begegnung mit diesen Menschen eine Glaubensquelle“, sagt der 60-Jährige. Auf die Menschen zugehen, sie so annehmen wie sie sind, Wohlwollen und Freundschaft nicht an Bedingungen knüpfen – Stefan ist zutiefst überzeugt davon, dass das im Sinne Gottes ist.
Er selbst handelt nach dem Grundsatz ‚Gott ist immer auf der Seite des Menschen‘ und plädiert für Weite und Offenheit in der Kirche. „Für mich gibt es nicht irgendwelche Auflagen oder äußere Kriterien, die zuerst erfüllt werden müssen, bevor man kommen darf.“
Stefan hütet sich davor, Menschen nach dem Augenschein zu beurteilen. „Man ist so schnell bei irgendeinem Bild von einem Menschen. Oft kann man aber auf den ersten Blick nicht erkennen, was alles in einem Menschen steckt.“
So wie Menschen, kann auch Gott nicht in eine Schublade gesteckt werden, meint Stefan. „Für mich ist Gott ein großes Geheimnis. Ich kann ihn nicht erklären.“ Glaube ist Gnade, sagt Stefan, und nicht wie ein Paket, das man einmal bekommt und dann für immer sicher hat. „Mir ist es immer gut gegangen, wer weiß, welche Zweifel kämen, wenn ich zum Beispiel plötzlich schwer krank werden würde.“
Stefan versteht Menschen, die zweifeln oder sagen, dass sie nicht glauben können. Und spürt bei vielen, dass sie das Gute antreibt, auch wenn sie sich nicht als gläubig bezeichnen. „So wie eine Mitarbeiterin bei Coffee to stay. ‚Weißt eh, ich bin nicht gläubig‘, sagt sie und bäckt jeden Donnerstag zwei oder drei Kuchen. Das berührt mich. Da wird es weit.“
Stefan Pollin (hier auf einem Kampagnenplakat der Caritas): „Mein Grundsatz: Gott ist immer auf der Seite des Menschen. Deshalb plädiere ich für Weite und Offenheit in der Kirche.“
weitere Artikel:
Viel geben, um viel zu bekommen
Ein Lokalaugenschein in den Wiener Pfarren „Zu allen Heiligen“ und „Maria Lourdes“.
weitere Lebens- und Glaubenszeugnisse:
weitere Informationen zu
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at