Liebevolle Erinnern hatte der Pianist Paul Badura-Skoda, der bei den Piaristen in die Schule gegangen war, an den Heiligen Josef von Calasanz. Und er hat auch gelernt sich während der Nazizeit als Katholik zu bekennen.
Liebevolle Erinnern hatte der Pianist Paul Badura-Skoda, der bei den Piaristen in die Schule gegangen war, an den Heiligen Josef von Calasanz. Und er hat auch gelernt sich während der Nazizeit als Katholik zu bekennen.
Der Weltklasse-Pianist, Paul Badura-Skoda, war Schüler bei den Piaristen in Maria Treu. Am 25. September ist der gefeierte Pianist im Alter von 91 Jahren verstorben. Im Interview (Ende Juli geführt) spricht der „Grandseigneur der Musik“ über Erinnerungen an die Schulzeit und seinen Glauben.
Internationale Tourneen, viele Auszeichnungen und Ehrungen – die Liste Ihrer Erfolge ist lang. Fühlen Sie sich wie ein Star?
Paul Badura-Skoda: Nein, das nicht. Das war immer schon meine Eigenschaft, dass ich natürlich sein wollte. Nichts ist schwerer für die Menschen als natürlich zu sein. Ich habe dazu ein Goethe Zitat: „Wir kommen in einem unnatürlichen Stadium auf die Welt und es dauert lange bis es uns gelingt, natürlich zu werden“. Das kann ich nur bestätigen. Ich bin kein Star, aber ich bin einer der besten Pianisten unserer Zeit. Das kann ich ohne falsche Bescheidenheit sagen. Noch ein Goethe Zitat: „Nur die Lumpe sind bescheiden“. Bei Goethe findet sich alles, nicht nur in seinen Gedichten, Dramen, Romanen sondern auch in seinen Briefen; feine und tiefe Lebensweisheiten.
Die Piaristen feiern heuer 300 Jahre Piaristenpfarre Maria Treu. Gibt es eine besondere Erinnerung, die Sie mit den Piaristen verbinden?
Paul Badura-Skoda: Es gibt viele Erinnerungen. Eine davon ist die Erstkommunion. Es ist erstaunlich, wie viel davon mir noch im Gedächtnis geblieben ist. Ich staune noch heute, wie viel man bereits als Kind begreift. Die Transsubstantiation, „dies ist mein Leib“. Das war für uns gar kein Problem. Einer meiner Schulfreunde hat gesagt, das ist doch ganz klar, wenn wir Brot essen, wird das Brot in unseren Körper verwandelt. Warum nicht auch so mit Jesus.
Immer wieder das liebevolle Erinnern an Josef von Calasanz. Andere Erinnerungen waren das gemeinsame Theaterspielen. Wir hatten eine sehr aktive Jugendgruppe. Bei der ich auch während der Nazizeit auch immer noch teilgenommen habe. Ich habe gelernt, mich als Katholik zu bekennen, allerdings mit einer gewissen Vorsicht. Man kann nicht glauben, wie sehr schon die Kinder unter dem Pyscho-Druck der Nazis gestanden haben. Herrliche Erinnerungen an eine besonders schöne Wanderung: Ausgangspunkt Perchtoldsdorf und dann hinauf auf den Küniglberg.
Wen hatten Sie damals als Lehrer?
Paul Badura-Skoda: Wir hatten zunächst Pater Winkler, dann Pater Haumer und Pater Schmidt. Nur einmal in der vierten Klassen einen Nicht-Geistlichen, Josef Rössel. Und eine ganz rührende Persönlichkeit mit Frater Matthias Redleitner, der dann aber aus den Piaristen ausgetreten ist. Er musste Militärdienst leisten und ist sehr früh gefallen. Bis zu seinem Tod war ich in engster Verbindung. Er hat uns durch seinen unglaublichen Humor und seine liebevolle Art einen tiefen Eindruck hinterlassen. Der liebe Pater Edelmann leitete unsere Jugendgruppe.
Heute gehen Sie noch regelmäßig in die Piaristenpfarre. Was ist Ihr Zugang zum Glauben?
Paul Badura-Skoda: Mein Glaube kommt natürlich aus der Kindheit. Er war besonders intensiv, weil meine Mutter geborene Jüdin war. Mein Vater war bekennender Katholik. Wie sie sich verlobt haben, war es für meine Mutter selbstverständlich, dass sie zum katholischen Glauben übergetreten ist. Dadurch hatte ich ein sehr inniges Verhältnis auch zu meinen nicht-christlichen Verwandten.
Die Tatsache, dass wir nicht der gleichen Religion angehörten, hat nichts an unserer gegenseitigen Wertschätzung und Liebe geändert. Mein Vater muss ein sehr liebenswürdiger, fast heiliger Mensch gewesen sein. Ich habe nur Gutes über ihn gehört. Er ist an den Folgen eines Motorradunfalls gestorben, als ich vier Monate alt war. Ich habe keine direkte Erinnerung an ihn. Wir haben fast jeden Sonntag das Grab am Ottakringer Friedhof gemeinsam mit anderen Verwandten besucht. Für uns war der Friedhof eine fröhliche Spielstätte. Wir haben uns gefreut über Gräber, die wie Miniaturlandschaften ausgestattet waren. Ich vermisste nur, dass keine Eisenbahnlokomotive durchgefahren ist. Wir machten Spiele, Verstecken und Fangen, war ganz selbstverständlich.
Erst in den letzten Jahren kann ich nicht mehr regelmäßig zur Kirche gehen. Ich sage ganz offen ich bin an der Kippe zum Sterben. Das gibt mir auch eine besondere Beziehung zu den Heiligen und zu großen Komponisten, von denen viele früh aus dem Leben berufen wurden.
Mit klassischer Musik verbinden viele Menschen unterschiedliche Dinge. Wie beschreiben Sie einen Laien Ihren Zugang zur Musik?
Paul Badura-Skoda: Musik ist Liebe. Mein Zugang zur Musik hat sich ganz natürlich vollzogen. Meine Mutter hatte zwei sehr schöne Zimmer in der Wohnung zu vermieten. Unter den Anmeldungen für eines der Zimmer hat meine Mutter eine Klavierlehrerin, eine ausübende Pianistin, Frau Marta Wiesenthal ausgewählt. Mit sechs Jahren hat mein Unterricht bei ihr begonnen. In meiner Kindheit hatten wir eine Sammlung von Grammophon-Platten. Damals konnte ich schon selbst die Platten auflegen, ohne sie zu brechen. Ich hatte keine Ahnung wie eine Oper hieß, und ich konnte auch noch nicht lesen. Aber ich habe die Platten dadurch unterschieden, dass die Etiketten auf den Platten verschiedene Farben und verschiedene Größen hatten. Da gab es eine Platte, die habe ich die Schokolade-Platte genannt, weil sie braun war.
Jede Musik war für mich schön. Ich bin so in die Musik hineingewachsen, dass ich nach und nach, auch die kompliziertesten Werke der klassischen Musik in mich aufgenommen habe. Ich habe es immer wieder erlebt, gleich ob in Europa oder Südamerika, das diese Musik unmittelbar auf die Menschen wirkt. Gerade in der klassischen Musik ist etwas, was nicht Mode ist, sondern den tiefsten Kern unserer Persönlichkeit anspricht. Es gibt eine innige Beziehung zwischen Verehrung, Musik und Gebet. Wer Orgel spielt, betet doppelt. Ich habe auch schon auf der Piaristen-Orgel gespielt. Ich hatte das Privileg auch im Chor der Piaristen mitzusingen bis weit nach dem Krieg. Schon meinen Schülern versuche ich beizubringen, dass klassische Musik eine Sprache ist. Es ist schon erstaunlich, wie oft in den Psalmen die Rede von Musik ist. Der Psalm 150 ist ja der Musik-Psalm schlechthin.
Welche Komponisten berühren Sie?
Paul Badura-Skoda: Ohne zu zögern sind das Schubert und Mozart. Beide drücken etwas aus, was man zwischen den Noten fühlen muss und zwar Liebe. Da komme ich zurück auf die größte Sünde, wenn man einem Menschen Liebe entzieht.
Sie können auf ein aufregendes Leben zurückblicken. Was können Sie unseren Kindern, Pädagoginnen, Eltern, Patres mitgeben?
Paul Badura-Skoda: Ich möchte ihnen Achtung mitgeben. Für mich sind Kinder, ja sogar, alles Lebendige, Göttesschöpfung, die man achten muss. Ich behandle Kinder nicht herablassend. Für mich ist ein Kind ein totaler Mensch und ein Mensch, der zu vielen Dingen, einen direkteren Zugang hat als wir Erwachsene. Wie die heilige Madre Teresa einst in einem Interview gesagt hat, wer sind die besten Lehrer? Die Kinder. Damit ist auch alles gesagt.
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