Univ.-Prof. Dr. Roman Kühschelm
Vorstand des Instituts für Bibel-wissenschaft an der Universität Wien.
Univ.-Prof. Dr. Roman Kühschelm
Vorstand des Instituts für Bibel-wissenschaft an der Universität Wien.
Warum diese Bitte Jesu im Johannesevangelium ein bleibender Auftrag für die gespaltene Christenheit ist, sagt der Wiener Neutestamentler Roman Kühschelm.
Der für ökumenische Bestrebungen immer wieder angeführte Vers „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast“ (Joh 17,21) steht gegen Ende des großen Gebetes zum Vater (auch „Hohepriesterliches Gebet“ genannt), das Jesu Abschiedsreden beschließt.
In der Stunde des letzten Mahles Jesu mit seinen Jüngern angesiedelt, blickt es doch deutlich über diese Situation hinaus, da der Evangelist hier – wie auch sonst – den Irdischen und den Auferstandenen zusammenschaut und ihn schon die Anliegen der später Glaubenden formulieren lässt.
Das zeigt bereits der Auftakt in V. 20: „Aber ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben.“
Was die nachdrückliche Bitte um Einheit der künftigen Gläubigen veranlasst (Falschlehrer, konkurrierende Gruppen, andere Spannungen?), sagt der Text nicht, er verdeutlicht aber mit einer „In-sein-Formel“: Wie der Vater und Jesus eins sind, sollen auch die Glaubenden eins sein, indem sie in die Einheit von Vater und Sohn („in uns“) aufgenommen werden. Diese ist damit nicht nur Vorbild für die Einheit, sondern auch ihr „Ermöglichungs- und Lebensgrund“ (R. Schnackenburg). Als solche ist sie nicht einfach machbar, sondern geschenkt.
Wesentlich bleibt aber, dass sich die Einheit in der Liebe realisiert, die in der Liebe zwischen Vater und Sohn ihren Urgrund hat: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe!“ (15,9).
Die Parallelaussage in 17,23 bestätigt: „So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich.“ Ähnlich der Schluss des Gebetes in 17,26: „...damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen.“
Auch die Liebe ist also Geschenk aus dem Verhältnis von Vater und Sohn. Dieses verpflichtet aber, wie das „neue Gebot“ der gegenseitigen Liebe nach Jesu Vorbild (13,34-35) betont, die empfangene Liebe weiterzugeben und zum Einssein zu gelangen. Nur so wird erreicht, was V. 21 am Ende formuliert: „damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast“ (vgl. V. 23).
Durch ihre mit Gott und Jesus verbundene Existenz und ihre daraus ermöglichte gegenseitige Liebe wird die christliche Gemeinde ein Zeugnis für die „Welt“, der trotz Ablehnung Gottes Liebe (3,16) und Christi Heilswerk gelten (3,17). Jesu Weigerung, für die „Welt“ zu beten (17,9), wird damit – im Blick auf die künftige Aufgabe der Gemeinde – positiv gewendet und zeigt das missionarische Interesse.
Nach Joh 17 sind es also nicht Institutionen, Ämter oder feste Traditionen, die die Einheit schaffen, sondern es ist die geschenkhafte Hineinnahme in die liebende Gemeinschaft von Gott und Jesus, die aber zur Weitergabe der empfangenen Liebe und zu geschwisterlichem Einssein drängt, und es ist die verpflichtende Sendung in die Welt, die zum Glauben an den von Gott Gesandten führen soll. (Dass es – mit Blick auf die Einheit – im 4. Evangelium auch eine spezielle Beauftragung mit der Hirtensorge und eine besondere Traditionsträgerschaft gibt, zeigt etwa die Zuordnung von Petrus und Geliebtem Jünger in Kap. 21).
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