Dialog mit der Orthodoxie: Papst Franziskus, Ökumenischer Patriarch Bartholomaios.
Dialog mit der Orthodoxie: Papst Franziskus, Ökumenischer Patriarch Bartholomaios.
Kardinal Kurt Koch, „Ökumene-Minister“ des Vatikans, zum SONNTAG: Über die anzustrebende Einheit der Christen, die Suche nach der eigenen kirchlichen Identität, über den Primat des Bischofs von Rom und die „geistliche Ökumene“.
„Die Einheit aller Christen wiederherstellen zu helfen ist eine der Hauptaufgaben des Heiligen Ökumenischen Zweiten Vatikanischen Konzils“, heißt es am Anfang des Ökumenismus-Dekrets des Konzils. Wie steht es um die Erfüllung dieser „Hauptaufgabe“?
KARDINAL KURT KOCH: Zu den wichtigsten Früchten der ökumenischen Öffnung des Konzils gehört die Wiederentdeckung, dass wir Christen aufgrund unserer gemeinsamen Taufe Schwestern und Brüder im Glauben sind.
Die zahlreichen Begegnungen, Besuche und Gespräche haben ein Netz von freundschaftlichen Beziehungen entstehen lassen, das das tragfähige Fundament für die ökumenischen Dialoge bildet.
Solche Dialoge hat die Katholische Kirche in der Zwischenzeit mit beinahe allen christlichen Kirchen und Gemeinschaften geführt und führt sie weiter; und aus ihnen konnten viele gute Früchte geerntet werden.
Bei all diesen positiven Ergebnissen darf aber nicht verschwiegen werden, dass das eigentliche Ziel, das das Konzil anvisiert hat, nämlich die Wiederherstellung der Einheit der Christen, noch nicht erreicht werden konnte. Sie ist und bleibt aber das Ziel der Ökumene, das das Konzil mit der Glaubensüberzeugung begründet, dass Christus „eine einige und einzige Kirche“ gewollt hat.
Christus selbst hat darum gebetet, dass seine Jünger eins sein sollen. Es gibt deshalb zur Ökumene keine Alternative.
In allen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften gibt es in den letzten Jahren eine neue Suche nach der eigenen Identität. Was bedeutet das für das ökumenische Gespräch?
KARDINAL KURT KOCH: Ein wahrhafter Dialog findet nur dort statt, wo er sich zwischen Überzeugungen vollzieht und wo beide Partner einander etwas zu sagen haben. Man kann nur einen Dialog führen, wenn man von der eigenen Identität ausgeht. Ansonsten führt man, mit Papst Franziskus gesprochen, einen „Scheindialog, einen Dialog in den Wolken“.
Was von jedem zwischenmenschlichen Dialog gilt, trifft erst recht auf den ökumenischen Dialog zu, bei dem es um Fragen des christlichen Glaubens und Lebens geht. Denn das Lebenselixier der Ökumene besteht im wechselseitigen Austausch der verschiedenen Gaben, der Reichtum und Herausforderung zugleich bedeutet.
Von daher ist die neue Suche nach der eigenen Identität, die man heute beinahe in allen christlichen Kirchen antrifft, nicht nur zu verstehen, sondern auch zu begrüßen.
Schwierig wird sie aber dort, wo an die Stelle der – in den vergangenen Jahrzehnten stets gewachsenen – Überzeugung, dass das, was uns schon eint, viel größer ist als das, was uns noch trennt, wiederum ein Vorgehen tritt, bei dem, etwa im Sinne einer „Ökumene der Profile“ oder einer forcierten „Differenz-Ökumene“, das Unterscheidende hervorgehoben und konfessionalistisch verabsolutiert wird.
Dann wird die Suche nach der eigenen Identität zum Hindernis für die Ökumene statt zur Chance gegenseitiger Verständigung und Bereicherung.
Was ist für Sie das Ziel der Ökumene? Wohin soll die ökumenische Reise gehen?
KARDINAL KURT KOCH: In seinem hohepriesterlichen Gebet bittet Jesus, dass die Jünger eins sein sollen, „damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast“ (Joh 17, 22). Die Einheit der Jünger muss deshalb von der Art sein, dass die Welt sie erkennen und zum Glauben kommen kann, dies heißt: Sie muss in der Welt sichtbar sein.
Die Katholische Kirche orientiert deshalb das Ziel der Ökumene an der Schilderung der Jerusalemer Urgemeinde in der Apostelgeschichte (2, 42).
In dieser erscheinen drei Elemente als für die Einheit der Kirche konstitutiv, nämlich
Die Einheit der Kirche als ökumenisches Ziel wird als Einheit im Glauben, im sakramentalen Leben und in den kirchlichen Ämtern verstanden.
Diese Zielvorstellung wird heute freilich von nicht wenigen protestantischen Kirchen und Gemeinschaften nicht mehr geteilt, sondern zugunsten des Postulats der gegenseitigen Anerkennung der verschiedenen kirchlichen Realitäten und damit als Teile der einen Kirche Jesu Christi ersetzt.
Wir müssen uns deshalb heute vor allem um einen neuen Konsens darüber bemühen, worin das Ziel der Ökumene besteht und wohin die ökumenische Reise gehen soll.
Es ist vor allem die Frage des Primats des Papstes, die uns von den Orthodoxen trennt: Welche Rolle spielt die Aufforderung Johannes Paul II. , über die Ausübung des Primats („Vorrangstellung“) nachzudenken?
KARDINAL KURT KOCH: In seiner wegweisenden Enzyklika über den Einsatz für die Ökumene „Ut unum sint“ hat der heilige Papst Johannes Paul II. die Einladung an die ganze Ökumene ausgesprochen, sich mit ihm auf einen geduldigen brüderlichen Dialog über den Primat des Bischofs von Rom einzulassen, und zwar mit dem Ziel, eine Form der Primatsausübung zu finden, „die zwar keineswegs auf das Wesentliche ihrer Sendung verzichtet, sich aber einer neuen Situation öffnet“.
Mit dieser Unterscheidung zwischen dem Wesen des Primats und der konkreten Form seiner Ausübung ist die Türe für eine ökumenische Verständigung über das Papstamt weit geöffnet worden.
Im ökumenischen Dialog mit den Orthodoxen Kirchen konnte diesbezüglich mit dem Dokument von Ravenna im Jahre 2007 ein wesentlicher Schritt vollzogen werden. In ihm wird betont, dass Primat und Synodalität wechselseitig voneinander abhängig sind und dass die Kirche auf allen Ebenen und damit nicht nur auf der lokalen und regionalen Ebene, sondern auch auf der universalen Ebene einen Primat braucht.
Weil Katholiken und Orthodoxe dies zum ersten Mal gemeinsam erklären konnten, stellt das Dokument von Ravenna einen ökumenischen Meilenstein dar.
Wann allerdings ein weiterführender Konsens über den Primat des Bischofs von Rom erreicht werden kann, ist gegenwärtig noch unabsehbar.
Um bei dieser schwierigen Frage weiterkommen zu können, müssen auf beiden Seiten Schritte aufeinander zu vollzogen werden, und zwar in der gemeinsamen Überzeugung, dass wir nicht zwei verschiedene Kirchen, sondern im Grunde die eine Kirche in Ost und West und deshalb in besonderer Weise verpflichtet sind, die Einheit im Leben und am eucharistischen Altar wieder zu finden.
Die „geistliche Ökumene“ wird als „Herzstück des Ökumenismus“ bezeichnet. Was ist darunter zu verstehen?
KARDINAL KURT KOCH: Am Beginn der Ökumenischen Bewegung stand die Einführung der Gebetswoche für die Einheit der Christen; und sie ist von allem Anfang an eine ökumenische Initiative gewesen.
Es ist das Gebet um die Einheit der Christen gewesen, das den Weg der Ökumenischen Bewegung geöffnet hat. Sie ist von allem Anfang an eine Gebetsbewegung gewesen und bleibt nur als solche lebendig.
Denn es kann keine Ökumene geben, die nicht im Gebet verwurzelt wäre. Mit dem Gebet bringen wir unsere Glaubensüberzeugung zum Ausdruck, dass wir Menschen die Einheit der Kirche nicht einfach machen und auch nicht über ihre Gestalt und ihren Zeitpunkt verfügen, sondern sie uns nur schenken lassen können.
Das Gebet um die Einheit macht uns bewusst, dass wir dem unverfügbaren Wirken des Heiligen Geistes Raum geben und ihm zumindest so viel wie unseren eigenen Bemühungen zutrauen sollen.
Die ökumenische Arbeit für die Einheit der Christen ist vor allem eine Geistliche Aufgabe, die in der Überzeugung getan wird, dass der Heilige Geist das ökumenische Werk begonnen hat und es auch weiterführen und vollenden und uns dabei auch den Weg zeigen wird.
In der Ökumene werden wir gerade heute nur weitere Schritte tun können, wenn wir uns in ihren spirituellen Wurzeln vertiefen und den geistlichen Ökumenismus verlebendigen, den Abbé Paul Couturier, ein ökumenischer Pionier, mit einem unsichtbaren Kloster verglichen hat, in dem die Christen verschiedener Kirchen in den verschiedenen Ländern gemeinsam beten.
Enzyklika
über den Einsatz für die Ökumene „Ut unum sint“
Kardinal Kurt Koch,
Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen,
Der Päpstliche Rat zur Förderung der Einheit der Christen
Ökumenischer Rat der Kirchen in Österreich:
Pro Oriente:
Ökumenische Stiftung der Erzdiözese Wien zur Förderung der Beziehungen zwischen Römisch-Katholischer Kirche und den Orthodoxen bzw. Altorientalischen Kirchen:
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