Martin Luther als Playmobilfigur – bereits eine Million Exemplare sind ausgeliefert.
Martin Luther als Playmobilfigur – bereits eine Million Exemplare sind ausgeliefert.
Eine Plastikfigur entwickelt sich zum „must-have“ in Kirchenkreisen. Auch der evangelische Bischof in Österreich, Michael Bünker, hat sie auf seinem Schreibtisch stehen. Warum der Playmobil-Luther mehr ist als ein Fan-Artikel, was bis heute an Martin Luther fasziniert und wo er in die Irre gegangen ist, erzählt Bischof Bünker im Sommergespräch mit Stefanie Jeller.
Vor allem Erwachsene wollen es haben: Ein Plastikspielzeug, 7,5 Zentimeter groß, Martin Luther als Playmobil-Männchen. Die erste Lieferung mit 34.000 Stück war bereits nach 72 Stunden vergriffen. Mittlerweile hat der Spielwarenhersteller eine Million Exemplare ausgeliefert, längst ist der Mini-Martin-Luther die erfolgreichste Playmobil-Figur aller Zeiten. Dabei gibt es sie gar nicht in Spielzeuggeschäften zu kaufen. Es handelt es sich nämlich um eine Auftragsproduktion der Nürnberger Tourismuszentrale.
Luther im Klein-Format ist aber mehr als ein Souvenir von einer Deutschlandreise im Jubiläumjahr der Reformation. Der Mann, der vor 500 Jahren seine Thesen an die Schlosskirche Wittenberg geschlagen haben soll und darin die Missstände in der Kirche kritisierte, beschäftigt uns bis heute. Das erzählt der evangelische Bischof Michael Bünker, auch er verschenkt übrigens gerne den Playmobil-Luther.
Eine Million Luther-Playmobilfiguren, was sagen Sie zu dieser Entwicklung?
Diese Plastikfigur hat keinen Hammer in der Hand! Wir wissen ja auch gar nicht, ob er die Thesen wirklich angeschlagen hat. Er hat auch kein Schwert, oder gar ein Leaser-Schwert, sondern eine Schreibfeder und ein Buch, natürlich die Bibel. Das ist also Luther als der, der uns die Heilige Schrift nahe bringt. So kann man ihn auch eine Million Mal gut annehmen.
Was macht die Faszination Luther heute aus?
Ich denke, es ist sein Mut und seine Beharrlichkeit. Es hat doch einiges an Entschlossenheit dazugehört, sich vor den Kaiser hinzustellen und die eigenen Schriften nicht zu widerrufen, wie das eigentlich alle von ihm erwartete haben. Er hat gewusst, das könnte ihm das Leben kosten. Als dann die ersten „Märtyrer der Reformation“ 1522 verbrannt wurden, war er tief erschüttert und hat sich gefragt, warum sie und nicht ich?
Wie war Luther als Mensch und Zeitgenosse?
Er war eine vielschichtige Persönlichkeit. Er hat zum Beispiel Lieder komponiert, mit seinen Studenten Musik gemacht, war ein musisch-kreativer Mensch.
Eine interessante Seite ist die Ehe mit Katharina von Bora: Sie eine entlaufene Nonne, er ein ehemaliger Mönch, ein unglaublicher Skandal damals! Aber Luther war ein guter Ehemann. Er hat die wirtschaftliche Führung des großen Haushalts völlig seiner Frau überlassen, denn das war nicht seine Stärke. Er war ein liebevoller Vater, die Kinder sind zum Teil leider früh verstorben.
Er war ein Freund für viele, für manche ein lebenslanger Feind, und von starken Emotionen geprägt. Er war auch ein Mensch mit Schattenseiten.
Bis heute beschäftigen uns die am Ende seines Lebens unmäßige Polemik gegen den Papst, seine Äußerungen über die Türken, und ganz besonders seine antisemitischen Aussagen. Das muss man auch sehen.
Luther war judenfeindlich, warum?
Ja, manchmal geht seine Judenfeindschaft sogar über den damals üblichen kirchlichen Antijudaismus hinaus, eine antisemitische Haltung klingt tatsächlich an.
Man hat versucht zu unterscheiden: Auf der einen Seite den „jungen Luther“, der die jüdische Herkunft Jesu betonte, dem aber deshalb Verrat am christlichen Erbe vorgeworfen wurde.
Andererseits der „alte Luther“, der drei Jahre vor seinem Tod in der Schrift „Von den Juden und ihre Lügen“ polemisiert: Die Juden würden die Bibel falsch verstehen, man sollte sie vertreiben, die Synagogen niederbrennen, und die Jungen zu schwerer Arbeit zwingen.
Erschreckend, wenn man das liest, denn es wurde im Nationalsozialismus aufgegriffen und bis zur Massenvernichtung gesteigert. Man muss dazusagen, dass Luther zum Teil von seinem katholischen Erzrivalen Johannes Eck abgeschrieben hat. Ein merkwürdiger Konsens!
Wie geht man heute damit um?
Man kann das nicht aus seinen Schriften herausstreichen! Es steht da.
Die evangelische Kirche in Österreich hat 1998 eine Erklärung beschlossen, in der sie nicht nur ihre Schuld gegenüber dem Judentum eingesteht, sondern diese Ansichten Luthers verwirft.
Wenn man das Wort „verwerfen“ auf die Goldwaage legt, bedeutet es, dass wir in diesem Punkt Luther selbst zum Ketzer machen. Und nach wie vor wird diskutiert, wie man Luther würdigen kann, wenn man weiß, wie er in dieser Frage Schuld auf sich geladen hat und damit auch auf die kommenden Generationen, die seine Meinung übernommen haben.
Luther wollte keine Kirchenspaltung...Dass es letztlich zur Spaltung der lateinischsprachigen Christenheit gekommen ist, war eine tragische Entwicklung. Denn keiner der Reformatoren wollte die Kirche spalten, sondern reformieren.
Luther schickte seine 95 Thesen ja an den Bischof mit der Bitte, es möge darüber diskutiert werden. Doch die Thesen wurden sofort nach Rom weitergeleitet und bald stand fest, einige davon sind ketzerisch. Er ist also nie als Diskussionspartner wahrgenommen worden.
Aber es war ein wechselseitiges Aufschaukeln, und spätestens 1520 war klar, es geht jetzt nicht mehr um einzelne Menschen, sondern darum, ob ganze Länder evangelisch oder katholisch sind. Diese treffen im 30-jährigen Krieg aufeinander, eine der schrecklichsten Katastrophen… Und aus all dem müssen wir unsere Lehren ziehen!
Haben Sie den Eindruck, dass die katholische Seite ihre Lehren gezogen hat?
Ja, nicht zuletzt durch Papst Franziskus. Er ist ja in vielen Fragen ein überzeugender Türöffner. Drei Dinge betont er: Durch die Reformation ist das Evangelium wieder entdeckt worden, und darüber kann man sich nur freuen. Seine Programmschrift heißt ja auch Evangelii gaudium. Aber auch das Bedauern über die gegenseitigen Verletzungen ist wichtig. Drittens, und am wichtigsten, ist die Frage: Wofür will Gott uns als Kirchen haben, was ist unsere gemeinsame Mission – die wir unterschiedlich wahrnehmen.
Was legen Sie Katholiken ans Herz, was man bei Luther lernen kann?
An Luther kann man lernen, beschäftige dich täglich mit der Heiligen Schrift! Damit das jeder und jede kann, hat er die Bibel übersetzt. Die Lutherbibel wurde zum Jubiläum „500 Jahre Reformation“ neu überarbeitet. Sie ist übrigens auch ein Verkaufsschlager, und vielleicht wichtiger als die Playmobilfigur!
zur Person:
Michael Bünker, geboren 1954 als Sohn des evangelischen Pfarrers von Leoben, aufgewachsen in Kärnten, promoviert an der evangelischen Fakultät in Wien im Fach „Neues Testament“. 2007 wählt ihn die Evangelische Kirche A.B. zum Bischof. Sommerurlaub macht er alljährlich in einer Almhütte in den Kärntner Nockbergen, wo es keinen Strom gibt.
Was die „Faszination Luther“ ausmacht und warum seine Judenfeindschaft bis heute ein Problem ist, davon erzählt Michael Bünker am Montag, 24. Juli, um 17.30 Uhr im Sommergespräch auf radio klassik Stephansdom.
Wiederholung am Sonntag, 30 Juli, um 17.30 Uhr.
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E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at