Landessuperintendent Mag. Thomas Hennefeld, Vorsitzender des Ökumenischen Rates der
Kirchen in Österreich (ÖRKÖ).
Landessuperintendent Mag. Thomas Hennefeld, Vorsitzender des Ökumenischen Rates der
Kirchen in Österreich (ÖRKÖ).
Vor 60 Jahren wurde der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) gegründet. Der derzeitige Vorsitzende, Landessuperintendent Thomas Hennefeld, über die gegenwärtigen ökumenischen Herausforderungen, die Arbeit des ÖRKÖ und seine eigene Kirche, die Evangelische Kirche Helvetischen Bekenntnisses (H.B.).
Wie er das Stichwort „Ökumene“ in wenigen Sätzen erläutern könnte?
Thomas Hennefeld, zur Zeit Vorsitzender des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich und Landessuperintendent der Evangelischen Kirche Helvetischen Bekenntnisses (H.B.), bringt „Ökumene“ so auf den Punkt: „Die Ökumene ist eine Gemeinschaft christlicher Kirchen, die gemeinsam auf dem Weg ist, wobei ein zentrales Element die Gottesdienstfeier ist.
Gemeinsam ist allen Kirchen Jesus Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene.“
Ökumene heißt immer auch Wissen um die anderen christlichen Kirchen, daher erklärt Hennefeld im Gespräch mit dem SONNTAG auch die Eckdaten seiner eigenen Kirche, der Evangelischen Kirche Helvetischen Bekenntnisses (H.B.), die in der Öffentlichkeit oft im Schatten der Evangelisch-Lutherischen Kirche des Augsburger Bekenntnisses (A.B.) steht.
Was ist das Ziel der Ökumene?
Thomas Hennefeld: Das ist eine gute Frage: Das Ziel ist offen. Es geht um einen Austausch der Kirchen und um eine Vertiefung der Gemeinschaft, um ein besseres gegenseitiges Kennenlernen.
Als Evangelischer und Reformierter sage ich, dass das gar nicht zu einer Gleichförmigkeit führen soll, sondern zu einem Leben in versöhnter Verschiedenheit, zu einem Miteinander-auf-dem-Weg-Sein. Also eine Einheit, die aber plural ist.
Heuer feiert der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), gegründet 1958, seine ersten 60 Jahre. Was zeichnet die Ökumene in Österreich aus?
Der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich, die Reformierte Kirche ist ja damals Gründungsmitglied gewesen im Jahr 1958, hat seit vielen Jahren in gesellschaftspolitischen Fragen eine gemeinsame Linie, wir ziehen da an einem Strang.
Ich erinnere an das „Sozialwort“ der Kirchen, ein Meilenstein, das weit über Österreich hinaus Beachtung gefunden hat. Wo die wesentlichen Themen, die auch die Menschheit beschäftigen und betreffen, von den Vertreterinnen und Vertretern der Kirchen gemeinsam behandelt werden und wo auch mit einer Stimme gesprochen wird.
In Österreich kommt hinzu, dass die römisch-katholische Kirche seit 1994 auch Vollmitglied im Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich ist.
Was kann man sich unter dem heurigen Thema der „Gebetswoche für die Einheit der Christen“ – „Deine rechte Hand, Herr, ist herrlich an Stärke“ (Exodus 15,6a) – vorstellen? Warum wurde dieser Bibelvers gewählt?
Das Buch Exodus ist ein Buch der Befreiung, wo beschrieben wird, wie Gott sein Volk aus der Sklaverei in die Freiheit führt.
Damit wird deutlich, dass dieser Gott ein Gott der Befreiung von Unterdrückung ist. Das ist auch uns in der reformierten Tradition sehr wichtig.
Das Motto und die Liturgie dieses Gottesdienstes kommen jeweils aus einem bestimmten Land, heuer aus der Karibik. Die Karibik ist eine Region, die über lange Zeit auch von Sklaverei bestimmt war und in der noch immer Menschen in sehr schwierigen Verhältnissen leben. Daher hat dort das Thema der Befreiung eine besondere Bedeutung.
Es ist wichtig, dass wir einerseits weltweit Verantwortung übernehmen für unsere Mitmenschen und andererseits aus dieser Freiheit Gottes leben. Und dass wir uns auch darum bemühen, den Menschen, die heute unter Sklaverei, Unterdrückung und Gewaltherrschaft leiden, beizustehen, solidarisch zu sein und sie auch ein Stückweit aus dieser Knechtschaft zu befreien. Auch gerade in Erinnerung an das Buch Exodus.
Die Evangelische Kirche H.B. steht in der öffentlichen Wahrnehmung immer etwas im Schatten der evangelischen Kirche des Augsburger Bekenntnisses (A.B.). Wofür steht „H.B.“?
Die reformierte Kirche, die in Österreich eine kleine Kirche ist, aber vieles gemeinsam mit der lutherischen Kirche macht, steht ganz besonders dafür, dass sich der Glaube in diesem Leben in der Gesellschaft manifestieren muss. Und dass es einen ganz engen Zusammenhang gibt zwischen Glaube und Politik.
Ein Reformierter ist immer auch ein Mensch, der politisch denkt und der seinen Glauben nicht nur individuell lebt, sondern auch für die Gesellschaft und von der Gesellschaft her denkt.
Karl Barth, einer der berühmtesten reformierten Theologen des 20. Jahrhunderts, hat einmal gesagt: „Neben der Bibel liegt immer auch die Zeitung.“ Die reformierte Kirche selbst umfasst weltweit an die 80 Millionen Menschen auf allen Kontinenten.
Was zeichnet das sogenannte Helvetische Bekenntnis aus?
Das Zweite Helvetische Bekenntnis von Heinrich Bullinger, er war einer der führenden Theologen des Protestantismus im 16. Jahrhundert, ist neben dem Heidelberger Katechismus eine unserer Glaubensgrundlagen in Österreich.
In anderen Ländern schaut das anders aus. Es sind damals sehr viele verschiedene Bekenntnisse entstanden. Das Besondere an diesem Bekenntnis ist, dass es damals ein Versuch war, in diesen Glaubensstreitigkeiten und -konflikten auch zu vermitteln, also ein Stück weit Versöhnung zu bringen.
Wenn wir es heute lesen, mit seinen Vorschlägen für den Alltag, für das Leben, so ist es ein Bekenntnis, das nahe an den Menschen, nahe an der Zeit ist und damit auch sehr geerdet ist.
Was sind dann – etwas vereinfacht gesagt – die Unterschiede zwischen
„A.B.“ und „H.B.“?
Das ist immer eine Frage der Perspektive. Einem Katholiken, der von der evangelischen Kirche nicht sehr viel weiß, dem werden auch gar nicht besonders viele Unterschiede auffallen.
Heutzutage sind etwa die Gemeinsamkeiten viel stärker und größer als die Unterschiede. Aber, und das ist auch im Sinn unserer evangelischen Gemeinschaft der versöhnten Verschiedenheit, die Unterschiede kann man vereinfachend an drei Punkten festmachen.
Wobei es immer mehr Graubereiche gibt, wo die Unterschiede nicht mehr so strikt eingehalten werden.
Vom Prinzip und von der Grundhaltung her ist es erstens der nüchterne und schlichte Gottesdienstraum, die Kirche wird nur als Versammlungsort gesehen. Diese Schlichtheit zeigt sich auch in der Liturgie, eine Liturgie, die noch schlichter ist als die lutherische Liturgie.
Zweitens steht die Predigt noch stärker im Mittelpunkt als in der lutherischen Kirche.
Und drittens ist die Kirche des Helvetischen Bekenntnisses noch stärker gemeindezentriert, die Gemeindeautonomie wird noch stärker betont als in der Lutherischen Kirche, wobei beiden Kirchen das presbyterial-synodale Prinzip zu Grunde liegt.
Der Aufbau von unten nach oben und eine sehr flache Hierarchie sind typisch für die Reformierte Kirche. Es gibt zwischen der lutherischen und der reformierten Tradition einzelne Unterschiede in theologischen Fragen, wobei man sich fragen kann, inwieweit diese auch heute noch tragend sind.
Etwa einerseits beim Abendmahlsverständnis, wo in der reformierten Tradition die Betonung stärker auf dem „Gedächtnis“ liegt, und andererseits der komplexe Bereich der Prädestination, der Vorherbestimmung, die im Zweiten Helvetischen Bekenntnis eine Rolle spielt, aber in der Form nicht so in der lutherischen Kirche.
Wie viele Christen gehören in wieviel Gemeinden in Österreich zur Evangelischen Kirche Helvetischen Bekenntnisses?
Es gibt derzeit etwa 13.000 reformierte Christen in Österreich in neun Gemeinden, die sich in Wien, in Vorarlberg, in Oberösterreich und im Burgenland befinden.
Zwei Gottesdienste
Österreich ÖRKÖ - Ökumenischer Rat der Kirchen in Österreich lädt anlässlich der
„Weltgebetswoche für die Einheit der Christen“ (18. bis 25.1.) zu zwei Gottesdiensten ein.
17. Jänner, 18 Uhr:
Altkatholische Heilandskirche Wien 15
Rauchfangkehrergasse 12,
1150 Wien
25. Jänner, 18 Uhr:
Serbisch-orthodoxe Kirche Neulerchenfeld
Neulerchenfelderstraße 47,
1160 Wien
Der Ökumenische Rat ist die Stimme, mit der die Kirchen dann sprechen, wenn deutlich zum Ausdruck kommen soll, dass trotz aller konfessioneller Unterschiede und Kontroversen die christlichen Kirchen durch eine gemeinsame und tragfähige Basis verbunden sind.
1948 wurde in Amsterdam der weltweite Ökumenische Rat der Kirchen gegründet, der seinen Sitz in Genf hat.
Die Gründungsmitglieder waren: die Altkatholische Kirche, die Evangelische Kirche A.B., die Evangelische Kirche H.B. und die Methodistenkirche.
Auf der Vollversammlung des Ökumenischen Rates in Neu Delhi (1961) schloss sich die Orthodoxie der ökumenischen Bewegung an. In den folgenden Jahren wurden die damals in Österreich vertretenen orthodoxen Kirchen Mitglieder des hiesigen Rates.
Aufgrund des Ökumenischen Direktoriums (1993) konnte auch die römisch-katholische Kirche in Österreich dem ÖRKÖ beitreten. Seit 1. Dezember 1994 ist sie volles Mitglied, nachdem sie vorher schon seit 1970 als Beobachter aktiv und konstruktiv mitgearbeitet hatte.
Im Rat waren dadurch Kirchen von sehr unterschiedlicher Größe vertreten, ein Problem, das dadurch gelöst wurde, dass sich die Zahl der Vertreter im Rat wohl nach der Größe der jeweiligen Kirche richtet, jede Mitgliedskirche aber mindestens einen, höchstens jedoch 10 Vertreter entsendet.
Dem Ökumenischen Rat gehören derzeit folgende Kirchen an:
Äthiopisch-orthodoxe Kirche,
Altkatholische Kirche,
Anglikanische Kirche,
Armenisch-apostolische Kirche,
Bulgarisch-Orthodoxe Kirche,
Bund der Baptistengemeinden in Österreich,
Evangelische Kirche A.B.,
Evangelische Kirche H.B.,
Evangelisch-methodistische Kirche,
Griechisch-Orthodoxe Kirche,
Koptisch-Orthodoxe Kirche,
Römisch-Katholische Kirche,
Rumänisch-Orthodoxe Kirche,
Russisch-Orthodoxe Kirche,
Serbisch-Orthodoxe Kirche und
Syrisch-Orthodoxe Kirche.
Christian Solidarity International Österreich,
Österreichische Bibelgesellschaft,
Ökumenisches Forum Christlicher Frauen in Europa,
Weltgebetstag der Frauen – Ökumenisches Nationalkomitee Österreich
die Zeitung der Erzdiözese Wien
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