Michael Chalupka: „Die Schöpfung ist uns gegeben, auch um sie weiter zu gestalten und um sie zu bewahren.“
Michael Chalupka: „Die Schöpfung ist uns gegeben, auch um sie weiter zu gestalten und um sie zu bewahren.“
Michael Chalupka ist seit September neuer Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Österreich. Damit ist er höchster Repräsentant für 280.000 Gläubige in 191 Gemeinden und sieben Diözesen. Im SONNTAG-Interview kommt er auf die aktuelle ökologische Bewegung und auf gemeinsame Herausforderungen im Glauben zu sprechen.
Wie sein Vorgänger Michael Bünker, der als Schlagzeuger bekannt war, spielt auch Michael Chalupka ein Instrument. Es ist die Tuba, das tiefste aller gängigen Blechinstrumente.
Damit ihm die Luft nicht ausgeht, fährt Chalupka häufig mit dem Rad, bekennt aber: „Ich habe mir ein E-Bike gekauft, damit es leichter bergauf geht.“ Ins Schwitzen kommt er leicht, dominieren den Wiener Spätsommer doch hohe Temperaturen. Wir treffen uns daher im Grünen.
Im Wiener Türkenschanzpark gibt es viele schattige Plätze. Ein passender Ort, zum richtigen Zeitpunkt. Denn die 16 christlichen Kirchen in Österreich begehen ab September die mehrwöchige Schöpfungszeit.
Der Klimawandel ist in aller Munde, daher fragen wir den evangelischen Bischof Michael Chalupka, wie sich Christen da einbringen können.
Er erinnert an den früheren Ökumenischen Patriarchen Dimitrios: „Er hat 1989 den Schöpfungssonntag ins Leben gerufen und gesagt, es geht darum zu beten und zu danken für die Welt, die geschaffen wurde und darum für ihre Bewahrung zu bitten.
Das ist der zentralen Punkt. Sich bewusst werden, dass die Welt nicht unser Eigentum ist, mit der wir machen können, was wir wollen, sondern sie uns geliehen und überantwortet ist.“
Was bedeutet das für die christlichen Kirchen?
Wir müssen uns immer bewusst sein, auch jetzt in dieser Bewegung der Klimagerechtigkeit, dass nicht wir es sind, die die Welt retten. Wir haben die Macht, die Welt zu zerstören. Wir haben den Auftrag, alles dafür zu tun, dass wir das nicht tun, oder dass das der Menschheit nicht gelingt. Aber die Weltrettung ist Aufgabe Gottes. Das ist aber auch entlastend.
Was ich in dieser Klimabewegung spüre, ist schon auch ein sehr hoher moralischer Anspruch. Und da ist es wichtig zu wissen: „Wir sind hier nicht allein“. Die Schöpfung ist uns gegeben, auch um sie weiter zu gestalten und um sie zu bewahren. Aber im Grunde ist sie immer noch geborgen in Gottes Hand.
Seit Monaten gehen Kinder und Jugendliche für die Bewahrung der Schöpfung bei den „Fridays for Future“ auf die Straße. Was sagen Sie dazu?
Das ist ganz toll, dass hier ein prophetisches Zeichen gesetzt wird. Wir finden solche Beispiele, wie Greta Thunberg, in der Bibel zuhauf.
Jesaja ist drei Jahre lang nackt durch die Stadt gegangen, um ein Zeichen zur Umkehr zu setzen. Jeremia hat Jerusalem mit einem Plakat belagert und Greta Thunberg macht dasselbe. Mit einem Plakat hat sie ein Zeichen gesetzt, durch die Schulstreiks, dass Dinge in Bewegung kommen müssen, die bis jetzt gesehen wurden, woraus aber keine Konsequenzen gezogen worden sind.
Das Thema Klimawandel und Klimagerechtigkeit haben die christlichen Kirchen ja schon lange auf ihrer Agenda?
Ja, seit mehr als 30 Jahren streichen sie den Zusammenhang zwischen Klimawandel, Klimakatastrophe und Gerechtigkeit immer wieder heraus.
Aber jetzt ist es dank der „Fridays for Future“-Bewegung in ein breites Bewusstsein gekommen. Das scheint jetzt auch der Politik klar zu werden – das merken wir im laufenden Wahlkampf – dass hier jetzt konkrete Schritte passieren müssen und Umkehr wirklich sein muss.
Man kennt Ihre mahnende Stimme aus Ihrer Tätigkeit als Diakoniedirektor, dem Hilfswerk der evangelischen Kirche. Werden Sie als Bischof mahnend bleiben?
Ich glaube, es ist nicht die Aufgabe der Kirchen mahnend zu sein, sondern etwas beizutragen. Das werden wir weiterhin versuchen. Sei es in der Debatte um Klimagerechtigkeit, beim gesellschaftlichen Zusammenhang, auch was die Bildung betrifft, um dadurch zu einer glaubwürdigen Stimme in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung zu werden.
Wie sehen Sie das Miteinander der christlichen Kirchen hierzulande?
Österreich ist hier wirklich eine Insel der Seligen. Es gibt kaum ein Land, wo es eine so gute ökumenische Zusammenarbeit gibt. Ich erinnere auch an das Ökumenische Sozialwort, das einen Orientierungspunkt darstellt, wie das Miteinander gelingen kann.
Katholische und evangelische Christen eint und trennt der Glaube. Was ist Ihre Hoffnung?
Dass wir noch stärker als bisher das, was uns eint, in den Vordergrund stellen können. Was uns eint im Glauben an Jesus Christus, in unserem gesellschaftlichen Engagement, in der Nächstenliebe, bei unserem Eintreten für lebenswerte Umstände für Menschen am Rande der Gesellschaft, oder an den Rändern des Lebens. Und dass wir schon in großer Offenheit und Ehrlichkeit auch über die Dinge reden können, die uns trennen.
Können Sie das näher ausführen?
Das ist zum einen die Amtsfrage und zum anderen, was wirklich schmerzlich ist, das ist die Eucharistie, das Abendmahl. Weil wir hier wirklich auch ein Glaubwürdigkeitsproblem haben.
Wir können schwer dafür eintreten, dass die Dinge, die uns Gott geschenkt hat, auch das tägliche Brot, was uns anvertraut ist, dass wir das teilen wollen, auch mit denen, die wenig haben oder die benachteiligt sind in unserer Gesellschaft, oder auch weltweit, aber es nicht zu Stande bringen, miteinander Brot und Wein am Tisch des Herrn zu teilen. Ich denke, das ist eine wirklich schmerzliche Wunde und ich hoffe, dass wir hier in den nächsten Jahren Fortschritte erreichen, weil das etwas ist, was wirklich wehtut.
Die christlichen Kirchen leiden unter Mitgliederschwund. Wie kann die Herde
größer werden?
Mein Ziel ist, die Glaubwürdigkeit der Herde, die Ausstrahlung zu steigern. Es geht darum, die Lebendigkeit unserer Kirche, unserer Gemeinden, sichtbar zu machen, auch einladend und attraktiv zu machen.
In Deutschland wird diskutiert, ob der Sonntagsgottesdienst noch das Zentrum einer Pfarrgemeinde ist. Ich sage: Ja. Weil er ein Ort ist, an dem etwas passiert, was wir gesellschaftlich ganz dringend brauchen: Menschen kommen aus unterschiedlichen Hintergründen, Ausbildungen, sozialen Schichten, zusammen, um gemeinsam auf etwas Drittes zu hören.
Aber auch danach beim Kirchen- oder Pfarrcafé in den Pfarrgemeinden kommen sie ins Gespräch, tauschen unterschiedliche Meinungen aus, aber haben trotzdem ein Ziel: Sie stehen alle gemeinsam vor Jesus Christus.
Wie ist Ihre Hoffnung für eine neue Karfreitags-Regelung?
Meine Hoffnung wäre bei einer neuen Regierung oder das kann auch jetzt schon geschehen, dass man das tut, was Kardinal Christoph Schönborn gefordert hat.
Er hat damals gesagt: Das Wichtigste wäre jetzt, einen Runden Tisch zu machen, an dem die Religionsgemeinschaften Platz nehmen können, die Sozialpartner, die Wirtschaft, die Gewerkschaft und die politischen Parteien einen offenen Diskurs führen, wie man damit umgeht – mit dem Ziel, den Karfreitag als Feiertag für alle zu haben.
Dass es keine vorschnellen Lösungen, sondern einen Feiertag mehr für alle gibt, oder einen Abtausch mit einem anderen Tag. Dieser Runde Tisch ist nie zustandegekommen und ich denke, das wäre jetzt ein Zeichen, das zu machen.
Die Geschichte der evangelischen Kirche reicht hierzulande bis ins 16. Jahrhundert zurück. Damals feierte die Reformation in Österreich große Erfolge. Durch die katholische Gegenreformation in der Barockzeit wurde sie wieder weitgehend zurückgedrängt.
Erst das Toleranzpatent 1783 von Kaiser Joseph II. ließ wieder die Gründung von Gemeinden zu. Der Titel „Bischof“ sollte damals aber der römisch-katholischen Kirche vorbehalten bleiben. Die evangelischen Würdenträger mussten sich „Superintendent“ nennen.
Erst 1944 entschloss sich der Oberkirchenrat, als obersten Repräsentanten aus seiner Mitte einen Bischof zu wählen.
zur Person
Michael Chalupka
Geboren
am 21. Juli 1960 in Graz
Privat
verheiratet, eine Tochter
Bildung
AHS Overseegasse Graz
Studium der Evangelischen Theologie in Wien und Zürich
Berufliches
AHS-Religionslehrer in Wien;
Studienleiter am Centro Ecumenico d’Agape in Prali und
Prediger in der Waldenser-Kirche, Italien
Pfarrer und Leiter des Schulamts der Evangelischen Kirche der Steiermark sowie Fachinspektor für den Religionsunterricht an Pflichtschulen;
Direktor der Diakonie Österreich;
Geschäftsführer der Diakonie Eine Welt und der Diakonie Bildung;
am 4. Mai 2019 in Wien von den Delegierten der Synode mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit zum Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich gewählt; am 1. September 2019 hat Michael Chalupka das Amt von seinem Vorgänger Michael Bünker übernommen.
Lieblingsbibelstelle:
Römer 1,16: Ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist eine Kraft Gottes zur Gerechtigkeit.
Leben ist…
ein wunderschönes Wagnis.
Sonntag ist…
die notwendige Unterbrechung der Betriebsamkeit des Alltags und die Chance, Gemeinschaft zu erleben. Und beschenkt zu werden durch andere, aber vor allem auch durch Gott.
Glaube ist…
Vertrauen. Geborgenheit spüren auch in unsicheren Zeiten, auch dann, wenn das Leben sehr zerbrechlich wirkt. Wir wissen, niemand kann tiefer fallen als in Gottes Hand.
Der neue evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka
im Gespräch mit Stefan Hauser.
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