Einander verstehen lernen: Die Bibel des Judentums gilt auch den Christen als Wort Gottes
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Nicht nur das Verhältnis des Christentums zum Judentum ist ein besonderes. Von Juden gingen auch entscheidende Impulse für den Dialog aus.
Während des Ersten Weltkriegs, lag ein junger Jude in einem Schützengraben am Balkan und dachte über die Katastrophe des Völkermordens nach. Franz Rosenzweig hatte sich schon vorher intensiv mit dem letzten großen System der europäischen Moderne, dem Idealismus des Philosophen Hegel befasst. Er sah in diesem gewaltigen Gedankengebäude den Ursprung der unheilvollen Spaltung europäischen Denkens in eine "rechte" rassistische und nationalistische einerseits und in eine "linke" kommunistische internationale Hälfte andererseits.
Waren diese Alternativen versöhnbar? Der junge gläubige Denker verfasste auf Feldpostkarten einen Lösungsversuch. Hatte nicht Gott mit den Menschen einen Bund geschlossen und nicht aufgehört, durch Seine Propheten diesen Bund von Geschlecht zu Geschlecht weiter zu verkünden? War damit nicht das persönliche Gespräch der Schlüssel zum Fortbestand der Beziehung zwischen Gott und Seinen Gläubigen?
Nicht das Befestigen von Tatbeständen, die unverrückbare Fronten aufrichten, sondern das Finden stets neuer Wege zu einander war "der Stern der Erlösung", wie er sein späteres Buch nannte. Die Eingebung dieses Juden wurde mit christlichen Freunden (v. a. Eugen Rosenstock-Huessy) besprochen, und aus dieser Sprachkultur entstand in der Zwischenkriegszeit der Sauerteig des Dialoges. Vor dem bekannten jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber dachte übrigens der verkannte österreichische Lehrer Ferdinand Ebner in seiner Weise Bahn brechend. Das Zweite Vatikanische Konzil und seine beiden großen Protagonisten Johannes XXIII. und Paul VI. haben dieses Zeichen der Zeit erkannt und zum großen Thema der gesamten Christenheit erhoben.
Dieses Konzil hat uns wieder die hebräische Bibel von Gesetz und Propheten als Heilige Schrift durch die liturgischen Lesungen zurückgeschenkt. Es hat aber auch das Gespräch mit dem Judentum selbst nach einer langen Zeit erschreckender Verfolgung neu gesucht. Eine Fülle von neuen Erkenntnissen eröffnete sich, die das christliche Glaubensleben wieder entdecken durfte, nicht zuletzt durch das Sondergut der jüdischen Fest- und Schrifttradition (Talmud).
Von Wien aus ging auch ein entscheidender Impuls zur wissenschaftlichen Judaistik in den gesamten deutschen Sprachraum aus (Prof. Kurt Schubert). Es ist schön zu sehen, dass diese Versuche einer brüderlichen Annäherung nun beidseitig verlaufen. Freilich gilt es in diesem Dialog, noch manche Ungereimtheiten und Sprachstörungen zu überwinden: Zu sehr haben sich die beiden Glaubensgemeinschaften im Laufe der Jahrhunderte auseinander entwickelt. Vor allem die Interpretation der Person und Rolle des Jesus von Nazaret bleibt eine der Hauptaufgaben der Gespräche: Ist er wirklich als Jesus Verbindungsglied, als Christus aber Fremdkörper in den gegenseitigen Beziehungen?
