Flüchtlingsfrauen beim Filzen der Rosen.
Flüchtlingsfrauen beim Filzen der Rosen.
Seit mehr als einem Jahr hat die Kirchengemeinde am Keplerplatz in Wien-Favoriten neue Nachbarn: Gleich ums Eck leben fast 400 Flüchtlinge. Grund genug für Pfarrmitglied Gertrude Pieber aktiv zu werden. Erstmals vorgestellt wird das Projekt bei der Langen Nacht der Kirchen 2016. Gerlinde Wallner hat es vorab besucht:
Stimmengewirr im Seminarraum des Flüchtlingshauses in der Laxenburger Straße in Wien-Favoriten: Die Kinder wuseln unter den Tischen durch, die Mütter reden, lachen und filzen. Etwa 30 Frauen sitzen im Raum, auf den Tischen vor ihnen liegen Wollknäuel in zarten Rosatönen und knalligem Rot, in Hellgrün, Olivgrün, Dunkelgrün. Immer wieder tauchen sie kleine Wollstücke in eine Seifenlauge, zupfen sie mit den Fingern zurecht, bis eine ovale Form entsteht und lassen die Formen trocknen. Dann werden die Teile zusammengenäht, bis eine neue Form sichtbar wird – es ist eine Rose.
„Nach und nach entsteht hier ein Blumengarten“, freut sich Gertrude Pieber und zieht an einem türkisen Wollstück. Im Raum nebenan stapeln sich schon Filzrosen in Schachteln. Seit Jänner dieses Jahres wird gemeinsam gefilzt, die Idee dazu stammt von Frau Pieber, sie ist in der Kirche am Keplerplatz für interreligiöse Fragen zuständig: „Als im Herbst in der Laxenburger Straße fast 400 Menschen plötzlich so hereingeschneit sind in unsere unmittelbare Nachbarschaft, war schnell klar, wir wollen etwas für die Frauen hier anbieten.“
Geworden ist daraus das Projekt „Brot und Rosen – Elisabeth und Fatime“. Die Landgräfin Elisabeth von Thüringen teilte einst in ihrem Korb Brot für die Armen aus, obwohl das damals im Mittelalter nicht gerne gesehen war. Als sie jemand bloß stellen wollte, fanden sich jedoch plötzlich Rosen statt Brotlaibe in ihrem Korb. Heute gilt Elisabeth im Christentum als Heilige. Auch die im Islam verehrte Fatime hat mit Rosen zu tun, erklärt Fatme Khalil-Hammoud, Projektpartnerin der MA17: „Fatime ist die Tochter des Propheten Mohammed, sie hat ihr gespendetes Geld zuvor mit Rosenwasser besprenkelt. Rosenwasser riecht gut, ebenso soll das Geld von Herzen kommen und Gutes tun.“
Die junge Frau Hanan kommt regelmäßig hierher zum Filzworkshop. Manchmal nimmt sie ihre drei Töchter mit: „Zwei, drei und sechs Jahre alt sind sie“, erzählt Hanan. Die Arabischlehrerin ist vor sieben Monaten aus dem Irak nach Österreich geflohen, jetzt ist sie selbst zur Schülerin geworden, lernt Deutsch, macht bei vielen Projekten mit, kocht, häkelt, filzt. Gerade das Filzen macht ihr viel Freude, auch wenn es zeitaufwändig ist, so Hanan.
Gertrude Pieber weiß, wovon die junge Frau spricht: „Bis eine Filzrose fertig ist, dauert es drei Stunden“. Drei Stunden, die manchmal mit so viel mehr als schönen Filzrosen gefüllt sind: Gertrude Pieber erinnert sich an Momente, in denen mit den fertigen Blumen auch die Frauen aufblühten, wo Sehnsüchte nach der Heimat auftauchten, nach den Liebsten: „An einem Nachmittag hat eine junge Frau, sie ist 25, auf einmal begonnen zu singen, ganz leise. Dann, nach und nach, haben andere Frauen miteingestimmt, haben sich langsam dazu bewegt, haben getanzt – und geweint. Sie haben die Erinnerung an ihre Heimat zugelassen.“ Währenddessen haben sie etwas in ihren Händen gehalten – die Rosen.
Filz ist ein gut ineinander verwobenes, ein festes Material. Die geflüchteten Frauen können sich ein Stück weit daran festhalten, sagt Gertrude Pieber: „Die Rosen zeigen ihnen, jetzt sind wir hier angekommen, wir können hier auch etwas tun.“ Und anderen helfen. Denn der Erlös der verkauften Rosen kommt nicht nur den Flüchtlingsfamilien selbst zugute, ein Teil wird für das Projekt Elijah von P. Georg Sporschill gespendet, für Kinder in Rumänien. Oder anders gesagt: Brot und Rosen für Elisabeth und Fatime, aber auch für Sina, Kale, Ionela, Simon, Roxana...