Jede direkte Tötung eines Unschuldigen ist verboten. Somit kennt auch die Tradition der Kirche Ausnahmen des Tötungsverbots.
Jede direkte Tötung eines Unschuldigen ist verboten. Somit kennt auch die Tradition der Kirche Ausnahmen des Tötungsverbots.
Fünftes Gebot. Du wirst nicht töten. Gibt es Ausnahmen?
Ein Kommentar von Elisabeth Steinbacher, Theologische Kurse, Universität Salzburg, Fachbereich Praktische Theologie, Moraltheologie und Spirituelle Theologie.
Das fünfte Gebot (Ex 20, 13 und Dtn 5, 17) – das sog. Tötungsverbot - steht im Alten Testament zweimal im Kontext der Offenbarung Gottes an das Volk Israel. Wörtlich übersetzt würde das Gebot lauten: "Du sollst nicht morden!" Das hier verwendete hebräische Verb rasah ist sinngemäß nicht eindeutig ins Deutsche übersetzbar, doch aus anderen Stellen im Alten Testament (z.B. Dtn 19,11; 22,26) geht hervor, dass hier der Mord an einem wehrlosen Opfer und die heimtückische Absicht des Täters benannt werden.
Ursprünglich bezieht sich das Gebot ausschließlich auf das Tötungsverbot von Stammes-und Familienmitgliedern und wurde wahrscheinlich formuliert, um das gegenseitige Töten zwischen Angehörigen verschiedener Sippen im Rahmen der Institution Blutrache einzuschränken. Gegenüber älteren Versionen des Verbots, die sich immer auf einen konkreten Fall bezogen, ist das apodiktisch formulierte Verbot „Du sollst nicht töten“ eine Weiterentwicklung, da der Satz kein Objekt enthält.
ExegetInnen vermuten, dass sich hier bereits eine spätere Entwicklung innerhalb des Alten Testaments andeutet: Das Verbot richtet sich nicht mehr nur an männliche israelitische Vollbürger in bestimmten Situationen, sondern ist grundsätzlich gemeint und richtet sich an alle Menschen. Ursprünglich jedoch war das Verbot nicht so universal gemeint, wie es heute häufig interpretiert wird. Das Töten von Tieren und Pflanzen ist für das Alte Testament grundsätzlich ebenso erlaubt wie auch das Töten im Krieg oder die Tötung als Strafe für einen schuldig gewordenen Menschen. Das fünfte Gebot setzt also, wie alle Gebote, eine bestehende Rechtsordnung voraus.
Die christliche Tradition hat unter Berufung auf die bereits im Alten Testament angedeutete Entwicklung eine Einsicht formuliert, die sich in vielen lehramtlichen Schreiben der katholischen Kirche wiederfindet: Jede direkte Tötung eines Unschuldigen ist verboten. Somit kennt auch die Tradition der Kirche Ausnahmen des Tötungsverbots. Zu nennen ist hier erstens die Lehre vom sog. "gerechten Krieg", d. h. einem Krieg, der in bestimmten Ausnahmefällen legitim ist, was auch heute noch angesichts der Situation von Völkermord diskutiert wird; zweitens bei Notwehr, wenn also das eigene Leben bedroht ist; drittens im Rahmen der Todesstrafe.
Nach vielen Diskussionen wird gerade die dritte Ausnahme in lehramtlichen Schreiben heute nicht mehr als adäquates Strafmaß bewertet, denn es hat sich herausgestellt, dass die Todesstrafe durchaus nicht die abschreckende Wirkung hat, die man sich erhoffte und dass Justizirrtümer häufig Unschuldige treffen.
Auch die traditionelle Lehre vom sog. gerechten Krieg wird heute als Lehre vom gerechten Frieden anders und differenziert bewertet: Ob ein Krieg als legitim gilt, hängt von vielen Kriterien ab, z. B. ob es sich um einen Verteidigungskrieg handelt, ob Aussicht auf Erfolg besteht und ob Krieg wirklich die einzige und letzte Lösung ist.
Gesellschaftlich kontrovers diskutiert wird heute ein Verbot der Tötung auf Verlangen bzw. das Verbot des assistierten Suizids. Als Konsens innerhalb der theologischen Ethik darf gelten, dass ein Sterbenlassen schwer kranker PatientInnen nicht nur ethisch vertretbar, sondern sogar geboten ist. Nicht alles was medizinisch machbar ist, führt nämlich wirklich zu einer Verbesserung der Lebensqualität eines Sterbenden. Jemanden an seiner Krankheit sterben zu lassen, ist keine Tötungshandlung, vielmehr ist menschlicher bzw. medizinischer Beistand für Sterbende geboten.
Eine direkte und aktive Tötung eines Sterbenden durch ÄrztInnen oder auch durch Angehörige und seine Legitimierung durch das Gesetz – sei es im Rahmen der "Tötung auf Verlangen", sei es im Rahmen des "assistierten Suizids" – lehnt das kirchliche Lehramt jedoch unter Berufung auf das Tötungsverbot klar ab.
Theologisch begründet wird dies mit dem Argument, dass allein Gott der Herr über das Leben und den Tod ist und es dem Menschen nicht zusteht, ein letztes Urteil zu fällen. Eine sozialethische Begründung beruft sich auf die Schutzwürdigkeit gerade der verletzlichsten Menschen. In einer leistungsorientierten Gesellschaft der Gesunden und Fitten geraten sterbende Menschen sehr schnell unter sozialen Druck. Hinter angeblichem Mitleid mit Sterbenden können sich handfeste ökonomische Zwänge verbergen, welche die Würde des Menschen gerade in seiner verletzlichsten Phase extrem gefährden.
Provokant ist eine individualethische Interpretation des Tötungsverbots, die sich auf
Jesus berufen kann, der das Tötungsverbot des Alten Testaments wiederholt und im Hinblick auf die Gesinnung des Menschen gegenüber seinem Mitmenschen in der Bergpredigt (Mt 5, 21ff) zuspitzt und ausweitet: Nicht nur Töten, sondern jegliche Beschimpfung und Herabwürdigung des Mitmenschen wird hier verboten, also auch Rufmord und Mobbing. Das Tötungsverbot bleibt eine Provokation – für den Einzelnen wie für die Gesellschaft!
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Die zehn Gebote - eine Einleitung
1. Gebot: Du sollst den Herrn, deinen Gott anbeten und ihm dienen
2. Gebot: Du sollst den Namen Gottes nicht verunehren
3. Gebot: Du sollst den Tag des Herrn heiligen
4. Gebot: Du sollst Vater und Mutter ehren
5. Gebot: Du sollst nicht töten
6. Gebot: Du sollst nicht die Ehe brechen
7. Gebot: Du sollst nicht stehlen
8. Gebot: Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen
9. und 10. Gebot: Begehren
Weiterführende Literatur zu den 10 Geboten |
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