Die Frage nach Gerechtigkeit ist auch im Jenseits unaufgebbar.
Die Frage nach Gerechtigkeit ist auch im Jenseits unaufgebbar.
Dass am Ende alles gut sein möge ...
Interview mit Univ.-Prof. Johanna Rahner.
Früher wurde fast zuviel über den Himmel geredet. Heute hat man den Eindruck, es wird darüber zuviel geschwiegen. Warum?
Rahner: Man hat in der Rede von „den letzten Dingen“ in den vergangenen Jahrhunderten zu viel gewusst und dabei auf die subtile Einprägsamkeit jener Bilder von Himmel und Hölle gesetzt, die bis heute unsere Vorstellungen wie unsere Phantasie anregen. Aber diese allzu selbstgewisse „größere Hoffnung“ ist Christinnen und Christen durch die Religionskritik gehörig ausgetrieben worden.
Sie hat uns mit so vielen Fragezeichen versorgt, dass uns die Ausrufezeichen abhanden gekommen scheinen. Doch die entscheidende Herausforderung, die eigentliche Tragödie des Menschseins, bleibt das Ärgernis des Todes, der aller Hoffnung auf Glück den Stachel der Endlichkeit einpflanzt. Wo man sich dieser Herausforderung stellt, trifft man früher oder später auf jene unaufgebbare Frage nach Gerechtigkeit und die unstillbare Hoffnung nach der Erfüllung jener Sehnsucht, die – wider alle Erfahrung dieser Welt – davon träumt, dass am Ende alle gut sein möge. Aber es bleibt eine Spurenlese. Denn wer hier wieder zuviel weiß, wird unglaubwürdig!
Was dürfen wir Christinnen und Christen uns unter dem „Himmel" vorstellen?
Rahner: Christliche Hoffnung auf den Himmel provoziert mit der Zusage, dass sich die Lücke zwischen dem, was ist, und dem, was als Erhofftes sein könnte, nicht durch unser Zutun, sondern nur durch liebendes Tun eines ganz Anderen schließen wird. Gerade in diesem Modus der Hoffnung – Immanuel Kant würde sagen: im Postulat Gottes – aber wahrt sie das entscheidende „Humanum“. Darum gilt es, den Himmel um des Menschen willen offen zu halten!
Religionskritik und neuer Atheismus werfen den monotheistischen Religionen vor, Gewalt zu fördern. Kann es eine Leidenschaft für Gott geben, die „die Anderen“ respektiert?
Rahner: Eine solche Kritik übersieht, dass die biblisch stets eingeforderte Unterscheidung von wahren und falschen Göttern selbst ein (selbst-)kritisches Potenzial in Sachen Macht und Gewalt entwickelt. Die notwendige Unterscheidung von Wahr und Falsch fordert eine grundlegende Sensibilität für die Gebrochenheit jedes göttlich-menschlichen Machtkontinuums ein. Heil und Herrschaft sind biblisch nie einfach identisch.
Die Transzendenz Gottes, die die Bibel nachdrücklich betont und die sie im Bilderverbot verteidigt, ist daher als „Gegenbesetzung“ des religiösen Funktionalismus und damit auch jeglicher politischer Instrumentalisierung von Religion zu verstehen. Hier zeigt der biblische Gottesgedanke selbst ein Potenzial zur Entmächtigung von Religion und zur bleibenden Verpflichtung zur religiösen Selbstaufklärung. Er etabliert eine „Religion der nicht aufgehenden Rechnungen“ (Eduard Nordhofen).
Interview: Stefan Kronthaler
Univ.-Prof. Dr. Johanna Rahner, Universitäten Kassel und Tübingen.
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