Ein „geistlicher Lehrer" ist jemand, der anderen im geistlichen Leben hilft: Tiefer die Größe und Schönheit der christlichen Berufung zu verstehen und in der Freundschaft mit Gott zu wachsen.
Ein „geistlicher Lehrer" ist jemand, der anderen im geistlichen Leben hilft: Tiefer die Größe und Schönheit der christlichen Berufung zu verstehen und in der Freundschaft mit Gott zu wachsen.
Warum Thomas von Aquin heute wieder aktuell ist. Und was den Aquinaten als geistlichen Lehrer auszeichnet: Univ.-Prof. Marianne Schlosser im Gespräch.
Warum ist die Theologie des hl. Thomas von Aquin heute (wieder) aktuell?
Schlosser: Thomas’ umfangreiches Werk zeigt exemplarisch, wie fruchtbar – und notwendig – die Verbindung von Glauben und Denken ist (vgl. Fides et ratio 43 f.).
Viele seiner Antworten sind heute deswegen genauso aktuell wie damals, weil es ihm um ganz existentielle Fragen geht, z. B. um die Wahrheitsfähigkeit des Menschen, um Sinn und Ziel des menschlichen Lebens, wer Gott ist, was Offenbarung und Gnade bedeuten.
Thomas von Aquin denkt wie wenige vor ihm theologisch argumentativ und klar. Nicht jeder gute Theologe wurde aber auch ein Heiliger...
Schlosser: Thomas gibt selbst die Antwort: Das Maß der Heiligkeit ist nicht der Scharfsinn oder die Fülle des Wissens, sondern die Liebe – zu Gott und den Mitmenschen.
Die gleiche Antwort findet man auch in der Kirchenkonstitution des II. Vatikanischen Konzils (LG 39 f.). Die Theologen des Mittelalters waren überzeugt, „dass eine arme alte Frau Gott mehr lieben könne als ein Professor“.
Gott lieben heißt, in Seine Liebe „einstimmen“, Seinen Willen zum eigenen Willen werden lassen. Darum, so Thomas in seinem Kommentar zu Joh 14 und 15, erweist sich die Freundschaft mit Christus daran, ob man die Gebote aus innerer Neigung heraus hält.
Thomas ist nicht einfach wegen seiner theologischen Leistung heilig, sondern weil er alle seine Kräfte, auch die intellektuellen, für Gott eingesetzt hat. Gegen Ende seines Lebens, so heißt es in der Lebensbeschreibung, habe Thomas Christus sagen gehört: „Du hast gut über mich geschrieben. Was wünscht du dir dafür?“ Und Thomas habe geantwortet: „Nichts außer dich selbst.“
Was macht Thomas zum „geistlichen Lehrer"?
Schlosser: Ein „geistlicher Lehrer“ ist jemand, der anderen im geistlichen Leben hilft: Tiefer die Größe und Schönheit der christlichen Berufung zu verstehen und in der Freundschaft mit Gott zu wachsen.
Thomas kennt die Herausforderungen eines Lebens aus dem Glauben, er versteht zu raten und zu ermutigen – er war ein Realist mit den Idealen des Evangeliums, das sieht man an seinem Werk.
Wie fromm war der Aquinate? War er auch ein Mystiker?
Schlosser: Zu unserem Bedauern schreibt Thomas sehr wenig über sich selbst. Aber die Zeugen des Heiligsprechungsprozesses haben beeindruckende Aussagen gemacht; sie sprechen auch von einigen außergewöhnlichen Erfahrungen.
Ganz sicher hatte Thomas eine besondere Liebe zum Sakrament der Eucharistie. Er feierte täglich zweimal die hl. Messe, einmal als Zelebrant, einmal als „Ministrant“.
Vor allem aber bezeugen das die Hymnen zum Fronleichnamsfest. Meines Erachtens kann ein Gebet wie „Gottheit tief verborgen“ (Gotteslob 546) nur aus einer persönlichen Frömmigkeit gepaart mit klarer theologischer Einsicht geboren werden.
Adoro te devote - Gottheit tief verborgen
Kirchenkonstitution des II. Vatikanischen Konzils
Universitätsprofessorin Dr. Marianne Schlosser,
Ordinaria für „Theologie der Spiritualität“ an der Universität Wien.
Weitere Informationen zu "Der SONNTAG" die Zeitung der Erzdiözese Wien