Wer sich durch die gnädige Zuwendung Gottes erlösen lässt, ist befreit von dem Zwang, sich selbst erlösen zu müssen.
Wer sich durch die gnädige Zuwendung Gottes erlösen lässt, ist befreit von dem Zwang, sich selbst erlösen zu müssen.
Warum die Botschaft von der Auferstehung von Anfang an auf Widerspruch stieß. Und was die Auferstehung von der Wiedergeburtslehre unterscheidet: Dogmatik-Professor Jan-Heiner Tück im Gespräch.
„Die verlorene Hoffnung auf Resurrektion hinterlässt eine spürbare Leere“, schreibt Jürgen Habermas. Was bedeutet diese Leere für eine (westeuropäische) Gesellschaft, die bisweilen so lebt, als ob es Gott nicht gäbe?
Tück: Es gibt inzwischen nachdenkliche Stimmen, die einen gewissen Phantomschmerz artikulieren: Es fehlt etwas, wenn das Gottesbewusstsein wegbricht, wenn die humanen Orientierungen der religiösen Traditionen nicht mehr zur Verfügung stehen.
Habermas hat das ehrlich zum Ausdruck gebracht. Mit dem Verlust der Auferstehungshoffnung entsteht ein Sinn-Vakuum, das nicht gefüllt werden kann.
Habermas hebt sich dadurch von einem gewissen Salon-Atheismus ab, der es schick findet, zur Religion auf ironische Distanz zu gehen, ohne sich der Abgründigkeit letzter Fragen wirklich zu stellen.
Wird am Ende alles nur ein flüchtiges Spiel gewesen sein? Bleibt etwas – oder versinkt alles im gefräßigen Abgrund des Nichts?
Ich glaube, dass es im Menschen spontane Abwehrreaktionen gegen diesen Nihilismus gibt. Das hat mit anthropologischen Grunderfahrungen zu tun: Machen wir nicht in gelungener Freundschaft und Liebe eine Erfahrung, die ein Sinnversprechen enthält, das auf Dauer zielt?
Kennen wir nicht die Sehnsucht nach Gerechtigkeit, dass die Täter nicht auf Dauer über ihre Opfer triumphieren? Solche Fragen können verdeutlichen, dass der Glaube an die Auferstehung an die Grammatik menschlicher Selbsterfahrungen anknüpfen kann.
Augustinus sagte: „Der christliche Glaube stößt in keinem Punkt auf mehr Widerspruch als in Bezug auf die Auferstehung des Fleisches.“ Wie gehen Theologie und Kirche mit dieser Tatsache um?
Tück: Der Glaube an die Auferstehung des Fleisches provoziert Widerspruch, der mit einer elementaren Erfahrung zu tun hat.
Wir können sehen, wie der Tod das Antlitz des Anderen zur Maske erstarren lässt. Sein Leib, gerade noch Ausdrucksmedium seiner Empfindungen, erkaltet und wird zum Leichnam, der verwest.
Wie kann man da von „Auferstehung des Fleisches“ sprechen? Nun meint Auferstehung nicht die mirakulöse Wiederbelebung eines Leichnams. Das ist am Geschick Jesu ablesbar.
Der Gekreuzigte ist nicht in die Wirklichkeit von Raum und Zeit zurückgekehrt. Sein Leichnam wurde nicht wiederbelebt, um erneut sterben zu müssen.
Auferstehung meint den unwiderruflichen Übergang in ein Leben, das keinen Tod mehr kennt.
Zugleich zeigen die Erscheinungen des erhöhten Christus, dass seine Leiblichkeit anders ist. Einerseits sind die Spuren der Passion an den Wundmalen ablesbar, das ist ein wichtiger Hinweis dafür, dass die einmalige Freiheitsgeschichte eines Menschen nicht ausradiert wird, sondern verwandelt in die Wirklichkeit der Vollendung eingeht; andererseits ist die verklärte Leiblichkeit nicht mehr an die Gesetze von Raum und Zeit gebunden.
Der Auferstandene kommt und geht, er zeigt sich und entzieht sich. Mit der Auferweckung des Gekreuzigten hat ein Stück gelebter Geschichte Eingang in die Ewigkeit Gottes gefunden.
Für den christlichen Schriftsteller Tertullian (150-220 Chr.) ist „das Fleisch“ der „Schlüssel des Heils“. Was ist unter „Auferstehung des Fleisches“ zu verstehen?
Tück: Tertullian wendet sich gegen den gnostischen Doketismus, gegen jene, die behaupten, Jesus, der Erlöser, habe nur einen Scheinleib angenommen. Er sei mit der Materie gar nicht in Berührung gekommen. In dieser Vorstellung wird der Inkarnation die Spitze abgebrochen. Gott simuliert nur, dass er Mensch wird.
Tertullian betont demgegenüber, dass Gottes Wort wirklich Fleisch angenommen hat. Der Mensch wäre nicht erlöst worden, wenn Jesus Christus nicht auch seine leibliche Wirklichkeit bis ins Sterben hinein geteilt hätte.
In der leiblichen Auferstehung Christi aber liegt die Verheißung, dass alle auferstehen. Und nur wenn auch der Leib, in den sich die Erfahrungen einer Biographie sichtbar eingezeichnet werden, gerettet wird, bleibt keine spürbare Leere zurück.
Was unterscheidet die christliche Auferstehungs-Hoffnung von der Wiedergeburtslehre?
Tück: Die Wiedergeburts- oder Reinkarnationslehre und der christliche Auferstehungsglaube sind letztlich unvereinbar.
Zwar gehen beide davon aus, dass dieses Leben mit dem Tod nicht zu Ende ist, und widersprechen damit einem blanken Materialismus.
Aber sie unterscheiden sich m. E. in drei wesentlichen Punkten.
Zunächst im Menschenbild:
Die Wiedergeburtslehre reißt den Menschen auseinander in einen sich durchhaltenden Träger, die Seele, und wechselnde Ausdrucksmedien, die Leiber.
Aus christlicher Sicht aber ist es nicht akzeptabel, den Leib zu einer austauschbaren Hülle abzuwerten und damit die einmalige Freiheitsgeschichte einer Person zu einer vorläufigen Etappe im Kreislauf der Wiedergeburten herabzuwürdigen.
Der Glaube besteht darauf, dass der Leib als Ausdrucksmedium zur Identität der Person gehört.
Zweitens gibt es im Zeitverständnis Differenzen:
Für das lineare Geschichtsverständnis der Bibel sind Einmaligkeit, Befristung und Unwiederbringlichkeit wesentlich.
Wie Gott sich zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt der Geschichte in Jesus von Nazareth geoffenbart hat, so ist auch jedem Menschen eine bestimmte Frist gegeben, in der er seine Begabungen entfalten kann. Im Hebräerbrief heißt es: „Wie es dem Menschen bestimmt ist, ein einziges Mal zu sterben, worauf dann das Gericht folgt, so wurde auch Christus ein einziges Mal geopfert, um die Sünden vieler hinwegzunehmen“ (Hebr. 9, 27f).
Die Betonung der Einmaligkeit einer jeden Biographie, die durch den Tod definitiv beendet wird, widerspricht der Wiederholbarkeit, die dem Begriff der „Re“-Inkarnation eingeschrieben ist.
Und drittens besteht ein Unterschied im Erlösungsverständnis:
Muss ich mich selbst durch moralische Leistungen verbessern – oder werden mir Heil und Vollendung geschenkt?
Die Auffassung, was man in diesem Leben nicht geschafft habe, das könne man im nächsten anders und besser machen, scheint für viele heute attraktiv zu sein. Das Konzept der ethischen Selbstvervollkommnung, das für westliche Spielarten der Reinkarnationslehre kennzeichnend ist, liegt auf der Linie des neuzeitlichen Fortschrittsdenkens.
Das Christentum setzt mit dem Glauben an die zuvorkommende Gnade Gottes andere Akzente. Erlösung von Schuld ist nicht das Produkt menschlicher Leistung, sondern göttliche Gabe. Die Gabe anzunehmen und in einer konkreten Existenz Fleisch werden zu lassen, dazu reicht ein Leben aus.
Wer sich durch die gnädige Zuwendung Gottes erlösen lässt, ist befreit von dem Zwang, sich selbst erlösen zu müssen.
Univ.-Prof. Dr. Jan-Heiner Tück,
Ordinarius für Dogmatische Theologie an der Universität Wien.
Dogmatik und Dogmengeschichte an der Universität Wien
Die Wiener Kirchenzeitung Der Sonntag