Als historisch sicher gelten auch die Verurteilung und der Tod Jesu durch das Kreuz.
Als historisch sicher gelten auch die Verurteilung und der Tod Jesu durch das Kreuz.
Interview mit Veronika Tropper über den so genannten „historischen“ Jesus.
„Historischer“ und „irdischer“ Jesus werden oft verwechselt. Wie kann nach dem „historischen“ Jesus von Nazaret gefragt werden?
Tropper: Die Frage nach der historischen Person Jesus von Nazaret ist für das Christentum grundlegend. Dabei geht es um eine plausible Rekonstruktion seiner Geschichte im Ganzen.
Bei der Rückfrage nach dem historischen Jesus dürfen wir nicht übersehen, dass die christlichen Quellen (kanonische wie außerkanonische) vom irdischen Jesus aus nachösterlicher Perspektive erzählen und dies in je konkreter Verkündigungsabsicht tun.
Als Quellen liegen uns neben den christlichen Schriften auch frühe nichtchristliche Quellen, die jedenfalls die Existenz Jesu von Nazaret bezeugen vor: Erwähnungen finden sich bei den römischen Historikern Tacitus und Sueton sowie beim jüdischen Historiker Josephus Flavius. Außerdem gibt es einen (nicht ganz unumstrittenen) Text aus dem babylonischen Talmud und den Brief des heidnischen Philosophen Mara bar Sarapion.
Auch wenn wir nicht wie bei anderen großen Persönlichkeiten der Antike auf monumentale Quellen wie Inschriften oder Münzen zurückgreifen können, liegen mit den vorhandenen Quellen unter antiken Maßstäben relativ viele Informationen vor.
Mit welchen Methoden, nach welchen Kriterien lässt sich der „historische“ Jesus finden?
Tropper: Vor allem die Suche nach den Worten (ipsissima Verba) und Taten (ipsissima facta) des historischen Jesus ist Inhalt dieser Rückfrage. Diese muss, um möglichst objektiv zu sein, nach festgelegten Kriterien erfolgen.
Die aktuelle Jesus-Forschung hält sich dabei vor allem an das „historische Plausibilitätskriterium“, das der evangelische Neutestamentler Gerd Theißen etabliert hat. Dadurch wird als authentisches Jesusgut (echtes Jesus-Wort, echte Jesus-Tat, Anm. d. Red.) greifbar, was als individuelle Erscheinung plausibel (einleuchtend, Anm. d. Red.) in den jüdischen Kontext Jesu eingeordnet werden kann (Kontextplausibilität) und gleichzeitig auch die urchristliche Wirkungsgeschichte Jesu plausibel zu erklären vermag (Wirkungsplausibilität).
Was kann generell als historisch gelten in Bezug auf Leben und Werk Jesu?
Tropper: Die vorliegenden Quellen erlauben eine ungefähre zeitliche Einordnung von Geburt (zur Zeit des römischen Kaisers Augustus), Auftreten (um das Jahr 30 n. Chr.) und Tod Jesu (zwischen 30 und 33 n. Chr.).
Festzuhalten ist, dass es uns nicht möglich ist, eine vollständige Biographie des Mannes aus Nazaret zu erstellen. Klar ist lediglich, dass er stark geprägt war durch das ländliche Umfeld Galiläas, in dem Nazaret liegt, wo er aufwuchs. Über die Zeit vor dem öffentlichen Auftreten ist nichts bekannt.
Als historisch sicher gelten auch die Verurteilung und der Tod Jesu durch das Kreuz. Zusätzlich können wir sagen, dass Jesu Zeitgenossen ihn als lehrenden Gleichniserzähler und wundermächtigen Mann wahrgenommen haben, der in einer Beziehung zur Bewegung Johannes des Täufers stand.
Ist die Frage nach dem „historischen Jesus“ von Nazaret überhaupt wichtig? Genügt es nicht, dem Evangelium zu „trauen“ (Joseph Ratzinger, Jesus, Band II)?
Tropper: Da es sich beim Jesus-Geschehen um ein Ereignis in der Weltgeschichte, das auch durch nichtchristliche Quellen belegt ist, handelt und nicht um einen Mythos, ist die Frage nach dem „historischen Jesu“ von Nazaret berechtigt und wichtig.
Im Jesus-Geschehen manifestiert sich ja das Wirken des biblischen Gottes, der nicht ein Gott fernab der Welt ist, sondern ein Gott, der immer wieder in die Geschichte eingreift und sich den Menschen zuwendet.
Nicht zuletzt hat die historische Rückfrage freilich auch kritisches Potential gegenüber der Tradition.
Dr. Mag.a Mag.a Veronika Burz-Tropper
(Institut für Bibelwissenschaften und Historische Theologie)
Institut für Bibelwissenschaft
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