Weißer Engel, Dommuseum.
Weißer Engel, Dommuseum.
Zum Fest der Erzengel Michael, Gabriel und Raphael (29. September) und zum "Schutzengel-Fest" (2. Oktober): Beate Mayerhofer-Schöpf über die Verehrung der Boten Gottes.
Was lehrt die Kirche über die Engel?
Mayerhofer-Schöpf: Engel stehen nicht im Zentrum unseres christlichen Glaubens. Sie sind eher als „Randwahrheit“ zu bezeichnen. Das zeigt sich schon daran, dass das kirchliche Lehramt in seinen Äußerungen recht sparsam mit dem Thema umgeht. Es hält fest: Engel sind von Gott erschaffen. Sie sind uns Menschen in gewisser Weise ähnlich, weil sie mit Intelligenz begabt sind und mit freiem Willen ausgestattet. So haben sie auch eine ähnliche Berufung wie wir Menschen, nämlich aus freier Wahl der Liebe den Vorzug zu geben. Aber nicht alle haben diese Wahl getroffen. Manche sind aus eigener Entscheidung unrevidierbar böse geworden und versuchen, den Menschen in ihren Aufstand gegen Gott hineinzuziehen. Man spricht von "gefallenen Engeln", vom "Teufel".
Natürlich kommen den Engeln auch Eigenschaften zu, die gar nichts mit unserer menschlichen Konstitution gemeinsam haben. Die Kirche lehrt, dass Engel weder körperlich noch sterblich sind und (mit Ausnahme der "gefallenen Engel") ständig in der Gegenwart Gottes leben, wo wir – so unsere Hoffnung – auch nach unserem Tod mit ihnen versammelt sein werden. Schon jetzt können wir aber Gemeinschaft mit ihnen haben. In der Eucharistiefeier etwa singen wir im "Sanctus" vereint mit allen Engeln und Heiligen das Lob der Herrlichkeit Gottes. Die Kirche kennt zudem die Möglichkeit, Engel um Hilfe anzurufen und sie um Fürsprache bei Gott zu bitten.
Welche Bedeutung haben Engel in der Heiligen Schrift?
Mayerhofer-Schöpf: Engel sind in der Hl. Schrift wie selbstverständlich da, ohne dass lange reflektiert wird. Im Alten Testament erscheinen sie als "Hofstaat Gottes", preisen die Herrlichkeit Gottes (Jes 6,1-7) und führen seinen Willen aus. Sie begleiten in Gefahren (1 Kön 19,4-8), fungieren als Deute-Engel (Sach 2,5-9) und als Boten, treten aber ganz hinter ihrer Botschaft zurück, so sehr, dass man manchmal den Eindruck hat, hier zeige sich Gott selbst (Ex 3,2).
In den Evangelien begleiten sie Jesus von der Menschwerdung an bis zur Himmelfahrt. Die Botschaft des Engels Gabriel übertrifft alles bisher Dagewesene (Lk 1,26-38). Engel dienen Jesus in der Wüste (Mk 1,12) und stärken ihn in seiner Todesangst (Lk 22,43). Sie "evangelisieren", indem sie nicht nur die Geburt (Lk 2,8-14), sondern auch die Auferstehung Christi verkünden (Mk 16,5-7). Am leeren Grab deuten sie die Geschehnisse (Mk 16,6; Lk 24,5-6) und kündigen bei Jesu Himmelfahrt seine Wiederkunft an (Apg 1,11). In der Heiligen Schrift erscheinen Engel also v. a. als stärkende, schützende, deutende, verkündende und evangelisierende Diener Gottes. Sie vermitteln Gottes Willen und Schutz, indem sie nicht nur Menschen zur Seite stehen, sondern auch Christus bei der Erfüllung seiner Sendung unterstützen.
Die Wiederentdeckung der Engel hält seit Jahren an. Weniger in der Kirche (außer durch P. Anselm Grün OSB), dafür mehr in einer freischwebenden Spiritualität. Warum?
Mayerhofer-Schöpf: Für viele Menschen erscheint der christliche Gott in weite Ferne gerückt, unerreichbar. Engel werden hier als Brücke zum Göttlichen angesehen – noch dazu ohne menschliche oder amtliche Vermittlungsinstanz. Meist fungieren Engel als Lebenshelfer, die dem eigenen Willen dienstbar sind. Man pickt sich aus den vielen Angeboten das heraus, was man gerade zu brauchen glaubt – ohne irgendwelche Verpflichtungen einzugehen.
Warum brauchen wir öfters einen Schutzengel?
Mayerhofer-Schöpf: Schutzengel waren zwar nie Gegenstand einer Entscheidung des kirchlichen Lehramts, aber wegen der guten Verwurzelung in der Tradition, in der Frömmigkeit sowie Liturgie und nicht zuletzt wegen biblischer Anhaltspunkte gelten sie dogmatisch als "theologisch sichere Glaubenswahrheit". Jesus spricht davon, dass den Kindern Engel im Himmel zur Seite gestellt sind (Mt 18,10) und Lazarus von Engeln in Abrahams Schoß getragen wird (Lk 16,22). So können wir glauben, dass sie Menschen von Kindheit an begleiten und am Ende des Lebens in den Himmel führen. Allerdings haben sie recht wenig mit kitschig-romantischen Vorstellungen über niedliche Barock-
engelchen zu tun.
Es ist Botschaft der Bibel, dass Menschen sich in Gefahr unter Gottes Schutz wissen dürfen. Engel personifizieren diesen Schutz (Ps 91). Dafür können wir dankbar sein. Allerdings warnt uns die Hl. Schrift auch davor, dass eine übertriebene Verehrung der Engel die unmittelbare Nähe Gottes in Jesus verdecken kann (Kol 2,18f). Jedoch Christus bedarf keiner Ergänzung. In ihm haben wir einen direkten Zugang zu Gott.