Als Mensch habe ich die Freiheit, mich für gut oder böse zu entscheiden.
Als Mensch habe ich die Freiheit, mich für gut oder böse zu entscheiden.
Vom Teufel spricht heute kaum noch wer. Ist das eine positive Errungenschaft oder gefährlich? Pfarrer Konstantin Spiegelfeld und der Philosoph René Tichy meinen, man solle das Gute suchen, aber das Böse nicht vergessen.
Die Verfilmung von Dan Browns Bestsellerroman „Inferno“ bringt die Hölle und den Teufel wieder ins Gespräch. 150.000 Menschen haben den Film in Österreich bisher gesehen, kurz nach dem Start liegt „Inferno“ auf Platz eins der heimischen Kinocharts. Der SONNTAG fragt nach, wie das mit dem Bösen abseits der Kinoleinwand ist.
René Tichy, warum beschäftigen Sie sich mit dem Bösen?
René Tichy: Die Philosophen haben schon immer über das Böse nachgedacht. Das Gute und das Böse wurden immer zusammengedacht. Bei gut und böse kommt man schnell zu Gott und Teufel. In der heutigen Welt scheint es, als hätten die Menschen sowohl das Gute als auch das Böse vergessen.
Wenn beides vergessen wird, weiß der Mensch nicht mehr, was gilt, worauf es im Leben ankommt. Und im Hinblick auf Weihnachten, das vor der Tür steht, kann man fragen, ob diese Heilsbotschaft, um die es eigentlich im Christentum geht, überhaupt verstanden werden kann, wenn von Gott oder vom Teufel nicht mehr gedacht oder gesprochen wird.
In der katholischen Kirche wird von Gott sehr wohl gesprochen, vom Teufel aber kaum noch. Was halten Sie davon?
Konstantin Spiegelfeld: Das hat eine gute und eine schlechte Seite. Gut ist, dass der Fokus mehr auf der frohen Botschaft und der Förderung des Lebens liegt. „Furcht“ soll in der Kirche eine Ehrfurcht, aber keine Angst sein.
Andererseits wird dadurch das Böse nicht mehr ganz ernst genommen, vor allem der Urheber des Bösen. Der Mensch muss sehr wohl im Blick haben, dass es das Böse gibt, weil der größte Feind des Guten ist nicht die Ablehnung des Guten, sondern die Gleichgültigkeit.
Wenn ich völlig gleichgültig bin, mir keine Gedanken darüber mache, was das Leben fördert und was lebensfeindlich ist, dann merke ich auch nicht mehr, was schlecht für mich als Mensch ist.
Was ist das Böse? Die Abwesenheit des Guten? Oder steckt etwas Eigenständiges dahinter?
René Tichy: Ich würde nicht so weit gehen, von etwas Eigenständigem oder gar einer Personifizierung zu sprechen. Ich glaube, das Subtile des Bösen besteht darin, dass der gefallene Engel mit dem Guten der Schöpfung falsch umgeht, dass er sozusagen als Unperson das Beste des Menschen hernimmt und es verdreht. Alle Ideale, die der Mensch hat – Liebe, Wahrheit, Frieden, Gerechtigkeit – das kann alles ins Gegenteil verkehrt werden.
Die Menschen haben sich schon immer für ihre besten Absichten totgeschlagen oder totschlagen lassen. Ich glaube, das ist die Gefahr: Das Böse kommt sehr subtil daher, im Gewand des Guten. Die Tugend kann soweit gehen, dass – etwa bei der Französischen Revolution – dann Köpfe unter dem Fallbeil liegen.
Was fasziniert Menschen am Bösen?
René Tichy: Es ist vielleicht diese Aufgeregtheit, die das Böse zu versprechen scheint. Auch hier ist das sogenannte Widersacherische im Spiel: Dass wir Aufregung brauchen, aber nicht wissen, wo das hinführen kann. Ich glaube, wir geben uns da leicht aus der Hand. Je mehr man glaubt, man hat sich im Griff, umso weniger scheint es der Fall zu sein und wir tappen dann in Fallen, die wir gar nicht erkennen oder erst, wenn es schon zu spät ist.
Welche Vorstellungen vom Bösen gibt es in den Weltreligionen?
Konstantin Spiegelfeld: In den fernöstlichen Religionen gibt es Ansichten, die sich von unseren sehr unterscheiden. Ein gutes Bild ist das Yin und Yang: In jedem Guten ist auch etwas Böses und in jedem Bösen etwas Gutes. Im Christentum und, ich denke, auch im Judentum, glauben wir, dass alles irgendwie von Gott gehalten wird. Gott ist noch größer. Der Teufel ist auch ein Geschöpf Gottes – so absurd das klingt – ein Geschöpf, das sich abgewendet hat. Jesus selber entlarvt den Teufel, der zu ihm in Form von biblischen Zitaten kommt. Er weiß aber, in welchem Zusammenhang die Zitate stehen und was dem übergeordnet ist.
Wir als Christen müssen keine Angst haben, aber wir müssen das ernst nehmen und dürfen nicht blauäugig sagen, das andere gibt es nicht. Weil das gibt es sehr wohl. Aber wir Christen glauben daran, dass Gott uns hilft, das Böse zu besiegen. Die schlechteste Auswirkung des Bösen ist der Tod, so wird es in der Bibel dargestellt. Und selbst das überwindet er.
Gibt es Mittel gegen das Böse?
René Tichy: Mir fallen zwei ein: die Barmherzigkeit und das Vergeben. In der Beschäftigung mit dem Widersacher habe ich gelernt, dass er eine Eigenschaft nicht hat: Er kann nicht vergeben und nicht barmherzig sein. Der Teufel ist zwar gerecht, aber es ist eine kalte Gerechtigkeit.
Die Barmherzigkeit im Einklang mit der Gerechtigkeit und die Vergebungsbereitsschaft, das ist dem Menschen möglich – vielleicht nicht von sich aus, da braucht er Gott dazu.
Konstantin Spiegelfeld: Ich glaube, das persönliche Gebet ist auch ein Schutz. Als Mensch habe ich die Freiheit, mich für gut oder böse zu entscheiden. Das ist eine große Würde und macht den Menschen so wertvoll, aber eben auch verletzlich.
Aus meinen Erfahrungen kann ich lernen, wo ich dem Bösen auf den Leim gegangen bin, einfach nicht nachgedacht habe, gleichgültig gewesen bin. Das Gewissen bildet sich auch durch das Lernen, die Erfahrung. Ich bin dankbar, dass wir Menschen in dieser Freiheit leben dürfen und uns Gott als Menschen so sieht.
Philosoph René Tichy und
Pfarrer Konstantin Spiegelfeld
diskutierten im Studio von radio klassik Stephansdom über das Böse.
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